Thema: 2021 Festjahr 1700 Jahre Judentum in Deutschland
10Parale Am: 22.03.2024 21:37:24 Gelesen: 227# 43@  
Unglaublich wie die Zeit vergeht. Nun sind wir schon in 3. Jahr nach dem Festjahr 2021.

Heute war ich auf einem Flohmarkt und ein netter älterer Herr hatte einen Tisch mit tausenden von gut sortierten Post- und Ansichtskarten und allerei anderen philatelistischen Erzeugnissen. Ich hatte nebenan meinen kleinen Stand und die zufällige Nachbarschaft erzeugte einige gute Gespräche über das Leben, die Gesundheit und natürlich die Philatelie.

Ich hatte Zeit etwas im Sortiment des Rentners zu stöbern, doch bevor ich mich dann doch ermüdete, fragte ich frank und frei, ob er Ansichtskarten von Synagogen habe. Ich brauchte nicht lange zu warten, er hatte seine Sammlung praktisch im geistigen Auge vor sich und präsentierte mir nach kurzer Suche die folgende Ansichtskarte. Ich habe sie so gelassen, wie ich sie vorfand.

Der sympathische Zeitgenosse hatte dazu auch eine kleine Geschichte. Er komme selbst aus der Nähe von Seesen am Harz und die Ansichtskarte zeigt eine Schule und am rechten Bildrand etwas im Hintergrund die Synagoge. Ich schnappte meine Lupe und suchte irgendeinen Hinweis auf einen Synagogenbau, einen Davidsstern symbolisch im Gemäuer oder in Fensterglas gezeichnet, oder, was ich schon in Osteuropa gesehen habe, die beiden Tafeln von Moses mit den 10 Geboten irgendwo oben auf dem Dach. Doch ich fand nichts. "Sind sie sicher, dass das mal eine Synagoge war?"...fragte ich den Händler. Er versicherte mir "ja" und dann wies er mit dem Zeigefinger auf den schwarzen Balken unten Rechts. "Die Nazis haben nicht zugelassen, dass das Wort Synagoge im Schrifttext erschien, es musste durchgestrichen werden.".

Zufällig fand ich etwas später eine Karte aus Karlsbad, da war auch ein Text durchgestrichen worden, genauso geschwärzt wie bei der Synagoge. doch es zeigte offensichtlich ein berühmtes Kurhotel, und nicht eine weitere Synagoge. Wir hatten beide keine Ahnung, weshalb der Text geschwärzt war.

Zum Glück gibt es Google und da der Mann wieder jüngere Kundschaft hatte, studierte ich an meinem kleinen Stand die Ansichtskarte, die ich ohne zu Handeln sofort gekauft habe.

Tatsächlich stieß ich auf Hinweise über diese Synagoge, die am 17. Juli 1810 als Jacobstempel eingeweiht wurde. Das Besondere (lt Wikipedia): "Mehr als 40 Geistliche beider Religionen" ...waren bei der Einweihungsfeier dabei, christliche und jüdische Würdenträger. Nun, dieses friedliche und unanstößige Zusammenleben dauerte über 110 Jahre. Wie schön. Wir vergessen viel zu oft die Zeit, die so tolerant und freigiebig war. Die Wirtschaft florierte und wenn es irgendwo Wirtschaftskrisen gibt, ist ihre Ursache Intoleranz und Hass. Doch das ist ein anderes Thema.

Liebe Grüße

10Parale



[1] https://de.wikipedia.org/wiki/Jacobstempel
 
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