Thema: Vorausentwertungen Deutschland
Araneus Am: 28.06.2023 20:30:38 Gelesen: 21967# 212@  
Ist das ein philatelistischer Beleg?



Vorderseite



Rückseite

Dieser Umschlag tauchte neulich beim Tauschtag unseres Vereins auf. Auf den ersten Blick wirkt er wie eine Massendrucksache mit Absenderstempelung aus den 1980-er Jahren. Betrachtet man allerdings den Freimachungsbereich genauer, ergeben sich Ungereimtheiten, die Zweifel aufkommen lassen, ob es sich überhaupt um einen philatelistischen Beleg handelt oder ob hier für Werbezwecke ein philatelistisches Aussehen produziert wurde, um mehr Aufmerksamkeit zu erzeugen.



1. Die Postwertzeichen

Wie bei einer Privatganzsache sind hier zwei Postwertzeichen der Wertstufe 40 Pfennig (Motiv Schloss Wolfsburg) der Serie „Burgen und Schlösser“ (Mi.-Nr. Bund 1037) eingedruckt. Allerdings ist die Druckfarbe hier nicht braun – wie bei den Originalmarken, sondern rot. Auffällig ist, dass hier sogar Zähnungsfehler mitgedruckt wurden.

Für einen Umschlag im Standardformat (190 mm x 110 mm) ist eine Gebühr von 80 Pfennig unwahrscheinlich, sie entspräche einer Massendrucksache mit dem Gewicht von 51 bis 100 Gramm.

2. Der Tagesstempel

Der Tagesstempel ist gedruckt und nicht gestempelt, Buchstaben- und Zahlentypen unterscheiden sich von den einschlägigen Stempelmaschinen. Unter der Ortsangabe „MÜNCHEN“ steht eine „2“ und nicht die damals vorgeschriebene dreistellige Gerätenummer. Die „2“ hätte postalisch gesehen hinter das Wort „MÜNCHEN“ gehört. Auffällig ist auch die Datumsangabe „-0.0.84“.

3. Das Werbeklischee

Das Werbeklischee ist sehr bekannt und wurde von der Firma Schober Direktmaketing in Ditzingen in mehreren Absenderstempelmaschinen für viele Kunden eingesetzt. Die Postfachangabe „Postfach 5140“ war die Absenderangabe der Firma Schober. Auf Philastempel.de sind mehrere Beispiele für diesen Absenderstempel dokumentiert. Auch wenn dieses Klischee anscheinend gelegentlich andernorts verwendet wurde (vgl. [1]), erscheint mir die Verwendung in München unwahrscheinlich, zumal die Maschine, wie oben gesagt, nicht identifizierbar ist.

Das Werbeklischee ist – wie der Tagesstempel – gedruckt und nicht gestempelt.

Meine Vermutung ist, dass es sich bei diesem Beleg nicht um eine postalisch gelaufene Massendrucksache handelt, sondern um das Produkt eines Werbedesigners. Vielleicht wurde der Brief damals als Beilage zu Zeitschriften, Katalogen oder ähnlichem verschickt. Dabei stellt sich die Frage, ob es zu Zeiten der Deutschen Bundespost gesetzliche Einschränkungen bei der Verwendung von Postwertzeichen und/oder Poststempeln für derartige Werbungen gab.

Kann jemand etwas zu diesem Brief und speziell zu den philatelistischen Aspekten sagen? Ich kann mir vorstellen, dass ein derartiger Beleg zumindest bei den Sammlern von bundesdeutschen Vorausentwertungen bereits thematisiert worden ist.

Schöne Grüße
Franz-Josef

[1] https://www.philastempel.de/stempel/zeigen/474982
 
Quelle: www.philaseiten.de
https://www.philaseiten.de/thema/1001
https://www.philaseiten.de/beitrag/321198