Thema: Rohrpostbelege
cartaphilos Am: 08.09.2011 04:47:09 Gelesen: 1311526# 689@  
Postbeförderung der DRUB-Marinesachen des Admiralstabes

Guten Morgen,

auch auf meinem erbärmlichen, schlecht gestempelten und zerlumpten Lappen, der sich DRUB 3 nennt, gestempelt im Berlin W 9 am 5.4.1917, steht 56 in rot draufgeschrieben.





Hinten ist nichts drauf, mit Ausnahme des schwarzen Brikettstempels [10] des Eilzustellers. Ich erspare Euch die noch erbärmlichere Ansicht der Rückseite.

Das sagt aber schon eines: Der Brief ist von einem Postboten final transportiert worden. Nehmen wir an, es handelte sich dabei um einen Zusteller von W 56. Wie kam der an diesen Brief? und: Weshalb gerade ein Zusteller von W 56 und nicht, was viel naheliegender wäre, einer von W 8?

Da W 56 keinen Rohrpostanschluß hatte, oder wenigstens keinen, von dem wir wissen, dürften wir erst einmal eine Beförderung von W 9 nach W 8 annehmen, und dann weiter nach W 56, d.h. erst einmal weiter in östliche Richtung, um dann wieder ca. 1500 Meter nach Westen zurückzurudern, um den Brief zuzustellen.

Annahme 1:
In W 56 gab es spezielle für Regierungsgeschäfte bereitgehaltene Boten mit besonderer Verschwiegenheit und Geheimhaltungspflicht, denn bei den DRUB's handelt es sich ja zumeist um Sendungen an die Chiffrierstelle des Auswärtigen Amtes, d.h. um Nachrichten, die offensichtlich besonderer Geheimhaltung unterlagen. Hier hat entweder der Admiralstab Verschlüsseltes oder zu Verschlüsselndes respektive Entschlüsseltes ans AA geschickt.

Annahme 2:
Wir wissen viel zu wenig von den außerhalb des offiziellen Programms imstallierten Rohrpostanschlüssen in Berlin. Ist es wirklich anzunehmen, daß der Geheimnisträger des Admiralstabes seine geheimnisvollen Botschaften einfach beim Postamt in die rote Rohrpostbriefkiste wirft, bis sie dann geleert und die Sendung weiterbefördert wird? Eine Sonderabfertigung wird es da schon mindestens gegeben haben.

Annahme 3:
Ein Teil der Strecke wurde nicht per Rohrpost, sondern mit anderen Transportmitteln zurückgelegt. Es ist durchaus bekannt, daß nicht alles, was wie gelaufene Rohrpost aussieht und sogar Rohrpost-Ankunftstempel hat, auch wirklich mit der Rohrpost befördert wurde. Weiter oben [#591] habe ich ein Telegramm vorgestellt, das den Rohrpostankunftstempel von Neukölln aufweist, aber rückseitig den gestempelten Hinweis darauf, daß es wegen Unterbrechung des Betriebs der Straßenbahn sich verzögert hat. Mit anderen Worten: eine Sendungsart wie dieses Telegramm, die aussieht, als sei sie per Rohrpost befördert worden und alle entsprechenden Merkmale aufweist, wäre in Wirklichkeit und im Normalfall üblicherweise mit der Straßenbahn befördert worden. Also: die Straßenbahn oder was auch immer an Transportmitteln spielte beim Transport von Sendungen sogar dort, wo es Rohrpostanschlüsse gab, eine Rolle. Und hier noch einmal die Frage: Wie kam die Sendung von Admiralstab vom W9 über W8 an das nichtrohrpostführende Postamt W 56?

Vorschlag für die Rekonstruktion des Betriebsablaufs bei der Beförderung von DRUB's:

1. Aufgabe der Sendungen in W9 bei einem Sonderschalter.
2. Beförderung per Rohr (eventuell Sonderfahrten?) nach W8
3. Beförderung mit einem anderen Transportmittel nach W 56
4. Übernahme der Sendung durch spezielle Zusteller
5. Ablieferung der Sendungen im AA in der Wilhelmstraße

Ich bitte um Verbesserungsvorschläge

Nun folgt noch eine unkommentierte Galerie aller DRUB's, von denen ich Bilder besitze:



DR UB 2 17.1.1915



DR UB 2 14.11.1916



DR UB 3 28.4.1917



DR UB 5 22.3.1919 nr 195



DR UB 5 27.3.1919

und abschließend noch eine Kuriosität (Revolutionsbeute nach Auflösung des Admiralsstabes von Philatelisten in Essen verwendet)



DR UB 5 3.4.1921 mit Zusatzfrankatur als Fernbrief ab Essen
 
Quelle: www.philaseiten.de
https://www.philaseiten.de/thema/552
https://www.philaseiten.de/beitrag/40718