Thema: Entwicklungen in der deutschen Sprache
reichswolf Am: 05.06.2011 22:22:21 Gelesen: 4380# 4@  
@ drmoeller_neuss

Schönes Posting! Ich gestehe, ab und an rollen sich auch meine Zehennägel hoch bei bestimmten Wortneuschöpfungen (z.B. "Personenvereinzelungsanlage"), aber eben weil Sprache lebt, muß man akzeptieren, daß das Deutsch der eigenen Kindheit nicht das der heutigen Jugend ist. Mit Sprachverirrungen hat das freilich wenig zu tun, sondern mit einer ganz natürlichen Evolution.

Dächten alle schon immer so wie petzlaff, wir hangelten uns noch heute durch die Baumkronen und grunzten dabei fröhlich. Davon abgesehen, wer sollte denn bestimmen, welcher Zustand des Deutschen bewahrt bleiben soll? Der von heute, von vor fünfzig Jahren, oder darf es ruhig etwas älter sein? Mittelhochdeutsch vielleicht? Ist es nicht schon verwerflich, ein Weib als Frau zu titulieren, wo doch eine Frau traditionell niemals unterhalb des zweiten Standes geboren sein kann?

Und wenn wir schon alles in ein starres Korsett gießen wollen, müßten wir uns zudem außer auf einen Zeitpunkt auch auf einen Ort festlegen, an dem das allein selig machende Deutsch angeblich gesprochen würde. Und das betrifft nicht nur die Aussprache, sondern es gibt innerhalb des Deutschen auch lexikalisch große Unterschiede zwischen den verschieden Regionen.

Im Grunde kann man fast so weit gehen und behaupten, dass die deutsche Sprache genauso eine relativ junge Idee ist wie die von der deutschen Nation. Leider wird uns beides gerne aus allen möglichen Ecken als naturgegeben verkauft, als habe es niemals Vielstaaterei in dem gegeben, was wir heute als Deutschland betrachten und als habe es nicht früher sogar im Schriftverkehr Verständnisprobleme gegeben, wenn dieser Verkehr ein überregionaler war.

Beste Grüße,
Christoph
 
Quelle: www.philaseiten.de
https://www.philaseiten.de/thema/3374
https://www.philaseiten.de/beitrag/38299