Thema: Rohrpostbelege
cartaphilos Am: 13.05.2011 22:48:51 Gelesen: 1334729# 637@  
Ein Beleg zur Rohrpoststörung in Hamburg

Zum ersten Mal ist nach meiner Kenntnis jetzt ein Stempel mit Verzögerungshinweis "wegen Rohrpoststörung" aus Hamburg aufgetaucht. Aus Berlin, Leipzig, München und Nürnberg sind solche Stempel bereits bekannt und extrem selten.

Es handelt sich bei dem Beleg aus Hamburg um einen Eilbrief ab Hamburg 4 nach Stade:



Vorderseitig ist ein violetter Rahmenstempel (Ra2) mit der Legende "Verzögert durch / Rohrpoststörung" abgeschlagen. Rückseitig lassen die diversen Stempel rekonstruieren, wo die Rohrpoststörung vorgelegen haben dürfte:



Es ergibt sich nach den Stempeln auf der Rückseite das folgende zeitliche Schema für die Bearbeitung und den Transport dieser Sendung per Rohrpost (Interpretation 1):

– Schalterannahme Hamburg 4, 5.3.1968 – 13 Uhr
– Rohrposteingangsstempel „Ro-Ein“ 5.III.1968 14 -- 04 (Stempel von PA 4 oder TA ?)
– Hamburg TA 5-3-1968 16
– Hamburg 1 "Postpavillon" Eingangsstempel Rohrpost: „0000 5 [3. 1968] 15 50 / Pav.“ (Pav = Postpavillon, siehe *Einschub weiter unten)
– Ra2 „Verzögert durch / Rohrpoststörung“
– Hamburg 3 5-3-1968 18
– Stade 1 6-3-1968 4

############## *Einschub zum Thema Postpavillon / NIVEA-Pavillon ##############

(„Pav“ heißt weniger "Postannahme-Verteilung" als "Pavillon" - nach dem wegen der Werbung an ihm vom Volksmund "NIVEA-Pavillon" genannten Post-Pavillon, in dem die Sendungen der Rohrpost und früher auch die der Straßenbahnpost umgearbeitet wurden. Zudem war hier die Telegramm- und Eilzustellung von Hamburg 1 "PA Hühnerposten" untergebracht. Hier ein Bild aus dem Jahre 1936.


(Quelle: Kahlborn, Thomas u. Krieg, Harald: Postbeförderung mit der Hamburger Straßenbahn, Hamburg 2005)

und eine Gesamtansicht mit Hauptbahnhof:


(Quelle: http://www.schaumburgerpostgeschichte.de/tram-post-of-hamburg.html)

sowie einen Kartenausschnitt:


(Quelle: http://www.schaumburgerpostgeschichte.de/tram-post-of-hamburg.html)


Der Postpavillon wurde bis 1997 postalisch genutzt)

############## Ende *Einschub zum Postpavillon ##############

Es bleibt der Interpretation der Uhrzeiten überlassen, ob der Verzögerungsstempel die lange Laufzeit zwischen dem Postpavillon (zu Hamburg 1) und Hamburg 3 erklärt, oder ob erst beim Abgang von Hamburg 3 nach Stade 1 die Verzögerung auftrat.

So ist zunächst auch die folgende Analyse der zeitlichen Abfolge denkbar (Interpretation 2):

– Schalterannahme Hamburg 4, 5.3.1968 – 13 Uhr
– Rohrposteingangsstempel „Ro-Ein“ 5.III.1968 14 -- 04 (Stempel von PA 4 oder TA ?)
– Hamburg TA 5-3-1968 16
– Hamburg 1 "Postpavillon" Eingangsstempel Rohrpost: „0000 5 [3. 1968] 15 50 / Pav.“
– Hamburg 3 5-3-1968 18
– Ra2 „Verzögert durch / Rohrpoststörung“
– Stade 1 6-3-1968 4

Je nachdem wie man die Sache also sieht, handelt es sich bei dem Verzögerungsstempel um einen Stempel vom Postpavillon Hamburg oder von Hamburg 3.

