Thema: Vorphilatelie: Schnörkelbriefe und andere Belege aus der Vorphilazeit
roteratte48 Am: 10.10.2011 13:22:12 Gelesen: 283132# 118@  
@ Pommes [#116]

Mit Bezug auf Deinen Aufruf beim Thema "Sächsische Kurfürstenbriefe" - es ist schön, daß Du Dich noch an das Thema erinnerst und weiterhin Freude an diesen alten Belegen hast! Leider hat sich bei mir, wie bei manchem anderen hier im Forum, durch Krankheit und private Sorgen und den damit verbundenen Zeitmangel eine gewisse Abstinenz im Hinblick auf unser Hobby entwickelt - nur wenn ich aus irgendwelchen Gründen an die Bearbeitung meiner Belege MUSS, dann kann ich auch hier wieder einmal das eine oder andere Stück zeigen. Insofern also hier meine 2 Cent zum Thema - Dir und allen Interessierten auch weiterhin viel Spaß an der Materie!

Zwei Briefe will ich heute vorstellen, die über die eine oder andere Besonderheit verfügen. Zum einen den wunderhübschen Reisebericht des Amtmannes zu Remlingen, Georg Jürk, der 1571 nach Fulda reiste, um dort im Namen der Grafen von Castell Lehensverhandlungen zu führen. Zunächst die Bilder:



Und hier die Übersetzung (bei vier Begriffen ist mir auf die Schnelle die Zuordnung nicht gelungen - für tatkräftige Hilfe bin ich immer dankbar!):

Anschriftenseite: "Denen wolgeborenen Herrn Herren Conraten, Heinrichen und Georgen, Grafen und Herren zu Castell Gebrüdern, meinen gnedigen Herrn. - Präsentationsvermerk: Amtmann von Remlingens Relation der Fuldischen Lehenempfängnis halber"

Text: "Wolgeborene gnedige Herrn. Nachdem Euer Gräflich Gnaden ahier ein Instruction, welchermassen vom jetztenmehrem Abbt deß Stiffts Fulda Ihr tragent Lehen über das halb Dorff Remlingen (dieweil sein eigner Person vondwegen allerhandt Ungelegenheiten demselben nit könnten nachsetzen) ich empfangen und annehmen sollte, den 22. Septembris abgelauffenen 70ten Jahrs überantwurten und zustellen lassen; beneben gnedigen Befehl, meiner in solchen Sachen Verrichtung halb, zu meiner Widerheimkunfft schrifftliche und ußführliche Relation und Anzeig zu thun. Denselben nun (wie ich mich schuldig erklere) gib Euer Gräflich Gnaden ich undertheniglich zu vernemmen:

Allß ich nach zukommener Instruction Sonntags, den 14. January gegen Mittag zu Fulda ankommen, hab ich mich allsßbaldt zu dem Christoffen verfügt, ihm Euer Gnaden günstigen Gruß vermeldet und gebetten, mir Anleitung und Förderung in angeregten Sachen mitzutheilen. Welcher sich darauff nit allein gunstwillig, sondern dermassen erzeiget, daß gegen Euer Gnaden ich ihn billich zu rühmen habe. Dann er gleich morgens am frühesten mit mir zum Cantzler, der bey der Cantzley war, gangen; die Sachen und Werbung zum Fleißigsten fürtragen und uns Förderung derselben bitten helffen. Dieweil aber selbigen Tags zu Hof Landtgrave Ludwig auß Heßen einziehen sollte, erklärt sich der Cantzler, ich würde mit der Belehnung bald nit abgevertiget werden können, es hatte auch der Abbt Ziestags [= Dienstags] die Räth vertaget und Landtrechnung zu halten fürgenommen; sodann auch der Marschalck [= Hof-Beamte], durch den die Lehen verricht würden, ermeltem Landtgraven entgegen geschickt. Derhalben sollte ich solche Zwernstag [= Donnerstag] verziehen, da wollte er allen möglichen Fleiß fürwenden, daß kein lengere Verweilung darzwüschen kemme.

Allso warte ich temnach Ziestags den 16.ten obgerürts Monats fürbescheiden und durch den Marschalkh gantz gutwilliglich belehret, der mir zu verstehen gab, daß der Abbt absolch unerwarteten Erscheinung sonderlichs Gefallen trüge und Euer Gräflich Gnaden mit gönnstigem Willen in dem und anderem zu begegnen geneigt were. Dieser Befürderung und erzeigter Gutwilligkheit that ich mich von Euer Gräflich Gnaden wegen hinwiderumb undertheniglich und fleißig bedanken und melden, daß solches Euer Gräfliche Gnaden sampt und sonders alß getreue Lehenspersonen ungezweivelt im ... ? ... wissen ..?..

