Thema: Bund: Die fünfziger Jahre - Erfahrungsaustausch zum Sammeln in dieser Zeit
Bendix Gruenlich Am: 12.06.2023 19:37:20 Gelesen: 2094# 20@  
@ Cantus [#9]

Wieder mal der Beweis, dass man es mit ein bisschen Unterstützung einfacher im Leben hat. Und dass, was Du bekommen hast, wäre volkskundlich und statistisch ein echter Schatz. Statistisch deswegen, weil aus einer solchen Stichprobe hochinteressante mathematische Verteilungen errechnet werden könnten (Verwendung von Sondermarken, Marken mit Zuschlag und Dauermarken von Personen – spezifisch für diesen Zeitraum). Dafür müsste man den Posteingang eines Monats oder einer Woche haben. Ich habe so etwas tatsächlich irgendwo noch rumliegen (allerdings aus den späten 1990-ern – aus einem Betrieb mit Publikumsverkehr).

So, ich möchte noch auf die Ausgangsfragen zurückkommen.

Unter Berücksichtigung der Beiträge und auch die Durchsicht der Ausgaben der DBZ von insgesamt 12 Monaten (aus 1953 / 1954) komme ich zu folgenden Schluss:

Keine Hinweise auf künstliche Verknappung, keine Hinweise auf Präferenz gegenüber gewerblichen Händlern (wie das z.B. heutzutage bei deutschen EUR-Sondermünzen der Fall ist). Vereinsmitgliedschaft ohne Begünstigung bei der Zuteilung.

Ich habe danach eine Preisuntersuchung über einen Zeitraum vorgenommen (Katalogpreise / Preise in Anzeigen). Gerne teile ich diese interessante Tabelle mit Euch. Die Spalte 1953 zeigt Verkaufspreise gem. Annoncen der DBZ im Jahr 1953.



Diese Auswertung zeigt keine Symptome einer Verknappung von Marken zum Ausgabezeitpunkt, die „heißen“ Ausgaben waren nämlich bis 1954 für kleines Geld zu haben (bitte dabei aber auch berücksichtigen, dass sich das vor Inflation versteht). Verhältnis nominelles Bruttoeinkommen 1950 zu 2021 Faktor 23). Nach 1954 allerdings nicht mehr, da gingen plötzlich die Preise nach oben.

Daher ist meiner Meinung nach der Preisanstieg ausgelöst durch den Anstieg der Sammlerschaft, verstärkt durch vereinzelte Markthysterien als Folge einer von den Marktbeteiligten nicht vorhergesehen Verknappung in Folge von Hortungen (wenn das mal für die Hortenden gut gegangen ist).

In einer perfekten Wirtschaftswelt müsste jetzt der Preis in den Jahren mit rückläufiger Sammlerschaft genauso überproportional zurückgehen, wie er seinerseits angestiegen ist. Wahrscheinlich ist das inflationsbereinigt auch bereits geschehen.

Testen wir die These doch einmal (ganz stark vereinfacht): Bund postfrisch bis Euroeinführung ohne Posthorn aktuell EUR 250,00 durch Faktor 23 = DEM 22,00 Wert 1950. Postpreis alleine der Werte bis 1954 DEM 27,00.

Dann wenden wir doch mal Gold als Maßstab an: Preis für die besagte Sammlung entspräche heute ca. 4,3 Gramm Gold, der Postpreis der Marken 1949-1954 alleine 1954 hätte seinerzeit ca. 5,6 Gramm Gold entsprochen.

Erschütternd!

Ach ja, Zahlenspiele halt. Schlau war es halt nicht, in Briefmarken zu investieren (aber vermutlich schön).

Ich freue mich über die Motive und bleibe da neugierig, habe noch Lücken bei Gestempelten, da lasse ich mir alle Zeit der Welt.

Gelegentlich sieht man auf ard-alpha ernstzunehmende, auch mal den Alltag zeigende Dokumentationen. Wer‘s eher heiter braucht, gönnt sich eine Komödie aus den frühen 50-ern (Westdeutschland oder Österreich), die sind zwar furchtbar konventionell, aber die Frauen sind meist unglaublich aufwendig angezogen und frisiert (ist natürlich reine Traumfabrik, aber damals wurde auch noch wesentlich mehr handwerklich geschneidert).

So, dann schließe ich meine Betrachtungen jetzt ab.

Ich will aber die Gelegenheit noch nutzen einmal auf zwei Marken der Periode hinzuweisen, die mir auffielen



• Links: Michel-Nr. 172. Die Marke fiel mir deshalb auf: nach dem Krieg musste man nach vorn schauen. Die Wiederaufbaufrage muss damals ein Riesenthema gewesen sein. Das Sujet kommt für meinen Geschmack in den Medien viel zu kurz. Wir wissen alle dank des ZDF wie Hitlers Hunde heißen und wann er sie gestreichelt hat (hoffentlich lesen die nicht Mausbachs Hinweis, dass das Verhältnis von Hitler zu Persienmarken 10:1 auf dem Schulhof war, nicht, dass die da eine "Doku" draus machen), wer Deutschland aber wieder aufgebaut hat und zwar in einem Wahnsinnstempo (nein, nicht alleine die Trümmerfrauen, die haben den Schutt weggeräumt), das erfährt einfach zu wenig Aufmerksamkeit. Ich denke da an Architekten, Arbeiter, woher kamen die Pläne, woher die Produktionskapazitäten und Energiemengen (ja, deswegen waren die Bergleute später Helfer der Menschheit), woher die Mittel? Sie ist in prallem rot gezeichnet, das Gebäude erscheint mir für die Zeit ultramodern (wenn auch der Eingang an die dreißiger erinnert) und gewaltig. Wirklich beeindruckend. Stahlgerüstbauweise, Platz für 4.000 Mitarbeiter, gilt als herausragendes Beispiel für industrielle Nachkriegsarchitektur. Es war das größte Bauprojekt in Frankfurt in den 50ern (1951-1956). Denkmalgeschützt, trotzdem 2005 abgerissen, da funktional überholt und veraltet.

• Rechts: von 1959, Mi-Nr. 307 ja der Kaufmannsstand. Einer der größten Spekulanten aller Zeiten – Jakob Fugger. Der hat seinerzeit alle Karten auf das Haus Habsburg gesetzt und letztlich mit Staatsanleihen spekuliert und sich, wenn ich das richtig erinnere, mit harter Aktiva nämlich Tiroler Silberminen und ungarischen Kupferminen bezahlen lassen. Da wird bestochen, Krieg geführt, Handel betrieben. Sitz In Augsburg. Bekannt ist er für die Fuggerei in Augsburg (wohl gebaut, um sich vorm Fegefeuer zu retten, die Mieter müssen für ihn beten, glaube ich – ob’s gereicht hat?), das Fugger-Schloss (die Kassettendecke ist auf der Freimarkenserie Sehenswürdigkeiten zu sehen), die Fuggerbank (heute eine Regionalbank) müsste noch der Familie gehören (neben reichlich Wald). Ich wundere mich eigentlich, dass er es auf eine Briefmarke geschafft hat – für heutige Moralvorstellung sehr kontrovers geführtes Geschäft. Sicher ein gefundenes Fressen für die damals bestehende DDR (die garantiert keinen Kaufmann auf Ihre Marken gelassen hat).
 
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