Thema: Moderne Privatpost: First Mail Düsseldorf - der etwas andere alternative Briefdienst
Stefan Am: 08.01.2023 13:20:09 Gelesen: 4432# 9@  
@ Privatpost Merkur

Die Löhne der Deutsche Post-Tochter orientierten sich weiterhin am niedrigeren Niveau der Privatpostunternehmen und es gab damit in der Region zwei flächendeckende Zustellschienen des Staatsunternehmens.

Sachlich falsch bzw. zu pauschalisiert ausgedrückt:

Bis zum 28.01.2010 war es es in der Branche strittig, ob der per Verordnung von der damaligen Bundesregierung bzw. konkret durch den damaligen Bundesarbeitsminister (und jetzigen Bundeskanzler) Olaf Scholz zum 01.01.2008 eingeführte und rechtlich geplant bis zum 30.04.2010 gültige Postmindestlohn zu zahlen sei oder nicht. Für Mitarbeiter in den alten Bundesländern bedeute dies konkret brutto: 8,40 Euro/Stunde in der Briefesortierung und 9,80 Euro/Stunde in der Briefzustellung.

Mitbewerber wie TNT Post und die PIN Mail AG in Berlin zogen ab 2008 vor Gericht nach und nach durch alle Instanzen. TNT Post setzte unabhängig davon ab Mitte 2008 auf einen eigenen Haustarifvertrag mit einer christlichen Gewerkschaft [1] (über deren rechtliche Gültigkeit der Abschlüsse ließe sich streiten). Die PIN-Gruppe versuchte zusammen mit anderen Mitbewerbern ab Ende 2007 (vor der sich bereits abzeichnenden Einführung des Postmindestlohns) eine eigene Gewerkschaft auf die Beine zu stellen, welche berechtigt (groß genug) war, für die Branche Tarifverträge abzuschließen - die "Gewerkschaft der Neuen Brief- und Zustelldienste" (GNBZ) [2]. Dieser Versuch misslang.

Kurz und knapp: Der WAZ Post Service und First Mail hielten sich an den damals geltenden Postmindestlohn (auch nach dem Urteil vom Bundesverwaltungsgericht in Leipzig), TNT Post als größter Wettbewerber im Ruhrgebiet hingegen nicht (stattdessen ein eigener Haustarifvertrag ab 6,50 bzw. 7,50 Euro/Stunde in Ost bzw. West). Daher halte ich es in der o.g. Aussage für zu pauschalisiert, alle damaligen Mitbewerber im Briefdienst in einen Topf zu werfen, dafür ist mir die Lohnspanne zwischen den einzelnen Unternehmen bzw. Verträgen auch zu groß. Das Thema sollte in Kurzfassung etwas differenzierter betrachtet werden.

Am 28.01.2010 kippte das Bundesverwaltungsgericht in Leipzig letztinstanzlich den Postmindestlohn [3]. Bis dato stellten es einige ausschreibende Behörden bzw. Stadtverwaltungen oder Bundesagenturen für Arbeit auch in der Ausschreibung der Briefdienstleistung als Bedingung [4], dass der auftragnehmende Briefdienstleister den Postmindestlohn nachweislich zahle. Dies war seinerzeit ein weiteres heißes Eisen in der Branche gewesen - die rechtliche Zulässigkeit seitens der ausschreibenden Behörden, die Zahlung des Postmindestlohns als Bedingung einzufordern. Gerade die seinerzeit dem Bundesarbeitsminister Olaf Scholz unterstehende Bundesagentur für Arbeit vergab im Jahr 2009 regional Aufträge an Briefdienstleister (u.a. TNT Post), welche nicht den Postmindestlohn zahlten [5] (und sich deren Arbeitnehmer u.U. über Aufstockungen des Lohns beim Sozialamt zurückholten). Verschiedene Bundesagenturen für Arbeit schrieben später neu aus und berücksichtigten die Einhaltung des Postmindestlohns als Vergabebedingung [4].

"... Die BA [Bundesagentur für Arbeit] unternahm Anfang August 2009 einen 2. Anlauf, bei der Zustellung ihrer Behördenpost den umstrittenen Post-Mindestlohn durchzusetzen. Sie hob die Ausschreibungen für die Städte Dortmund, Düsseldorf, Essen und Bochum auf und kündigte eine Neuvergabe unter Berücksichtigung der Mindestlohnvorgaben im 3. Quartal 2009 an. Die BA stützt sich auf eine zwischenzeitlich ergangene neue Entscheidung des Oberlandesgerichts Düsseldorf. Während das Gericht im April 2009 verboten hatte, die Auftragsvergabe an die Einhaltung des Mindestlohns zu koppeln, stellt es in der neuen Entscheidung den Auftraggebern, die auf Tariftreue pochen, frei, laufende Vergabeverfahren vollständig aufzuheben."

Die Aufträge der Bundesagentur für Arbeit in Bochum, Dortmund und Essen hatten einen Auftragswert von 1,4 Mio. Euro (vermutlich pro Jahr). Ich nehme an, dass der vierte Auftrag (Düsseldorf) bei einer erneuten Vergabe bei First Mail in Düsseldorf gelandet war.

Nochmals aus Beitrag :

Die Löhne der Deutsche Post-Tochter orientierten sich weiterhin am niedrigeren Niveau der Privatpostunternehmen und es gab damit in der Region zwei flächendeckende Zustellschienen des Staatsunternehmens.

Genau genommen gab es im Ruhrgebiet - zumindest anteilig - drei Zustellschienen. Von ca. März/April 2008 bis ca. 2015 (oder geringfügig später?) wurde das folierte wöchentliche Post-Blättchen "Einkauf Aktuell" (kurz "EA") mit Werbung als Einleger in verschiedenen Städten des mittleren Ruhrgebietes (Postleitbereich 45) samstags nicht von den Briefträgern der Deutsche Post AG sondern freitags oder samstags von Zustellern der WAZ Mediengruppe ausgetragen [6], welche zeitgleich die Samstagsausgabe der Anzeigenblätter [7] (je nach Stadt besser bekannt unter dem Titel "Stadtanzeiger", "Stadtspiegel" oder "Wochenblatt") verteilten. Im Forum wurde vor einigen Jahren darüber geschrieben [8].

Gruß
Stefan

[1] https://de.wikipedia.org/wiki/Christliche_Gewerkschaft_Postservice_und_Telekommunikation
[2] https://de.wikipedia.org/wiki/Gewerkschaft_der_Neuen_Brief-_und_Zustelldienste
[3] https://www.sueddeutsche.de/wirtschaft/urteil-des-bundesverwaltungsgerichts-post-mindestlohn-ist-rechtswidrig-1.71209
[4] https://www.post-und-telekommunikation.de/PuT/KEP_2009_3_Juli-Sept.php (Meldung vom "04.07./13.08.2009")
[5] https://www.welt.de/wirtschaft/article4101665/Der-Schwindel-mit-dem-Post-Mindestlohn.html
[6] https://www.dwdl.de/nachrichten/14758/zeitungsverlage_und_post_nhern_sich_weiter_an/?utm_source=&utm_medium=&utm_campaign=&utm_term=
[7] https://www.funkemedien.de/de/geschaeftsfelder/print/anzeigenblaetter/
[8] https://www.philaseiten.de/cgi-bin/index.pl?ST=3223
 
Quelle: www.philaseiten.de
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