Thema: Deutsche Post Neuheiten: Cryptowahnsinn erreicht auch Deutschland
Holo-Gert Am: 28.11.2023 20:40:37 Gelesen: 9124# 203@  
Ich sammle jetzt seit 55 Jahren Briefmarken und habe einige Änderungen und Entwicklungen mitgemacht.

Einerseits bin ich sehr traditionell, da ich am liebsten echt gelaufen sammle. Andererseits sammle ich sehr intensiv mit dem Gebiet "Hologramme" seit 1988 und mit dem Gebiet "Kryptp-Marken" seit 2018 auch die "modernsten" Gebiete.

Ebenfalls war ich ein Automatenmarkensammler und habe auch das ganze Drama mit der deutschen ATM 10 und der folgenden Testausgabe mitgemacht. In diese Neuerung wurde wirklich sehr viel investiert, bis dann Michel endgültig entschied, dass es sich dabei nicht um die ATM 11 handeln solle, sondern es keine ATM sei. Der Handel hatte hier aber schon viel Material abgesetzt, das jetzt in einigen Alben vor sich hin schlummert.

Immer wieder geht es dabei um die selben Fragen:

- Wie viel Innovation braucht die Philatelie? Ist die Philatelie tatsächlich unaufhaltsam auf dem absteigenden Ast?

- Wie stellt sich die (abnehmende) Sammlerschaft zu der jeweiligen Ausgabe? Können überhaupt neue Sammler gewonnen werden?

- Wie verhält sich a) der traditionelle Briefmarkenhandel? b) der online Briefmarkenhandel? und c) der neue Markt z.B. bei willhaben.at oder kleinanzeigen?

Bei stetig sinkender Nachfrage, aber stetig steigendem Angebot: ist das Sammeln von philatelistischen Produkten rein kommerziell gesehen überhaupt noch sinnvoll oder ist die "Sammelfreude" nur noch ein riesiges Verlustgeschäft?

Als Beispiel braucht man sich nur die völlig überzogenen Preise der Kryptomarken z.B. bei "Sieger" ansehen. Aber die Preisgestaltung eines solchen Unternehmens muss wohl marktwirtschaftlich so sein.

Und vor allem: Wie handeln die schon lange privatisierten, also nicht mehr staatlichen Postverwaltungen, da sie im Sinne der Marktwirtschaft Gewinne erzielen wollen?

Ist die Sammlerschaft in diesem Sinne wirklich nur noch eine strategisch genau austarierte "Melkkuh"?

Ich habe schon einige marktwirtschaftliche Einbrüche hinter mir: das Platzen der Spekulationsblase bei den Europa-Marken, den totalen Niedergang der Telefonkarte, der enorme Werteverlust bei einigen "Motiv"-Sammlungen, der Preisverfall bei anderen spekulativ gehorteten Marken, z.B. der ATM 1- 4 der Schweizer Post oder den Zusammenbruch des Händlers "Philswiss" mit der Überschwemmung des Marktes durch Material zu "Spottpreisen".

Interessant auch ein Blick auf gesellschaftliche Entwicklungen. Seit Jahren steigt die Teilnahme an Glücksspielen, viele Menschen sind dabei direkt süchtig. Der Sportwetten-Markt wächst und selbst die "Sportschau" macht Werbung für Sportwetten. Die Aussicht auf hohe Gewinne scheint manches Hirn zu vernebeln.

Heute bekam ich auf Grund meiner heftigen Proteste einen 5-€-Gutschein von der Deutschen Post AG, weil ich bei dem versuchten online-Kauf der Brandenburger Tor Krypto-Briefmarke Gold-Edition leer ausgegangen war, da technische Schwierigkeiten aufgetreten seien. Seltsam, hätte sich das der Anbieter nicht denken können, dass es problematisch wird, wenn gleichzeitig tausende Sammler oder Spekulanten ein Produkt haben wollen, das es nur 100 mal gibt? Die gleichen technischen Probleme gab es übrigens auch schon zweimal online beim Verkauf österreichischer Krypto-Marken (z.B. beim Goldenen "Einhorn" oder beim ersten "Safe"-Regenbogen). Allein schon das zufällige Auswerten eines Computerprogramms, wer gerade in der richtigen Sekunde durchkommt, ist für mich ein "Glücksspiel".

Summa summarum kommen also bei der modernen Philatelie so viele Aspekte zusammen, dass eine Gesamtbeurteilung sehr schwer ist.

Klar ist jedem, dass jeder das sammeln solle, was er will und was ihm gefällt.
Doch spielen hierbei leider einige Akteure mit, die vielleicht völlig andere Ziele haben:

Wie kann ich z.B. von einem Sonderblock der Australischen Post mit Hologramm einen echt gelaufenen Brief bekommen, wenn der Sonderblock zwar genau das Porto eines Briefes von Australien nach Deutschland besitzt, die australische Post diesen Block aber nur im Inland zur Freimachung zulässt?

Als erstes muss man sich von dem Gedanken lösen, eine Sammlung traditionell "vollständig" haben zu wollen.

Als zweites muss sich jeder (ältere) Sammler gut überlegen, dass er seinen "Sammelspaß" oder seine "Sammelleidenschaft" später vielleicht teuer bezahlen muss.

Drittens verschafft zwar manchmal auch "Schimpfen" Luft und manche Ideen der Postverwaltungen müssen wirklich kritisch hinterfragt werden, aber letzten Endes muss in dieser immer komplizierter werdenden Welt auch ein bisschen Optimismus bleiben.

Das gilt auch für die Philatelie!
 
Quelle: www.philaseiten.de
https://www.philaseiten.de/thema/18395
https://www.philaseiten.de/beitrag/330366