Thema: Bund: Die fünfziger Jahre - Erfahrungsaustausch zum Sammeln in dieser Zeit
Bendix Gruenlich Am: 21.05.2023 16:21:52 Gelesen: 2315# 17@  
@ chuck193 [#8]

Du hast also Germania-Marken zum Start von Deinem Onkel bekommen, das ist - finde ich - ein würdiger Sammelstart. Interessant, dass diese Serie so prägend ist, schließlich liegen auch weitere 25 Jahre mit Dauerserienemissionen zwischen Germania und dem Kriegsende 1945.

Ich möchte meine Beobachtungen aus der Pressedurchsicht noch ergänzen, schließlich hatte ich noch in den DBZ-Band aus dem ersten Halbjahr 1954 hineingespäht.

Hier mal ein paar Dinge, die mir aufgefallen sind (zum Schmunzeln, Staunen, zur Unterhaltung)

• Ein Jugendlicher berichtete über seine Versuche Gleichaltrige zu strukturiertem Sammeln anzuhalten um Sie zu guten „Sammlerkameraden“ zu machen.

• Ein Hinweis, dass es bei der österreichischen Post einen postamtlichen zweifarbigen Aufkleber geben würde, der besagt: „Achtung, sauber stempeln“ – ganz richtig hat der Autor festgestellt, dass solche Poststücke jetzt als „Sammlerbriefe“ erkannt werden können (…mein Kommentar: einen Tod muss man halt sterben). Auch wird empfohlen doch bitte Sondermarken für die Frankatur zu verwenden, dies würde das Sammeln spürbar fördern. Er zeigt sich enttäuscht, dass dann selbst bei Intra-Sammler-Post profane Dauermarken in profaner Stückelung verwendet werden (kann ich gut nachvollziehen, ist skandalös – mir würde gar nicht in den Sinn kommen, etwas Durchschnittliches zu benutzen, der Alltag kann schließlich grau genug sein)

• Das Hobby ist schon ziemlich kauzig – eine Serie geht mehrseitig (!) um „Das Preußen Oktogon mit Überdruck und die Fouré’schen Erzeugnisse preußischer Briefumschläge“. Aha!

• Das freut Kolonialsammler: Deutsch-Südwestafrika-Marken werden in einem Artikel minutiös als Fälschungen entlarft (sehr kundig – das übliche Spiel: sensationell seltene Mark-Nominalen weisen seltene Stempel auf). Vorsicht vor „Guchab“-Stempeln, der wurde seinerzeit geklaut. Übrigens bei der Gelegenheit Deutsch-Südwest hatte 1913 ca. 12.500 deutschstämmige Einwohner – wie wahrscheinlich sind da Mark-Werte von exotischen Kleinpostämtern? Sammler wollen halt glauben.

• Sensationell: Die Sammlung des gestürzten ägyptische Königs wird verkauft.

• Amüsant: die sich über zwei Seiten ersteckenden Kurznachrichten des Dr. F.W. Gerhard Schmidt – interessant: er stellt fest, dass die DDR zur Devisenbeschaffung gefälligkeitsgestempelte 5-Jahres-Pläne in Kilowaren schmuggelt

• Stark: ein Photo des Sammlerschalters in Zürich. Man beachte die Rundungen und Dimension der Arbeitsplatte – phantastisches 50er Design!



Nun zum Schluss des heutigen Beitrags noch zu einer der wenigen politischen Ausgaben der fünfziger Jahre (man soll eben immer nach vorne schauen). Ich denke da an die Kriegsgefangenenausgabe aus dem Jahr 1953. Interessant in diesem Aspekt ist, dass die Mehrzahl der Gefangenen (99%) zu diesem Zeitpunkt bereits seit langem (1950) entlassen war. Allerdings befand sich noch einige prominente Gefangene (ca. 14.000 Militärs und 20.000 zivile Internierte) in der Hand der Sowjets, die in den kommunistisch üblichen Schauprozessen zu drakonischen Haftstrafen verurteilt waren. Auch war das Schicksal vieler Soldaten unklar (Verlustraten in sowjetischer Gefangenschaft über 30% - dazu noch eine zweifellos hohe Zahl von Vermissten, die vermutlich teilweise in Lagerhaft befindlich vermutet wurden).

Die Ausgabe besticht durch die Ausführung (Prägedruck), vergleichsweise für das Jahrzehnt unkonventionelles Design und die ungewöhnlich hohe Auflage von 101.200.000 Stück - sonstige Sonderausgaben ohne Zuschlag wiesen nur Auflagen von ca. 5.000.000 Stück aus. Meiner Meinung nach ein Hinweis auf eine hohe politische Bedeutung zu dieser Zeit, ja fast kampagnenartige Adressierung des Themas. Das finde ich sehr ungewöhnlich, was sicher eine tiefere historische Recherche wert wäre.


 
Quelle: www.philaseiten.de
https://www.philaseiten.de/thema/16170
https://www.philaseiten.de/beitrag/319142