Thema: (?) (160) Postzustellungsaufträge und Postzustellungsurkunden Belege
johanneshoffner Am: 09.08.2023 17:39:30 Gelesen: 11123# 158@  
Briefe mit Postzustellungsurkunden, die 1903 mit Zähldienstmarken aus Preussen frankiert wurden.

In den letzten Berichten der ARGE Germania wurden die niedrigen Zähldienstmarken (ZDM) ausgiebig vorgestellt. Belege mit höheren ZDM sind nicht sehr häufig. Auf der Suche nach ihnen stösst der Sammler auf die Briefe mit Postzustellungsurkunden, die nicht so beliebt sind. Warum das so ist, weiss ich nicht, interessant sind sie allemal.

Was ist ein Brief mit Zustellungsurkunde?

Wenn ein Absender sicher sein wollte, dass eine Postsendung einen bestimmten Adressaten erreicht, konnte er eine Zustellungsurkunde verlangen. Damit war beurkundet, dass ein Brief mit Inhalt angenommen wurde. (1 S. 25). Es gab zwei Arten der Zustellung:

- die gewöhnliche, bei der dem Brief zwei Urkunden beigelegt wurden, wovon eine (in weiss) beim Empfänger blieb und die zweite (in blau) zum Absender zurückging
- und die vereinfachte, bei der nur eine blaue Urkunde erstellt wurde, die an den Absender zurückging.

Weitere Sonderdienste wie Eilboten, Einschreiben …. waren nicht zulässig.
Der überwiegende Teil der Briefe mit Postzustellungsurkunde wurde von Behörden oder Notaren aufgegeben, Firmen oder Privatpersonen als Absender waren möglich sind aber sehr selten.

Wie lief die Zustellung ab?

Der Postbeamte lieferte den Brief ab und notierte vor dem Empfänger den Ort und das Datum der Zustellung. Diese Zustellungsurkunde ging dann an den Absender zurück.

Gebühren

Die Gebühr setzte sich zusammen aus dem Briefporto, der eigentlichen Zustellung und Beurkundung und schliesslich der Rücksendung.

Es gab zwei Gebührenmodelle:

A. Der Absender konnte alles im Voraus bezahlen, (Abbildung 1 - 8)
B. Er konnte auch nur den Brief bezahlen und die Urkunde kam unfrankiert an den Absender zurück. Da er ja Interesse an der Urkunde hatte, musste er den fehlenden Betrag bezahlen. Wenn der Absender eine Behörde war, wurde nur die einfache Gebühr belastet.

Die Postzustellungsurkunden finden sich oft in Krabbelkisten manchmal taxiert (Fall B) und manchmal ohne Porto und ohne Taxierung (Fall A).

Auffallend ist, dass man nur vier verschiedene Portostufen findet. In der Postordnung von 1900 (1) wurde das Vorgehen genau beschrieben. Das Porto setzte sich zusammen aus der Briefbeförderung, der Zustellung der Urkunde und deren Rücksendung. Im Ortsverkehr war die Rücksendung der Urkunde im Preis inbegriffen, im Nachbarortsverkehr gibt es für die Rücksendung der Urkunde ein Sonderporto von 5 Pf. Ansonsten galten die normalen Briefporti.

25 Pf Brief mit Zustellurkunde im Ortsverkehr 5 Pf Ortsbrief
20 Pf Zustellgebühr
0 Pf Rücksendung der Urkunde Abbildung 5

30 Pf Brief mit Zustellungsurkunde im Nachbarortsverkehr 5 Pf Ortsbrief
20 Pf Zustellgebühr
5 Pf Rücksendung der Urkunde Abbildung 7
Abbildung 6

40 Pf Brief bis 20 g mit Zustellungsurkunde im Fernverkehr 10 Pf Fernbrief bis 20 gr
20 Pf Zustellgebühr
10 Pf Rücksendung der Urkunde Abbildung 1
Abbildung 2
Abbildung 3

50 Pf Brief über 20 g mit Zustellungsurkunde im Fernverkehr 20 Pf Fernbrief über 20 gr
20 Pf Zustellgebühr
10 Pf Rücksendung der Urkunde Abbildung 4


Die Briefe tragen die Bemerkung „Anbei ein Formular zur Postzustellungsurkunde“, damit ist das Porto klar.

Am häufigsten findet man Briefe mit 40 Pf und 25 Pf Porto, die anderen beiden Portostufen sind recht selten.

Was passiert mit nicht zustellbaren Sendungen?

War ein Brief mit Zustellungsurkunde nicht zustellbar, wurde er an den Absender zurückgeschickt.

Wenn der Absender die volle Gebühr bezahlt hat, wurden ihm die Zustellgebühr und das Porto für die Rücksendung gutgeschrieben. Der Vermerk über die Gutschrift erfolgte auf dem Briefumschlag. Dabei kamen Stempel, Klebezettel und handschriftliche Vermerke vor.

