Thema: Neues Expertengremium prüft ein breites Spektrum philatelistischer Raritäten
drmoeller_neuss Am: 25.03.2024 09:34:04 Gelesen: 2848# 8@  
Mein ursprünglicher kritischer Beitrag ist zu Gunsten der üblichen Jubelmeldung gelöscht worden.

Die direkte Konfrontation und Konkurrenz mit dem BPP vermeidet man erst einmal. Die neue Prüfergesellschaft prüft ausdrücklich nur Stücke, die von Prüfern des BPP nicht geprüft werden. Schliesslich ist man (noch) auf die Mitgliedschaft im "BPP" angewiesen, um für die eigene Prüfgesellschaft Werbung zu machen.

Die Unterschiede werden bei der Prüfordnung umso deutlicher. Mit Kleinkram von "Normalsammlern" möchte man sich gar nicht erst abgeben. Stücke unter einem Handelswert von 2000 EUR werden nicht geprüft. Falsche Prüfstücke müssen im Gegensatz zum BPP nicht mit dem Stempel "Falsch" gekennzeichnet werden. Andere Fragen wie die Haftung mögen eher theoretischer Natur sein. BPP-Prüfer haften mit ihrem Privatvermögen, während hinter dem neuen "Prüferverband" eine haftungsbeschränkte Gesellschaft steht. Es gibt auch keine Schlichtungsstelle wie die Oberprüfstelle beim BPP. Ein großer Unterschied besteht auch in den Prüfvergütungen, die neue Prüfgesellschaft nimmt bis zu 10% des Handelswertes.

Bleibt abzuwarten, wie der BPP reagiert. Wenn man wie in der Vergangenheit konsequent handeln würde, und das erste Verbandsgebot beachten würde, "Du sollst neben mir keine anderen Prüfverbände haben "würde man die Herren aus dem BPP ausschliessen. Der BPP begründet keine Leibeigenschaft, aber eine gewisse Loyalität kann ein Verband von seinen Mitgliedern erwarten. Und dazu gehört garantiert nicht, sich mit den Federn des BPPs zu schmücken, aber ausserhalb mit seinem Namen zu wildern. Die Fälschungsbekämpfung für die breite Masse der Sammler lebt davon, dass die Prüfgebühren für die teuren Prüfstücke die einfachen "quersubventionieren", wo sich der Aufwand für die Prüfung eigentlich nicht lohnt. "Rosinenpickerei" schafft Mehrwert für den Prüfer, aber nicht für die Philatelie, denn es werden auch billige Marken gefälscht, die irgendwann niemand mehr prüfen will.

Wie sieht es mit der Unabhängigkeit aus, wenn man ausdrücklich auf die Infrastruktur eines einzelnen Briefmarken-Handelshauses zurückgreift? Technische Geräte helfen Manipulationen zu erkennen, sie können aber kein philatelistisches Wissen und fehlendes Vergleichsmaterial ersetzen.

Auch die Provienzforschung kann nicht immer bei der Beurteilung eines Prüfstückes weiterhelfen. Gute Fälschungen gab es schon vor hundert Jahren. Diese Fälschungen werden durch lückenlose Herkunftsnachweise auch nicht echter. Die Philatelisten mit der dicken Brieftasche hatten oft nicht die Zeit, sich intensiv mit Postgeschichte zu beschäftigen, und haben sich auf ihre Berater verlassen und waren manchmal verlassen. Sie mussten in der Zeit, in der sich "Hobbyprüfer" mit ihren Briefmarken befassen konnten, Geld verdienen. *)

Die "teils winzigen Prüfgebiete" des BPPs kann man kritisieren, aber sie sind dem Qualitätsanspruch des BPPs geschuldet. Ohne Vergleichssammlung wird kein Prüfer für ein neues Prüfgebiet zugelassen. Ein Bund-Prüfer wie Schlegel darf eben keinen Sachsen-Dreier prüfen, obwohl er zum gleichen Ergebnis wie ein Sachsen-Prüfer kommen würde, da für diese Marke eine reine Qualitätsprüfung ausreicht. Der BPP ist mit seinem "Spezialisten-Ansatz" in den letzten Jahrzehnten gut gefahren. Die Kehrseite ist natürlich, dass viele Prüfgebiete nicht besetzt sind. Ausländische Prüferverbände sind generalistisch aufgestellt und langen auch schon einmal daneben, weil die Prüfer ihr eigenes Wissen überschätzen und es an einer wirksamen Aufsicht fehlt. Man denkt hier unweigerlich an die "Baseler Prüfstelle".

Einzig allein geht für mich der Mindestwert einer Prüfsendung in Ordnung. Jede Prüfsendung bedeutet einen administrativen Aufwand, der von dem Wert der Prüfstücke unabhängig ist. Der bisherige Ansatz des BPPs ist viel zu niedrig !

Der BPP muss sich der neuen Zeit anpassen. Der Briefmarkenhandel ist auf schnelle Prüfergebnisse angewiesen, und kann nicht warten, bis ein "Hobbyprüfer" nach einem halben Jahr in die Puschen gekommen ist. Der BPP muss die unterschiedlichen Anforderungen der Prüfkunden in der Prüfordnung berücksichtigen. Für eine Qualitätsprüfung oder um Verfälschungen wie nachträglich aufgeklebte Marken auf Briefen feststellen zu können, muss man kein ausgewiesener Experte von exotischen Sammelgebieten sein. Nun haben diese vier Prüfer Fakten geschaffen. Wenn es etwas Wind in die verkrusteten Strukturen des BPPs bringt, kann man die neue Prüfergesellschaft nur dazu beglückwünschen.

Ansonsten liefert sie nur einen weiteren Beitrag zur Zersplitterung des Prüfwesens. Es bleibt abzuwarten, ob die Idealisten und "Hobbyprüfer" im BPP, die viel Zeit und Geld in ihre Prüftätigkeit investiert haben, einen Zwergenaufstand proben oder die neue Prüfgesellschaft hinnehmen, da sie ohnehin nicht in dieser Liga mitspielen.

*) Bitte nicht falsch verstehen: ich habe nichts gegen die Provenienzforschung. Erstens bringen Stücke mit dem Prädikat "ex-Boker", "ex-Haub" etc. einfach mehr auf dem Markt, auch wenn es philatelistisch nicht gerechtfertigt ist. Ein Zückerchen für den Verkäufer und den Auktionator. Es ist das gleiche wie mit einem alten VW Golf, der das hundertfache gegenüber einem vergleichbaren Gebrauchtwagen kostet, nur weil der Papst Benedikt 16. darin gesessen hat.

Zweitens spielen in der heutigen Zeit ethische Grundsätze eine immer größere Rolle. Viele Philatelisten möchten wissen, ob die Herkunft ihrer Stücke "sauber" ist, und nicht in den dunklen Zeiten unserer Geschichte die Marken unredlich den Besitzer gewechselt haben.

 
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