Thema: Vorausentwertungen Deutschland
johanneshoffner Am: 29.03.2023 21:12:35 Gelesen: 26106# 207@  
Vor Jahren habe ich diese unscheinbare Drucksache gefunden:



Bei der Suche, worum es ging, fiel mit ein Heft der ARGE Vorausentwertungen in die Hände: Es handelt sich um eine Vorausentwertung.

Die Zeitungsschleifen der Frankfurter Zeitung ins Ausland wurden frankiert, auf dem Postamt abgestempelt und dann erst in der Druckerei um die Zeitungen geklebt.

Daraus entstand eine kleine Sammlung und ein kurzer Artikel:

1. Einführung

Vorausentwertungen kennt man in der Philatelie besonders aus den USA und aus Belgien. Aber auch im Deutschen Reich gab es Vorausentwertungen. In diesem Beitrag möchte ich die Vorausentwertungen der Frankfurter Zeitung aus der Inflationszeit vorstellen.

Normalerweise wird ein Brief oder eine Postsendung fertiggestellt, verschlossen, frankiert, bei der Post abgegeben und dort wird die Briefmarke entwertet.
Unter einer Vorausentwertung verstehen die Philatelisten, dass die Briefmarke

• zuerst entwertet wurde und dann zur Frankatur benutzt wurde oder
• zuerst aufgeklebt, entwertet wurde und erst dann die Postsendung fertiggestellt wurde.

Der erste Fall ist aus den USA und Belgien bekannt. Um den zweiten Fall handelt dieser Artikel.

Der früheste Beitrag in der deutschsprachigen philatelistischen Literatur über diese Besonderheit erschien 1986:

Max Brugmann Vorausentwertungen des Deutschen Reiches und der Bundesrepublik Deutschland; 1. Nachtrag zum Katalog von 1986; Arbeitsgemeinschaft Vorausentwertungen im BdPh weitere Informationen finden sich unter http://www.arge-ve.de

Drucksachen hatten im Deutschen Reich einen gegenüber normalen Briefsendungen reduzierten Tarif. Es galten besondere Bestimmungen, auf die hier nicht eingegangen werden soll. Um den Postversand von Zeitungen zu vereinfachen wurden sogenannte Streifband- und Kreuzbandsendungen eingeführt. Dabei wurde ein Papierstreifen um die zu versendende Zeitung geklebt. Dieser trug die Adresse, ggf. den Absender und die Frankatur. Bei Streifbandsendungen wurde ein Papierstreifen, bei Kreuzbandsendungen wurden zwei Papierstreifen diesmal senkrecht verwendet. Im Folgenden handelt es sich um Streifbandsendungen, auch wenn der Absender sie Kreuzbandsendungen nennt.



2. Kreuzbandsendung der Frankfurter Zeitung mit Bandstempel
Am Beispiel eines Belegs aus Frankfurt vom 16.11.1923 soll das Verfahren erläutert werden.



Streifbandsendung aus Frankfurt nach Winterthur in der Schweiz. Frankiert mit 4 * MiNr 326A P. Die Marken sind gelocht Fr. Soc. Dr.. Sie sind gestempelt mit dem Bandstempel
Frankfurt
16.11.23 4-5 N
(Main)1

Porto für eine Auslandsdrucksache bis 80 g beträgt 8 Mrd. Mark. Der Beleg ist somit portogerecht frankiert. Zusätzlich ist er geprüft INFLA.



Auf der Rückseite sieht man, dass ein Teil des Streifbands auf einer der Marken zum Kleben kommt und dass die Marken mit einem Bandstempel vor dem Zusammenkleben entwertet wurden. Damit erfüllt dieser Beleg die Kriterien einer Vorausentwertung.

Zuerst wurden die Streifbänder adressiert. Dann wurden sie frankiert, entwertet und zum Schluss um die Zeitung gefaltet und verklebt.

3. Kreuzbandsendung der Frankfurter Zeitung mit Handstempel

Auf diesem Beleg vom 10.5.1924 sind die Briefmarken mit einem Handstempel entwertet worden und kleben schön mittig auf dem Streifband. Wie kann man hier von einer Vorausentwertung sprechen? Wenn man das Streifband öffnet, sieht man einen Abklatsch des Stempels auf der Innenseite des Streifbands.

Dies ist nur möglich, indem zuerst das Streifband adressiert, frankiert, entwertet und dann zusammengefaltet wurde.




Dieser Beleg wurde mit 10 Pf. frankiert, dies entsprach dem Porto einer Auslandsdrucksache bis 100 g.

Man sieht hier gut auf der linken Seite den Abklatsch eines Stempels. Es kann sich nicht um einen Durschlag handeln, da auf der rechten Seite die schwarze Farbe nur neben der Marke durchschlägt nicht durch die Marke.

Eine bessere Abbildung der Innenseite ist nicht möglich, da man dafür das Streifband aufschneiden müsste.

4. Wozu diente dieses Verfahren?

Es ist sicherlich für die Handhabung grosser Mengen Postsendungen einfacher, einige hundert Streifbänder zu frankieren und direkt zu entwerten. Das geht besonders mit einer Stempelmaschine leichter, als hunderte von gefalteten Zeitungen in die Hand zu nehmen und einzeln zu entwerten.

5. Belege aus der Inflationszeit

Belege die Vorausentwertungen zeigen, sind bisher nur von Kreuzbandsendungen der Frankfurter Zeitung bekannt, die ins Ausland gingen nämlich in die Schweiz, nach Luxemburg und nach England.

Brugmann gibt als frühesten ihm bekannten Beleg den 17.2.1923 und als spätesten Beleg den 25.11.1923 an.

Mir liegen folgende Belege vor, die bis auf den letzten Beleg alle als Drucksachen bis 50 g portogerecht frankiert wurden. Der letzte Beleg wog zwischen 50 und 100 g.



PP Destination Porto Datum Stempel Lochung
12 St. Gallen, Schweiz 30 Mark 7.2.1923 Handstempel nein
13 Luxembourg 60 Mark 2.5.1923 Bandstempel nein
21 Interlaken, Schweiz 6 Mio Mark 30.10.1923 Bandstempel Nein
23 Interlaken, Schweiz 800 Mio Mark 5.11.2923 Bandstempel Fr. Soc. Dr.(teilweise)
24 Winterthur, Schweiz 8 Mrk Mark 16.11.1923 Bandstempel Fr. Soc. Dr.
27b Interlaken, Schweiz 5 Pf. 2.12.1923 Bandstempel Fr. Soc. Dr.
27b Hampstead, England 10 Pf. 10.5.1924 Handstempel nein



Streifbandsendung vom 30.10.1923 von Frankfurt nach Interlaken, Schweiz. Portogerecht als Drucksache bis 50 g mit 6 Mio Mark frankiert.
 
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