Thema: Auswanderung aus den deutschen Staaten in die USA im 19. Jahrhundert
Fips002 Am: 08.07.2023 21:54:15 Gelesen: 1485# 9@  
Unter Seepost und Seepoststempel #802 [1] habe ich den Faltbrief eines Auswanderer beschrieben. Heute den Brieftext wie von ihm geschrieben



Theuerster Freund! ----------- den 26ten Dez. 1840

In einem Amerikaner Urwald stehenden Blockhaus, am Kamin sitzend, bin ich eben in Begriff an Dich lieber Freund zu schreiben. Hoffentlich hast Du meinen Brief von Louisville aus, vom 10ten Nov. erhalten. (Diesen Brief stelle ich später vor).

Ich setzte meine Reise von da m 13 ten Nov fort, u. fuhr auf einen Dampfboot den schönen Fluß Ohio hinunter, u. kam den 15ten an den großen u. mächtigen Missisippi, welcher zwar größtenteils flache, aber schöne waldige Ufer hat, u. belebt von Millionen wilder Gänse, Enten u. allerhand Geflügel, 2000 Dampfschiffe sind stets auf denselben in Bewegung. 1000 Meilen weit fuhr ich auf diesen schönen Fluße hinunter bis zu das neu angelegte Städtchen Napoleon, woselbst sich der ebenfalls große Fluß Arkansas in den Missisippi ergießt. Bald setzte ich meine Reise zu Lande und Waßer wieder fort u. kam auf eine 300 Meilen lange Tour nach Little Rock der Hauptstadt des Staates Arkansas. Hier lernte ich mehrere nette Deutsche kennen, hielt mich da einige Tage auf, kaufte mir dan ein von den Indianern wild gefangenes Pferd, u. setzte auf denselben meine Reise in den Urwäldern fort. Bald kam ich in eine herrliche Berggegend wo ich mich gegenwärtig noch befinde und täglich mit der Büchse und Pferde herum streiche. Diese Gegend ist ungemein reich an Wildpret aller Art, Hirsche, wilde Truthähne, Fasanen, Birk- und Rebhühner gibt es in Menge, sowie auch Bären u. Wölfe, welche letzteren mir immer Nachts Ständchen bringen, deren Gesang hat mir aber bis jetzt noch nicht gefallen können.

das Klima in diesem Staate ist äußerst angenehm, es ist jetzt hier grade so wie in Deutschland im Mai. Die Viehzucht ist hier das ganze Jahr sehr vorteilhaft. Pferde, Rindvieh u. Schweine werden hier das ganze Jahr nicht gefüttert, sondern werden, wenn man sie nicht braucht, in den Wald geschickt, wo sie ihr Futter reichlich finden. Den ganzen Winter durch gibt es schönes grünes Gras, Rohr und Laub genug. Tabak, Mais, Baumwolle u. süße Kartoffeln gedeihen in diesen Staate vorzüglich u. geben reichliche Ausbeute.

Der Staat Arkansas iost noch neu und wenig bevölkert, darum ist hier alles noch sehr theuer, aber auch am meisten Geld zu machen. Die Deutschen, welche seit ein paar Jahre hier sind, sind meistens wohlhabend u. reich geworden. Ich rathe Dir sehr hierher zu komen. Du kannst als Uhrmacher, oder Kaufmann hier Dein Glück machen. Auch ist die Farmerei hier nicht übel, als Farmer hast du das schönste unabhängige Leben von der Welt. 80 Acker Land, welche hinreichend sind Die einen Einstand zu sichern, bekomst Du für 100 Dollar. Abgaben sind fast garnicht u. das Leben ist hier angenehm ungeniert.

Vor einigen Tagen z.B. war ich in Little Rock, u. ging mit einen Sack auf den Buckel, worin ich Mais für mein Pferd hatte, durch die Straßen, traf so einige Deutsche, u. wurde von diesen mit samt den Sack an vornehmensten Leuten der Stadt, welche uns gerade begegneten vorgestellt. Niemand scheut sich hier der geringsten Arbeit, u. es fällt in ganz Amerika nicht auf wenn der geringste Man einen vorübergehenden Vornehmen auffordert einen Sack tragen zu helfen.

In eine Sitzung die ich im Staatenhause beiwohnte saßen die Vertreter des Volkes auf Stühlen, die Beine auf dem Tisch gelegt, u. unter diesen ihre Hunde. In einer kleinen Stadt wurde ich Amerikaner Staatsbürger. Flinte, Jagdtasche u. Hirschfänger umhängend, Schleife in der einen, die Bibel in der anderen Hand, schwur ich zum Lande und kostete 2 1/2 Dollar. Ich bin fest überzeugt, daß es Dir u. deiner lieben Frau gewiß hier gefallen wird, u. wen Du Lust hast Farmer zu werden, so weiß ich sehr schönes Land für Dich, 80 Acker, welches erst in 2 Jahren mit 1 1/4 Dollar pr. Acker bezahlt zu werden brauchen, u. grenzen an eine Farm welche ich zu kaufen gedenke. So wie Du mir schreibst, daß Du komen wilst, wir wären dan Nachbarn, u. könten ein schönes Leben hier genießen. Dieses Land liegt in einer romantischen schönen u. gesunden Gegend, eingschloßen von herrlichen bergen hat guten Boden, hinreichend gutes Waßer u. ausgezeichnetes Futter für vieh, liegt nah am Fluß Arkansas u. nur 3 Stunden von Little Rock und an der frequentesten Straße des ganzen Landes. Eaa ist gewiß, daß dieser Staat einer blühensten der Union wird u. noch ein paar Jahr, u. das Land hat hier einen hohen Werth.In den alten bevölkerten Staaten ist das Land schon theuer u. kostet der Acker 200 Dollar, auch noch mehr. Du kanst zu Wasser bis hierher komen, u. kostet von Hamburg oder Bremen bis New Orleans mit Kost a. Person 8 Luisdor, u. von New Orleans auf dem Dampfschiff bis Little Rock ohne Kost 6 Dollar, Solltest Du aber nicht Lust zur Farmerei haben, u. wünscht in einer großen Stadt zu leben so ko, nach Philadelphia. oder New York, wo ich dan auch hin zu was Du Lust hast. kome u. Arbeit genug finde. Ich entschließe mich daher zu nichts festen bis ich einen Brief von Dir erhalte u. bitte Dich darum dringend mir gleich zu schreiben

Wen Du Komst, so bringe Fichten Samen mit, den die giebt es hier gar nicht u. von Büchern bringe eine Anweisung zur Fabrikation des Glases, den es gibt hier schönen Quarz in Menge, dan 2ten... für Eisen, Eisenstein liegt hier in Maße. 3ten Brandweinbrauerei. 4ten Bierbrauerei, für diesen Staat gibt es noch keine.
Nun lieber freund, wünsche ich herzlich daß Du mit Deiner lieben Frau u. allen den Lieben, die Angehörigen das neue Jahr recht gesund und heiter antreten mögest, verbleibt Dein Freund Alexander Rüger.

Dieter

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