Thema: Haben wir Briefmarkensammler eine Lobby ?
drmoeller_neuss Am: 31.10.2011 22:06:03 Gelesen: 51312# 70@  
@ Lars Boettger [#58]

Zur Ehrenrettung des BDPh muss an dieser Stelle einmal das aktuelle Heft der Philatelie gelobt werden. 84 Seiten, davon beschäftigen sich 36 Seiten mit philatelistischen Themen, lediglich 8 Seiten sind mit Berichten über Verbandsaktivitäten und Photos von Funktionären gefüllt. Der Anteil Werbung ist mit ca. 21 Seiten ausgeglichen. Die kommerziellen Briefmarkenzeitungen erreichen inhaltlich und qualitativ bei weiten nicht dieses Niveau, und die Hefte kosten im Abo auch deutlich mehr als 2 EUR wie die "Philatelie" über den Jahresbeitrag. Allein die "Philatelie" rechtfertigt den Jahresbeitrag.

Natürlich gibt es immer etwas zu verbessern, und die "Philatelie"-Redaktion kann zum Beispiel von der "Postfrisch" (herausgegeben von der Deutschen Post) lernen, wie man Artikel für den Leser gut aufarbeitet. In der letzten "postfrisch"-Ausgabe hat mir besonders gut der Artikel "Dr. Herbert Grossmann und sein Lieblingsbeleg" (Seite 7) gefallen. Hier wird Begeisterung für die Philatelie geweckt: gezeigt wird ein abgegrapschter Beleg aus der Infla-Zeit. Die frankierten Marken haben ihre beste Zeit längst hinter sich gebracht und sind philatelistisch fast wertlos. Der Inhalt macht den Beleg interessant: Es geht um ein "Knöllchen" für Radfahren ohne Licht. Das kostete am 28.September 1923 genau 100.000 Reichsmark. Der Amtsschimmel war noch nicht einmal besonders langsam, und eine Woche später ging der Bussgeldbescheid an den Sünder heraus. Wie üblich, waren die Portokosten vom Deliquenten zu tragen. Die betrugen an diesem Tag genau 3,6 Millionen Reichsmark, während die eigentliche Strafe mit 0,1 Millionen Reichsmark nur noch ein Bruchteil der Frankierung ausmachte. Zum Zahlen liess sich der Sünder eine weitere Woche Zeit, und kam dank der galoppierenden Geldentwertung fast straffrei davon. Der Besitzer dieses Beleges benutzt ihn im Geschichtsunterricht in der Schule, um anschaulich die Auswirkungen der Inflation zu verdeutlichen, und begeistert vielleicht den ein oder anderen Jugendlichen nebenbei von der Philatelie.

Ein weiteres journalistisches Glanzstück in der "postfrisch" ist der Artikel über die Mauritius-Ausstellung in Berlin. Auf zwei Seiten werden die eigentlichen Hauptpersonen präsentiert: die Belege mit der blauen und roten Mauritius, daneben ein kurzer Abriss über die Entstehungsgeschichte der Marken. Die "Philatelie" des BDPh hat sogar drei Seiten für die Mauritius-Ausstellung im Oktoberheft spendiert, aber ohne wenigstens eines der Exponate zu zeigen. Während die Deutsche Post in ihrer Hauspostille auf die Abbildung ihrer Andenken zugunsten der Mauritiusbriefe verzichtet hat, spendiert die "Philatelie" dafür eine halbe Seite. Die anderen Bilder in der "Philatelie" sind auch nicht viel interessanter. Wenigstens weiss ich jetzt, wie die Botschafterin der Republik Mauritius aussieht.

@ Lars Boettger [#58]

- Sind die Preise der Firmen Borek & Sieger wirklich zu hoch? Das bezweifel ich - die Marken gehen durch viele Hände, es werden ausführliche Kataloge erstellt, Garantien gegeben, Reklamationen müssen auch abgedeckt sein und ein Gewinn muss unter dem Strich übrig bleiben. Wer selber ein Direktabo hat, der bekommt die Marken deutlich güngstiger. Aber das sollte jedem eigentlich klar sein, oder?

Mir wird es auch unheimlich, mit welcher Geduld Lars die angesprochenen Versandhäuser verteidigt. Das Problem, liefern zu müssen, was man versprochen hat, hat jeder Versandhändler. Auch mit den Tücken des Fernabsatzgesetzes muss sich der kleine Händler genauso herumschlagen wie Borek und Sieger.
Und zur Werbung: wie bereits geschrieben, ist für mich der Grad zur Irreführung überschritten, wenn mit utopischen Wertzuwächsen geworben wird, oder die Differenz zum Katalogpreis mit "Sie sparen xx %" ein besonderes Schnäppchen suggerieren soll. Schauen wir uns einmal die letzte Borek-Werbung an, die dem Novemberheft der "Philatelie" beilag: Über den eigentlichen Artikel kann man diskutieren: angeboten wird ein "Silberbrief", genauer eine Nachbildung des Mauritiusbriefes in reinem Silber. Den Aufschlag auf den Materialpreis akzeptiere ich bei Schmuck (wen das stört, der denke nur an Modeschmuck aus Plastik mit einem Wareneinsatzwert von wenigen Cent, der für einen zweistelligen Eurobetrag verkauft wird). Was ich nicht akzeptiere, ist die Anpreisung zum "Vorzugspreis", der 100 Euro sparen soll. Zur kompletten Verbraucherverarschung dient die Adresse "Offizielle Vertriebsstelle der Silbersonderedition "Bordeaux-Brief".

Die "Philatelie" folgt dem journalistischen Grundrinzip der sauberen Trennung vom Anzeigenteil vom redaktionellen Teil, sieht man einmal von den Angeboten der "PhilCreativ" GmbH ab. Dann könnte der BDPh-Vorstand dem ein oder anderen Inserenten auch kritisch gegenüber stehen. Ich gehe bei Lars zumindestens beim Anzeigenkunden "Sachse's Qualitätsgummierung" davon aus, dass er Nachgummierungen, wie sie hier angeboten werden, nicht unterstützt.

Und ein Nachtrag zum persönlichen Kommentar von erwin58:

@ erwin58 [#56]

Ich gehe davon aus, dass ihr Doktortitel nicht von der Uni Bayreuth stammt und fordere sie daher in dieser Diskussion zu mehr Lauterkeit und wissentlicher Genauigkeit auf. Darüber hinaus frage ich mich wirklich, wieso sie so ein Problem mit einem Verband haben, der tatsächlich die Interessen seiner Mitglieder vertritt ?
Gruß von Erwin, der nur Hauptschulabschluß und Meisterbrief sein eigen nennen darf.


Ich habe an der Uni Düsseldorf promoviert und mein Doktorvater wusste immer, was ich machte. Betrügereien sind in den experimentellen Naturwissenschaften auch viel schwieriger, Einzelfälle gibt es natürlich auch hier. Die Guttenberg-Affäre stinkt mir auch, weil sie ohne Konsequenzen für die Verantwortlichen an der Uni Bayreuth geblieben ist (ich unterstelle den Professoren noch nicht einmal Vorsatz, sondern nur Schlamperei).

Viele Grüsse von drmoeller_neuss, der übrigens einen Meisterbrief durchaus ebenbürtig zu einem Hochschulabschluss ansieht.
 
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