ABER:

Zu der Zeit, als dieser Brief befördert wurde, war die alte Hamburger Stadtrohrpost (siehe den nachfolgenden Streckenplan, der die Rohrpostlinien in Hamburg um 1921 zeigt)



bereits seit einigen Jahren durch die moderne Großrohrpost (1. Betriebstag 23. Mai 1967) ersetzt worden.

Schaut man sich nun den Streckenplan der Großrohrpost Hamburg an, denn erkennt man, daß das PA Hamburg 3 das dem PA Hamburg 1 unmittelbar benachbarte Abgangspostamt für alle Sendungen aus Hamburg war. Hier dürfte also eine Rohrpostbeförderung für die Weiterleitung von Sendungen aus Hamburg nicht mehr die Rolle gespielt haben:



Somit ist davon auszugehen, daß die Zeitverzögerung zwischen Stunde 16 und Stunde 18 zwischen den kaum 1 km voneinander e/ntfernten Postämtern Hamburg 1 (Postpavillon) und Hamburg 3 aufgrund einer Rohrpoststörung zu erklären ist. Doch ist dies plausibel, zumal es sich um gerade einmal 300 m Strecke handelt? So drängt es sich auf, eine andere Erklärung (Interpretation 3) zu erwägen.
Die Grundidee lautet: Der Rohrpoststempel des Postpavillons weist nicht eine Bearbeitung um 15.50 Uhr nach, sondern um 5.50 nachmittags, also tatsächlich um 17.50 Uhr, zumal ja auch keine 1 vor der 5 zu erkennen ist. Damit ergibt sich folgende Rekonstruktion des Bearbeitungsweges:

– Schalterannahme Hamburg 4, 5.3.1968 – 13 Uhr
– Rohrposteingangsstempel „Ro-Ein“ 5.III.1968 14 -- 04 (Stempel von PA 4 oder TA ?)
– Hamburg TA 5-3-1968 16
– Ra2 „Verzögert durch / Rohrpoststörung“
– Hamburg 1 "Postpavillon" Eingangsstempel Rohrpost: „0000 5 [3. 1968] 5 50 [= 17 50 ?] / Pav.“
– Hamburg 3 5-3-1968 18
– Stade 1 6-3-1968 4

Um diesen Beleg definitiv zu interpretieren, müssen die erhaltenen, seltenen Belege mit dem einzigartigen Handroll-Rahmenstempel vom Hamburger Postpavillon gesichtet werden. Insbesondere spielt hierbei eine Rolle, ob, wann, wie und durch wen der Stempel eingestellt und genutzt wurde.

Da er auf Sendungen mit Rohrpostmerkmalen auftaucht, dürfte er in jedem Fall den Hamburger Rohrpoststempeln zugerechnet werden.

In einem weiteren Eintrag werde ich auf der Basis der mir vorliegenden Belege mit dem Rahmen-Stempel "Pav." versuchen, die Funktion dieses Stempels genauer zu bestimmen. Eine erste schnelle Durchsicht meiner Belege zeigt jedoch, daß der Stempel immer im 24-Stunden-Rhythmus gestellt wurde. Das deutet eher darauf hin, daß der Stempel also auf [1]5.50 stand, also unmittelbar nach der Ankunft des Briefes vom TA Hamburg noch in Stunde 16 abgeschlagen wurde. Wenn Hamburg 3 dann erst Stunde 18 erreicht wurde, dann dürfte die Rohrpoststörung hier eingetreten.

Aber: Es gibt auch Belege, die zeigen, daß die Post von Hamburg 3 nach Hamburg 11 (PA Mönkedamm) per Großrohrpost abgeleitet und von dort nach außerhalb und innerhalb Hamburgs befördert wurde.



Zwischen Hamburg 3 und Hamburg 11 existierte eine Linie der Großrohrpost. Somit kann der Verzögerungsstempel auch erst ab Stunde 18 in Hamburg 3 angebracht worden sein.
 
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