Thema: Ladenhandel in Deutschland: Trostlose Zustände ?
Cantus Am: 20.07.2011 21:40:23 Gelesen: 32561# 4@  
Das Sterben der Briefmarkenläden hat wohl mehrere Ursachen.

1. Die meisten Jugendlichen haben kein Interesse mehr am Sammeln. Die Eltern haben sie nicht rechtzeitig damit vertraut gemacht, statt dessen wurden die "lieben Kleinen" schon früh mit eigenem Fernseher, Videos, CD-Player, Handys usw. beglückt. Wer jedoch seine Zeit überall damit verbringt, auf's Handy zu starren oder stundenlang Computerspiele zu konsumieren, hat keine Zeit mehr, sich mit irgendeiner Sammelei intensiv zu beschäftigen.

2. Als ich begonnen hatte, mich mit Briefmarken zu beschäftigen, war das auch der Neugierde geschuldet, Marken von immer neuen Weltgegenden zu bekommen und die kleinen Schätze auch unter Zuhilfenahme von Atlanten zuzuordnen. Heute sind die meisten Menschen zu dumm, um überhaupt noch Karten lesen und benutzen zu können, gibt es doch so praktische Kommandogeber für's Auto, die einem erzählen, wo man langfahren muss; das eigene Denken wird da weitgehend ausgeschaltet. Wenn aber diese Neugier nicht mehr da ist, weil solches und auch z.B. Google-Map oder Bing-Map jederzeit verfügbar sind, was sollte dann der Ansporn für's Sammeln sein?

3. Die unter uns, die immer mal wieder versuchen, Kinder und Jugendliche für die Philatelie zu begeistern, erleben leider viel zu oft, dass zwar in Einzelfällen durchaus die Freude am Briefmarkensammeln geweckt werden kann, wer dann aber der oder die Einzige an der Schule ist, der oder die sich mit diesem Hobby beschäftigt und das dann auch noch allgemein bekannt macht, macht leider immer wieder die Erfahrung, von Anderen gemobbt oder sonstwie ausgestoßen zu werden, weil man sich mit diesem dämlichen Sammeln von Briefmarken beschäftigt. Das halten leider nicht viele durch, der Cliquenzwang ist oft übermächtig.

4. Wir Sammler sind oft in fortgeschrittenem Alter und unsere Sammlungen sind zumeist schon so weit fortgeschritten, dass ein Besuch bei einem üblichen niedergelassenen Händler nicht mehr lohnend ist.

5. Viele Sammler sind in den letzten Jahren verstorben und ihre Erben haben keine Lust zum Weitersammeln; man merkt das u.a. am Angebot in den Auktionskatalogen niedergelassener Häuser.

6. Viele Händler sind selber in stark fortgeschrittenem Alter und gehen in Rente, es gibt aber keine Nachfolger, die ein Ladengeschäft übernehmen wollen.

7. Mehrere Händler haben mir erzählt, dass ihnen so gut wie keine Ware mehr angeboten wird, und wenn doch, dann oft zu unakzeptablen Preisen (Ebay & Co. lassen grüßen). Wo aber nicht immer wieder neue Ware hereinkommt, lohnt sich für den potentiellen Käufer auch ein Besuch im Ladengeschäft nicht mehr.

Wer also sollte bei Händlern mit einem Ladengeschäft noch kaufen ?

In Berlin gibt es noch vereinzelt Händler, die von ihrem Umsatz leben können, es ist aber - im Vergleich zu früher - ein mühsames Geschäft geworden. Die Stammkunden werden immer weniger und Neukunden lassen sich kaum blicken. Wovon also soll so ein Ladenhändler seine Miete bezahlen, neue Ware ankaufen, Steuern bezahlen und auch noch ein wenig für's Leben übrig behalten ?

Wer für einen Besuch in Berlin Händleradressen benötigt, dem kann ich gerne eine Liste zusammenstellen, meine Mail-Adresse ist hinterlegt.

Viele Grüße
Ingo
 
Quelle: www.philaseiten.de
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