Thema: Recht: Gesetz für Virtuelle Hauptversammlung wird wohl zur Dauerregelung
Jürgen Häsler Am: 27.02.2023 19:05:37 Gelesen: 2875# 31@  
Gesetzesänderung ermöglicht dauerhaft Virtuelle Mitgliederversammlungen

Der Deutsche Bundestag hat am 09. Februar 2023 den „Entwurf eines Gesetzes zur Ermöglichung hybrider und virtueller Mitgliederversammlungen im Vereinsrecht“ [1] beschlossen.

Das Gesetz ändert § 32 BGB (Bürgerliches Gesetzbuch), der in der bisherigen Fassung lautet:

§ 32 Mitgliederversammlung; Beschlussfassung

(1) Die Angelegenheiten des Vereins werden, soweit sie nicht von dem Vorstand oder einem anderen Vereinsorgan zu besorgen sind, durch Beschlussfassung in einer Versammlung der Mitglieder geordnet. Zur Gültigkeit des Beschlusses ist erforderlich, dass der Gegenstand bei der Berufung bezeichnet wird. Bei der Beschlussfassung entscheidet die Mehrheit der abgegebenen Stimmen.

(2) Auch ohne Versammlung der Mitglieder ist ein Beschluss gültig, wenn alle Mitglieder ihre Zustimmung zu dem Beschluss schriftlich erklären.


Die vom Bundestag mit einer breiten Mehrheit der Fraktionen SPD, CDU/CSU, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, FDP und DIE LINKE gegen die Stimmen der Fraktion der AfD beschlossene Neufassung lautet:

(1) Die Angelegenheiten des Vereins werden, soweit sie nicht von dem Vorstand oder einem anderen Vereinsorgan zu besorgen sind, durch Beschlussfassung in einer Versammlung der Mitglieder geordnet. Zur Gültigkeit des Beschlusses ist erforderlich, dass der Gegenstand bei der Berufung bezeichnet wird. Bei der Beschlussfassung entscheidet die Mehrheit der abgegebenen Stimmen.

(2) Bei der Berufung der Versammlung kann vorgesehen werden, dass Mitglieder auch ohne Anwesenheit am Versammlungsort im Wege der elektronischen Kommunikation an der Versammlung teilnehmen und andere Mitgliederrechte ausüben können (hybride Versammlung).

Die Mitglieder können beschließen, dass künftige Versammlungen auch als virtuelle Versammlungen einberufen werden können, an der Mitglieder ohne Anwesenheit am Versammlungsort im Wege der elektronischen Kommunikation teilnehmen und ihre anderen Mitgliederrechte ausüben müssen. Wird eine hybride oder virtuelle Versammlung einberufen, so muss bei der Berufung auch angegeben werden, wie die Mitglieder ihre Rechte im Wege der elektronischen Kommunikation ausüben können.


(3) Auch ohne Versammlung der Mitglieder ist ein Beschluss gültig, wenn alle Mitglieder ihre Zustimmung zu dem Beschluss schriftlich erklären.


Das neue Gesetz geht auf eine Gesetzesinitiative des Bundesrates [2] vom 01.07.2022 zurück. Die Ländervertretung hatte vor dem Auslaufen der coronabedingten Sonderregelungen im Vereinsrecht zum 31.08.2022 eine dauerhafte gesetzliche Regelung von "digitalen" Mitgliederversammlungen herbeiführen wollen. Dabei spielten auch die zu erwartenden Kosten eine Rolle:

Vereine, die künftig von der Möglichkeit Gebrauch machen wollen, Mitgliederversammlungen virtuell durchzuführen, müssen die technischen Voraussetzungen hierfür schaffen. Gleiches gilt für diejenigen Mitglieder, die an einer Versammlung im Wege der Videokonferenztechnik teilnehmen möchten.

Da weder die Vereine noch die Mitglieder durch die Neuregelung dazu verpflichtet werden, Versammlungen digital abzuhalten bzw. virtuell hieran teilzunehmen, handelt es sich dabei jedoch um keine zwingend erforderlichen Kosten, sondern lediglich um solche, die ggf. bei freiwilliger Nutzung anfallen.
Den Aufwendungen stehen Einsparungen gegenüber, die sich daraus ergeben, dass die Vereine aufgrund der zu erwartenden geringeren Anzahl an Präsenzteilnehmern künftig kleinere Räumlichkeiten für die Durchführung von Mitgliederversammlungen anmieten müssen. Bei den Mitgliedern, die an der Versammlung im Wege der Videokonferenztechnik teilnehmen, fallen wiederum keine Reisekosten mehr an.


Nach einer positiven Stellungnahme der Bundesregierung

"Die Bundesregierung unterstützt das Ziel des Gesetzentwurfs, ehrenamtliches Engagement zu fördern und die Rechtsausübung für Mitglieder von Vereinen und den Vorstandsmitgliedern von Vereinen und Stiftungen zu erleichtern.

Vereine können zwar schon nach dem geltenden Vereinsrecht virtuelle Mitgliederversammlungen durch die Satzung umfassend und entsprechend ihren jeweiligen Bedürfnissen regeln. Mit § 5 Absatz 2 des Gesetzes über Maßnahmen im Gesellschafts-, Genossenschafts-, Vereins-, Stiftungs- und Wohnungseigentumsrecht zur Bekämpfung der Auswirkungen der Pandemie gab es ab März 2020 eine Vorschrift, die virtuelle Mitgliederversammlungen auch ohne Grundlage in der Satzung ermöglichte. Diese Regelung wird am 31. August 2022 außer Kraft treten. Viele Vereine haben gute Erfahrungen mit der gesetzlichen Ermächtigung gemacht und wünschen sich – insbesondere vor dem Hintergrund, dass Satzungsänderungen aufgrund zeitlicher und bürokratischer Notwendigkeiten und Abhängigkeiten von der Eintragung im Vereinsregister gerade von vielen kleinen und mittleren Vereine als Belastung angesehen werden – eine Nachfolgeregelung, die mit dem Gesetzentwurf des Bundesrates geschaffen werden soll."


hat der Deutsche Bundestag das Gesetz in deutlich modifizierter Weise beschlossen.

Der Bundesrat muss nach der Abänderung des Gesetzes durch den Bundestag nun zwar erneut zustimmen, was aber als sicher gilt und noch vor der Sommerpause erfolgen soll.

[1] https://www.google.com/url?sa=t&source=web&rct=j&url=https://dserver.bundestag.de/btd/20/055/2005585.pdf&ved=2ahUKEwjLwduB6bX9AhV1X_EDHQolD7UQFnoECBAQAQ&usg=AOvVaw2WYC6c1y_PBd50r-8U_uqe

[2] https://dserver.bundestag.de/btd/20/025/2002532.pdf
 
Quelle: www.philaseiten.de
https://www.philaseiten.de/thema/14098
https://www.philaseiten.de/beitrag/314673