In Abbildung 2 sieht man einen Brief mit Zustellungsurkunde aus Weimar nach Rothenbach, der mit 40 Pf vollständig frankiert war. Da der Brief nicht zustellbar war, ging er an den Absender zurück. Beim Aufgabepostamt wurden 30 Pf Porto und Zustellungsgebühr erstattet.

Bei Briefen mit ZDM war die Erstattung besonders wichtig, denn die Pauschsumme für die nächsten Jahre wurde ja 1903 ermittelt. Solche Briefe mit ZDM aus dem Zählzeitraum wurden mit der vollen Gebühr berechnet und frankiert. Die Erstattung wurde dann ebenfalls auf dem Brief vermerkt.

Es sind drei Erstattungsbeträge denkbar:

- Ortsbrief mit PZU 20 Pf
- Nachbarortsbrief mit PZU 25 Pf
- Fernbrief mit PZU 30 Pf

In Abbildung 5 sieht man einen Ortsbrief mit Zustellungsurkunde aus Duisburg vom 21.10.1903, der nicht zugestellt werden konnte. Auf einem Klebezettel wurde der Stempel No _____ Pf gutgeschrieben abgeschlagen. Von Hand wurde die Journalnummer 4010 , der Betrag 20 und das Kürzel des Postbeamten eingetragen
Der Brief mit PZU im Nachbarortsverkehr (Abbildung 7) ist nicht korrekt behandelt worden. Er wurde mit 30 Pf korrekt frankiert. Der Briefträger konnte den Brief nicht zustellen und vermerkte auf der Rückseite „Adressat ist in angegebener Wohnung unbekannt“. Der Brief ging an den Absender zurück, im Postamt wurde der Stempel ….PF gutgeschrieben ….abgeschlagen und es wurden nur 20 Pf statt 25 Pf gutgeschrieben. Ein anderer Brief mit PZU aus Duisburg nach Ruhrort vom 2.11.1903 konnte nicht zugestellt werden und wurde zurückgesandt. Im Postamt Duisburg wurden 25 Pf korrekt gutgeschrieben.

Der nicht zustellbaren Fernbrief mit PZU von Duisburg (Abbildung 3) nach Bismarck vom 7.9.1903 ging nach Duisburg zurück und 30 Pf wurden korrekt erstattet. Als Unterlage für den Stempel wurde ein Bogenrand einer Germania Marke verwendet.

Ein nicht zustellbarer Brief mit PZU, der mehr als 20 g wog und für den ebenfalls 30 Pf erstattet wurden, ist mir nicht bekannt.

Weitergehende Fragen

In meiner Sammlung befindet sich ein Brief aus Baden. (Abbildung 8) Es handelt sich um einen Brief mit Postzustellungsurkunde und er ist mit 60 Pf frankiert. Das Porto kann ich nicht erklären, weiss jemand mehr? Ein Sammlerkollege hat mich darauf aufmerksam gemacht, dass die Postordnung ab 1902 die PZU etwas anders behandelt hat. Dieses Wissen ist in diesen Artikel noch nicht eingeflossen.

Gibt es Belege mit ZDM für die gewöhnliche Zustellung einer PZU?



Abbildung 1 Brief mit Zustellungsurkunde von Charlottenburg nach Gössnitz vom 30.12.1903. Mit 40 Pf tarifgerecht.



Abbildung 2 Brief mit Zustellungsurkunde vom 12.8.1907 aus Weimar nach Rothenbach. Der Brief ist mit 40 Pf portogerecht freigemacht. Da der Absender nicht auffindbar war, ging der Brief zurück und 30 Pf Porto und Zustellgebühr wurden erstattet.



Abbildung 3 Brief mit Postzustellungsurkunde aus Duisburg nach Bismarck vom 7.9.1903. mit 40 Pf tarifgerecht. Der Brief war unzustellbar und es wurden 30 Pf erstattet.



Abbildung 4 Brief über 20 g mit Postzustellungsurkunde von Klosterwald nach Kalkofen vom 5.12.1903 ist mit 50 Pf tarifgerecht.



Abbildung 5 Brief mit Postzustellungsurkunde aus Duisburg im Ortsbezirk mit 25 Pf tarifgerecht. Da der Brief nicht zugestellt werden konnte, wurden dem Absender 20 Pf gutgeschrieben.



Abbildung 6 Brief im Nachbarortsverkehr von Duisburg nach Ruhrort mit 30 Pf portogerecht freigemacht. Da nicht zustellbar, wurde der Brief zurückgeschickt und 25 Pf korrekt erstattet.



Abbildung 7 Brief im Nachbarortsverkehr aus Bochum nach Altenbochum vom 4.12.1903 ist mit 30 Pf tarifgerecht. Der Brief konnte in Altenbochum nicht zugstellt werden. 20 Pf wurden gutgeschrieben. Es hätten aber 25 sein müssen.



Abbildung 8 Brief mit Zustellungsurkunde aus Heidelberg nach Altenberg vom 8.9.1905. Der Brief ist mit 60 Pf frankiert.

Auszug aus der Postordnung von 1900

Sie findet sich im Internet auf der Seite von Reimer Hansen http://www.philhaha.de, dem ich hier nochmals zu seiner interessanten, vielfältigen und gut strukturieren Website danken möchte. Sie ist eine wahre Fundgrube!