Nach diesem und vollendeter Belehrung und Erstattung des Lehens (?) übergaben mir die Cantzleyvormandten den alten und neuen Lehensbrief allerdings verfertigt sampt Eurer Copie des ..?.., den sie von mir besiegelt im Beysein mehrgedachten Marschalkhs gern wohl zufrieden und willig annahmen. Aber alß ich den Cantzler der Sach halb befragen ließ, fordert er erstlich durch ein Schreiben 20 [Taler], hernach uff mein Verweigerung 15, und letztlich, da ich mich vermög gehabter Instruction gäntzlich deßen beschweret und Ursach fürbracht, er derer zehen Thaler zufriden, auch ich darüber gen Hof geladen, und Mittwochs umb Neun ich allerdings abgevertiget. Weiß demnach Euer Gnaden kein Streit, Weigerung oder einig Einredt, so bemelter Belehnung halb fürgangen, auch nichts anderes zu berichten. Daß alles sollte Euer Gräflich Gnaden ich denselben mir vorgebener Instruction und Befehl nach nit verhalten, denselben mich hiemit undertheniglich bevehlendt; Datum den 22. January Anno 1571 - Euer Gräflich Gnaden - Underthenigsd gehorsamer - Amptmann zu Remlingen - Georg Jürk[?] der Jüngere manu propria."

Der zweite Brief stammt aus dem Jahre 1685 und ist für mich deswegen spannend, weil es mir trotz aller Recherche nicht gelungen ist, den Absende- ebenso wie den Zielort genau zu bestimmen. Ob sie noch existieren oder erloschen sind, ob sie heute andere Namen tragen oder eingemeindet wurden - nichts Genaues weiß man nicht. Sie liegen irgendwo zwischen Ansbach und Nürnberg. Wahrscheinlich nahe Kloster Heilsbronn, und lassen sich bis ins frühe achtzehnte Jahrhundert auch in verschiedenen Quellen nachweisen - danach scheinen sie verschwunden. Es schreibt die Witwe eines Freiherrn von Dangrieß an den Eyb'schen Vogt in Neuen-Dettelsheim; im Inhalt geht es um die Rückzahlung einer Kapitalanlage samt Zinsen. Auch hier erst einmal die Bilder (die Schrift hatte schon einen sehr "ausgeprägten Eigencharakter") - der Brief wurde von einem beauftragten Schreiber so gestaltet - die Absenderin selbst war, trotz ihres Standes, des Lesens und Schreibens wohl unkundig, wie ein Blick auf die eigenhändige Unterschrift verrät:



"Dem Wohl-Ehren-Vesten und Großachtbaren Herrn Johann Freyding, Hohenlohisch-Eybisch wohlbestallter Vogten zu Neuen-Dettelsheim, Meinem geehrten Herrn..
Wohl-Ehrenvest- und großachtbarer, sonders geehrter Herr - wie weillen ich von meinem Schwager, Herrn Dr. Herlacher zu MEGELDORF [heute Mögeldorf, seit 1899 zu Nürnberg eingemeindet], wegen deß bey seinem Principaln und Oberen, Herrn von Eyb stehen habenden Capitals von 1000,- Gulden, worfür mein Eheherr ... Bürgschaft geleistet, sehr angefochten und zum Öfteren deßwegen mit harten Worten angetastet worden, daß mich fast gleichsam nimmer in Nürnberg darf sehen lassen. Allß habe meinem geehrten Herrn dieses hiermit nachrichtsamblich bedeuten und zugleich dienstfreundtlich bitten wollen, derselb beliebe obwohl gedacht seinem Herrn dieses gebührlich zue hinderbringen, damit die Bezahlung, sowohl deß Capitals alls der verfallenen Interesse, hierin verfüget (und mein Herr Schwager zu dem seinigen, welches er durchaus nicht lenger mehr stehen lassen will, gelange), ich aber hierdurch des üblen Anlaufens und meiner obliegenden Bürgschafft, deren ich zwar genügsam versichert bin, losgesprochen und darüber gebührlich quittirt werden möge. Womit nebst Anwünschung eines glükhlichen Neuen Jahrs in Erwartung baldiger nachrichtsamer Widerantwort, unter Gottes Schuzes Empfehlung, verpleibe - meines geehrten Herrn - Dienstwillige - [folgt eigenhändige Unterschrift "Emmeritia Magtalena von Dangrieß, geborene von Balhon(?), Wittib..] - Heitzenberg, den 3.ten January Anno 1685"

Grüße an alle und eine hoffentlich gute und sorgenfreie Woche - Rolf
 
Quelle: www.philaseiten.de
https://www.philaseiten.de/thema/798
https://www.philaseiten.de/beitrag/41406