Thema: Altdeutschland Bayern: Fehlerhafte Atteste und Befunde
filunski Am: 05.04.2023 14:32:30 Gelesen: 1671# 25@  
Wie blöde muss oder darf ein Fälscher eigentlich sein?

Hallo zusammen,

nachdem jetzt über drei Jahre hier in diesem Thema nichts mehr geschrieben wurde, könnte man fast den falschen Eindruck gewinnen, Falschstempel lägen nicht mehr im Fokus. Dem ist leider nicht so, die Fälschermafia ist nach wie vor auch aktuell aktiv, aber auch nicht unbedingt schlauer geworden.

Angespornt zu dem heutigen Beitrag wurde ich durch zwei aktuelle Beiträge in zwei anderen, seriösen, Foren, deren Inhalt ich als sehr nötig erachte auch hier im Forum vorzustellen. Es handelt sich um eine aktuelle Stempelfälschung zum Sammelgebiet Altdeutschland, Bayern. Man sollte meinen die alten bayerischen Stempel sind längst ausgiebig erforscht und beschrieben (was ja wohl auch der Fall ist), so dass etwas wie der folgende Fall eigentlich nicht passieren dürfte. Aber da irrt man wohl!

So, jetzt aber mal von Anfang an.

Im Jahre 1866 wurde in München versuchsweise ein sog. Nummern-Chargé-Stempel eingeführt, der bereits ein Jahr später wieder aus dem Verkehr genommen wurde. Ein also recht um nicht zu sagen sehr seltener Stempel, wenig zu finden und entsprechend hoch bewertet. Wegen seines Aussehens aber unverkennbar und bei den Philatelisten die sich damit befassen auch gut bekannt. Alleine schon seine Form macht ihn einzigartig, es handelt sich um einen rautenförmigen Stempel (Bezeichnung "Rautenroststempel mit waagerechtem Rost") mit der damaligen München auch bei den Mühlradstempeln zugeteilten Nummer 325.

Im Original sah er so aus und ist auch in unserer Stempeldatenbank zu finden [1]



Dieser, so kein zweites Mal zu findende Stempel, wurde auch schon früh von Stempelforschern dokumentiert und findet sich einmal in dem altbekannten Handbuch der bayerischen Poststempel von Karl Winkler, meist nur als "Winkler" bezeichnet [2]. Dort wurde er wie folgt abgebildet:



Schon einige Jahre vorher befasste sich Ewald Müller-Mark mit diesem Stempel in dem Standardwerk Altdeutschland unter der Lupe [3]. Von Müller-Mark gab es auch Vordruckalben und im Abschnitt Bayern war u.a. auch dieser Versuchsstempel detailliert abgebildet. Dort sah er so aus;



Der aufmerksame Mitleser kann schon jetzt Unterschiede in Details der beiden Abbildungen erkennen. Man beachte nur mal den Punkt hinter der 325. Autoren von Stempelliteratur ist dies nicht neu und bis heute wird bei seriös verlegter Stempelliteratur immer mal wieder der eine oder andere, oft unscheinbare Fehler in den Stempelabblidungen eingebaut, der nur dem Autor bekannt ist und davor schützen soll, dass einfach Katalogabbildungen von Fälschern 1 : 1 als Vorlage für Falschstempel dienen. Nicht wenige, manchmal auch gut gemachte Falschstempel wurden dadurch schon überführt.

Bleiben wir mal kurz noch bei dem Werk von Müller-Mark. Vor nicht allzu langer Zeit, im Jahre 2022, wurden bei einer Auktion die original Druckstöcke für diese Müller-Mark Alben angeboten und fanden einen Käufer. Wohlgemerkt, die Druckstöcke für die Stempelabbildung im Katalog, nicht der Originalstempel!

Später im Jahr 2022 und auch im noch jungen Jahr 2023 tauchten nach und nach vermehrt Marken und angebliche Briefstücke mit diesem Stempel auf den frühen bayerischen Markenausgaben auf. Angeboten und dann auch für Beträge im zwei-, dreihundert Euro Bereich verkauft über immer denselben Händler bei Ebay. Bislang scheint es sich um insgesamt fünf solcher Fälle zu handeln.

Die Stempel sahen u.a. so aus (Abb. aus Ebay):



Sieht man sich diese Stempel genau an, erkennt man haargenaue Kopien der Müller-Mark Abbildung, alle drei sind genau gleich und alle drei ebenso gleich falsch. Der im wahrsten Sinne des Wortes "springende Punkt" dabei ist das markanteste Unterscheidungsmerkmal zum echten Stempel, wie ganz oben zu Beginn gezeigt, der Punkt hinter 325. Beim echten Stempel steht er zwischen zweier der Linien des Rostes. Bei den Falschstempeln steht er haargenau auf einer dieser Linien. Es gibt noch weitere Unterscheidungsmerkmale, aber alleine dieses genügt um den Falschstempel eindeutig als solchen zu entlarven. Diese Stempel wurden also mit Hilfe des Druckstockes zu dem Müller-Mark Album angefertigt. So weit so gut und nach Lektüre dieser Zeilen hier, kann dies (fast) jeder Philatelist mit Lupe und/oder moderneren Verfahren (Scanner) nachvollziehen und erkennen.

Besonders fatal an den über Ebay "vertickten" Fälschungen ist aber, dass allen ein aktueller BPP-Befund beilag, der die Echtheit von Marke und Stempel attestierte. Hier ein Ausschnitt aus einem der Befunde:



Bislang liegen keine Zweifel vor, dass es sich nicht um Original BPP-Befunde handelt. Wieso der Prüfer, ein durchaus als versiert und zuverlässig geltender Bayern-Prüfer, zu dieser Einschätzung kam, ist schleierhaft. Bleibt abzuwarten, was aus der Geschichte noch wird.

So weit erst mal die Bestandsaufnahme und bekannte Hintergründe dazu.

Viele Grüße,
Peter

[1] https://www.philastempel.de/stempel/zeigen/158475
[2] Dipl. Ing. Karl Winkler, Handbuch der bayerischen Poststempel, Verlag Karl Ulrich & Co. Nürnberg, 1951
[3] Ewald Müller-Mark, Altdeutschland unter der Lupe, Verlag Markenhaus Rudolf Rohr, Berlin, 1942

[Redaktionelle Ergänzung: Link auf die Falschstempel in der Atteste Datenbank:
https://www.briefmarken-atteste.de/atteste/suchen/ablage/296 ]

[Redaktionell kopiert aus dem Thema "Falschstempel erkennen"]
 
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