§. 25. Briefe mit Zustellungsurkunde.

I Auf Verlangen des Absenders kann die Zustellung eines Briefes an den Empfänger postamtlich beurkundet und die aufgenommene Zustellungsurkunde dem Absender übersendet werden.

II Hinsichtlich der Art der Zustellung ist zu unterscheiden.

a) die gewöhnliche Zustellung;
b) die vereinfachte Zustellung.

Im Falle zu a wird dem Empfänger bei der Zustellung eine beglaubigte Abschrift der Zustellungsurkunde übergeben, im Falle zu b nur der Tag der Zustellung auf dem Briefe vor seiner Aushändigung vermerkt. Wegen der Bestellung der Briefe mit Zustellungsurkunde siehe §. 40.

III Briefe mit Zustellungsurkunde müssen verschlossen sein. Der Absender hat dem Briefe im Falle der gewöhnlichen Zustellung (IIa) zwei Formulare zur Zustellungsurkunde auf weißem Papier (Urschrift und Abschrift), im Falle der vereinfachten Zustellung (IIb) ein Formular auf blauem Papiere haltbar äußerlich beizufügen und dementsprechend den Brief auf der Aufschriftseite mit dem Vermerke

„Hierbei ein Formular zur Zustellungsurkunde nebst Abschrift“ oder
„Hierbei ein Formular zur Zustellungsurkunde“
zu versehen. Im letzteren Falle muß der Brief außerdem in der Aufschrift den Vermerk „Vereinfachte Zustellung“ tragen.

IV Der Absender muß den Kopf des Formulars zur Zustellungsurkunde und bei der gewöhnlichen Zustellung auch desjenigen zur Abschrift dem Vordruck entsprechend ausfüllen und das erstere mit der für die Rücksendung erforderlichen Aufschrift versehen.

V Soll die Zustellung an eine der in den §§. 181, 183 und im §. 184 Abs. I der Civilprozessordnung in der Fassung vom 20. Mai 1898 bezeichneten Personen, der an Stelle des eigentlichen Empfängers zugestellt werden könnte, unterbleiben, so hat der Absender auf der Aufschriftseite des Briefes und auf dem Formulare zur Zustellungsurkunde unmittelbar unter dem Namen etc. des Empfängers mittelst rother Tinte einen Vermerk in folgender Fassung hervortretend niederzuschreiben: „Eine Zustellung an ...... (z. B. an die Ehefrau, an den Vermiether N., an das Dienstmädchen N.) darf nicht stattfinden“.

VI Zu den Zustellungsurkunden kommen Formulare mit verschiedenem Vordrucke zur Anwendung, je nachdem es sich um Zustellungen an Gewerbetreibende, an Rechtsanwälte, Notare oder Gerichtsvollzieher, an Behörden oder Korporationen etc, an Unteroffiziere und Gemeine oder andere vorstehend nicht näher bezeichnete Personen handelt. Die Formulare können bei den Postanstalten zum Preise von 5 Pf. für je 10 Stück bezogen werden.

Den Gerichten, Gerichtsschreibereien und Gerichtsvollziehern werden die Formulare unentgeltlich geliefert.

VII Einschreibung, Werthangabe, Nachnahme, das Verlangen der Eilbestellung und der Vermerk „Postlagernd“ sind bei Briefen mit Zustellungsurkunde unzulässig.
VIII Für Briefe mit Zustellungsurkunde werden erhoben:

1) das gewöhnliche Briefporto;
2) eine Zustellungsgebühr von 20 Pf.;
3) das Porto von 10 Pf. für die Rücksendung der Zustellungsurkunde (wegen der Ausnahme im Orts- und Nachbarortsverkehre siehe §. 37 III).

Die Beträge zu 1 bis 3 müssen sämtlich entweder vom Absender oder vom Empfänger entrichtet werden. Will der Absender die Gebühren tragen, so zahlt er bei der Einlieferung des Briefes zunächst nur das Porto zu 1; die anderen Beträge werden erst auf Grund der vollzogen zurückkommenden Zustellungsurkunde von ihm eingezogen. Im Übrigen haftet der Absender für alle Beträge, die vom Empfänger nicht erhoben werden können. Kann die Zustellung nicht ausgeführt werden, so wird nur das Porto zu 1 erhoben.

§. 37. Gebühren für Postsendungen im Orts- und Nachbarortsverkehre.
[…]

III Werden Postsendungen (I) unter Einschreibung oder unter Nachnahme eingeliefert, so treten den obigen Gebühren die Einschreib- und die Vorzeigegebühr (§§. 13 und 19) hinzu. Bei Briefen mit Zustellungsurkunde tritt die Zustellungsgebühr (§. 25) hinzu; für die Rücksendung der Zustellungsurkunde wird im Ortsverkehr keine Gebühr, im Nachbarortsverkehr eine solche von 5 Pf. erhoben.

1. Hansen, Reimer. http://www.philhaha.de/. [Online] [Zitat vom: 12. 11 2022.]
 
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