Thema: Rohrpostbelege
cartaphilos Am: 19.05.2011 14:25:08 Gelesen: 1332486# 642@  
@ Concordia*

Danke für den Kommentar

In der Tat: Wir kratzen nur an der Oberfläche. Vielfach bringen erst die Vergleiche ein Fünkchen historischer Wahrheit an den Tag.

Den Hamburger Stempel habe ich schon vor fünf Monaten hier im Forum [#603] unbeabsichtigt und von mir unbemerkt veröffentlicht, als es darum ging, zu rekonstruieren, wie ein Telegramm im TA 2 Berlin Börse abgefertigt worden wäre, wenn wir Belege dafür hätten.

Erst die Identität mit dem Stempel von der Berliner Börse brachte die zündende Idee. Ich bin mit Deinem Vergleich zwischen Hamburg und Berlin absolut einverstanden, zumal es sich um die deutschen Städte mit dem größten Postaufkommen handelte. Das bedeutete auch, daß die Postautomation hier am meisten Früchte, sprich: Sparmaßnahmen bringen konnte, was wiederum zur frühzeitigen Einführung von entsprechenden Stempelmaschinen etc. geführt hat.

Dies macht es auch sofort einsichtig, weshalb der hier beschriebene Stempel praktisch zugleich in Berlin und in Hamburg eingeführt worden ist. Ob es sich um einen Versuchsstempel handelt, vermag ich nicht zu sagen und meine eher daß nicht. Vielmehr handelt es sich meiner Vermutung nach um einen Stempel, der in erster Linie als Bearbeitungsvermerk für innerhalb der Börse per hausinterner Rohrpost weitergeleitete Telegramme im Einsatz war. Eigentlich müßte er auf Telegrammen in großen Mengen nachweisbar sein - wenn es Telegrammurschriften aus dieser Zeit gäbe.

Die Lage ist für Hamburg etwas erfreulicher, denn von dort liegen mit wenigstens drei Telegrammurschriften mit dem entsprechenden Stempel vor:

Nr. 1: vom 10. Mai 1900



Nr. 2: vom 12. Mai 1900





Nr. 3: vom 15. Mai 1900





Die Hamburger Belege konzentrieren sich also auf die Zeit zwischen dem 10. und 15. Mai 1900. Die Idee einer versuchsweisen Nutzung dieses Stempels in Hamburg liegt daher durchaus nahe. Es kann aber auch sein, daß der Griff in den Abfalleimer aber nur diesen Zeitraum betraf, während sich dieser Stempel sonst regelmäßig auf Telegrammurschriften befunden hat. Wer weiß?

So waren vielleicht zwei Maschinen versuchsweise in Berlin und Hamburg um Einsatz. Ebenso war es aber auch üblich, daß sich die RPDs, wenn sie bestimmtes Gerät nicht mehr benötigten, dieses gegenseitig verkauften. Eine 'Einwanderung' des Stempelgeräts vom TA2 Berlin Börse nach Hamburg TA Börse war also auf diesem Weg durchaus denkbar.

In jedem Fall legen die Hamburger Belege eine Idee nahe: Der Stempel diente im ursprünglichen Sinne der automatischen Beschriftung oder Ausfüllung der Datums- und Uhrzeitzeile auf der Telegrammurschrift. In allen drei vorliegenden Fällen befindet er sich nämlich mehr oder weniger in dem Bereich der Urschrift, wo sich die Datums- und Uhrzeitzeile befindet.

Er ist also in jedem Falle auch eine Ausfüllhilfe und ein maschineller Bearbeitungsvermerk für Telegramme gewesen. Wenn dies am TA Berlin Börse ebenso der Fall gewesen wäre, dann handelte es sich bei der vorgestellten Rohrpostkarte um einen seltenen Einsatz dieses Stempels im Zuge der Bearbeitung eines Rohrpostsendung.

Beste Grüße
 
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