Thema: Rohrpostbelege
cartaphilos Am: 04.11.2011 17:39:46 Gelesen: 1294827# 720@  
Portostufen der Rohrpost Wien zur Zeit der Annektion durch das Deutsche Reich im Jahre 1938

Gerade kam eine per Rohrpost beförderte Ortseilbotenkarte aus Wien vom 24. VI 1938 herein:



Es ist eine Ganzsachenkarte mit 12 Gr. Wertstempel. Zufrankiert sind 8 Gr. Trachten und 12 Rpf Hindenburg. Um das Porto auszurechnen, muß man wissen, wie nach der Annektion Österreichs die Währung umgestellt wurde: Hitler versprach den Österreichern eine Umrechung von Schillingen in Reichsmark zum völlig unrealistischen Kurs von 3 Schillingen zu 2 Reichsmark, was vor allem ein Propagandacoup sein sollte, um eine noch größere Zustimmung zur Annektion zu sichern. Nach dem anzuwendenden Umrechnungsschlüssel von 2 RM = 3 Schilling entsprachen die auf unserer Karte verklebten 12 Rpf 18 Gr. Die Karte ist damit für 38 Gr. freigemacht. Seit dem 4.4.1938 betrug das Porto für eine Ortskarte im annektierten Österreich 8 Gr. oder 5 Rpf. Eilzuschlag waren eigentlich 40 Rpf oder 60 Gr. Dies stellte im Vergleich zu dem davor gültigen Portosatz von 30 Gr. für die Eilzustellung eine Erhöhung um 100% dar. Anders war es seit dem 4.4.1938 bei der Rohrpost: Es blieb bei den bisherigen 30 Gr., was einer Rohrpostgebühr von 20 Rpf entsprach. Damit kostete eine Ortsrohrpostkarte in Wien bis zur Angleichung an die Tarife im Deutschen Reich 25 Rpf, während die gleiche Sendung in Berlin oder München nur 15 Rpf kostete. Wir sehen jedoch, daß diese Karte vom 24. Juni 1938 faktisch als eine Ortsrohrpostkarte für 38 Groschen odr 25 Rpf freigemacht wurde. Unsicherheiten aber auch die einfache Übetragung der alten österreichischen Portosätze (Rohrpost = Eilboten = jeweils 30 Gr. oder neu 20 Rpf) auf die neuen Verhältnisse sind Geburtshelfer solcher Frankaturkombinationen.

Folgende Kombinationen von Rohrpost und/oder Eilboten sind also für die Zeit bis zur Anpassung an die Tarife im Deutschen Reich für Postkarten aus den annektierten Österreich im Inland anzusetzen:

ab 4.4.19380

25 (= 5 + 20) Rpf / 38 (= 8 + 30) Gr. = Orts-Rohrpostkarte
45 (= 5 + 40) Rpf / 68 (= 8 + 60) Gr. = Orts-Eilbotenkarte
65 (= 5 + 20 + 40) Rpf / 98 (= 8 + 30 + 60) Gr. = Orts-Rohrpostkarte per Eilboten
26 (= 6 + 20) Rpf / 39 (= 9 + 30) Gr. = Fern-Rohrpostkarte aus oder nach Wien
46 (= 6 + 40) Rpf / 69 (= 9 + 60) Gr. = Fern-Eilbotenkarte
66 (= 6 + 20 + 40) Rpf / 99 (= 9 + 30 + 60) Gr. = Fern-Rohrpostkarte per Eilboten aus oder nach Wien
86 (= 6 + 80) Rpf / 129 (= 9 + 120) Gr. = Fern-Eilbotenkarte in den Landzustellbezirk
106 (= 6 + 20 + 80) Rpf / 159 (= 9 + 30 + 120) Gr. = Fern-Rohrpostkarte per Eilboten aus Wien in den Landzustellbezirk

in Kombination mit Einschreiben jeweils 30 Rpf / 45 Gr. mehr

ab 8.7.1938

25 (= 5 + 20) Rpf / 38 (= 8 + 30) Gr. = Orts-Rohrpostkarte
25 (= 5 + 20) Rpf / 38 (= 8 + 30) Gr. = Orts-Eilbotenkarte
45 (= 5 + 20 + 20) Rpf / 68 (= 8 + 30 + 30) Gr. = Orts-Rohrpostkarte per Eilboten
26 (= 6 + 20) Rpf / 39 (= 9 + 30) Gr. = Fern-Rohrpostkarte aus oder nach Wien
26 (= 6 + 20) Rpf / 39 (= 9 + 30) Gr. = Fern-Eilbotenkarte
46 (= 6 + 20 + 20) Rpf / 69 (= 9 + 30 + 30) Gr. = Fern-Rohrpostkarte per Eilboten aus oder nach Wien
26 (= 6 + 20) Rpf / 39 (= 9 + 30) Gr. = Fern-Eilbotenkarte in den Landzustellbezirk
46 (= 6 + 20 + 20) Rpf / 69 (= 9 + 30 + 30) Gr. = Fern-Rohrpostkarte per Eilboten aus Wien in den Landzustellbezirk

in Kombination mit Einschreiben jeweils 27 Rpf / 40 Gr. mehr

ab 1.8.1938 / (Aufbrauch der Postwertzeichen Österreichs bis zum 31.10.1938)

15 (= 5 + 10) Rpf / 23 (= 8 + 15) Gr. = Orts-Rohrpostkarte
45 (= 5 + 40) Rpf / 68 (= 8 + 60) Gr. = Orts-Eilbotenkarte
55 (= 5 + 10 + 40) Rpf / 83 (= 8 + 15 + 60) Gr. = Orts-Rohrpostkarte per Eilboten
16 (= 6 + 10) Rpf / 23 (= 9 + 15) Gr. = Fern-Rohrpostkarte aus oder nach Wien
46 (= 6 + 40) Rpf / 69 (= 9 + 60) Gr. = Fern-Eilbotenkarte
56 (= 6 + 10 + 40) Rpf / 84 (= 9 + 15 + 60) Gr. = Fern-Rohrpostkarte per Eilboten aus oder nach Wien
86 (= 6 + 80) Rpf / 129 (= 9 + 120) Gr. = Fern-Eilbotenkarte in den Landzustellbezirk
96 (= 6 + 10 + 80) Rpf / 144 (= 9 + 15 + 120) Gr. = Fern-Rohrpostkarte per Eilboten aus Wien in den Landzustellbezirk

in Kombination mit Einschreiben jeweils 30 Rpf / 45 Gr. mehr

Wir können hieraus erkennen, daß die Portostufen zwischen dem 8.7. und dem 1.8. 1938 Kurzläufer von nur drei Wochen sind, die dementsprechend selten anzutreffen sind. Das ist zwar noch nichts im Vergleich zu den teilsweise nur 4 Tagen, die für einige deutsche Inflaportoperioden anzusetzen sind, doch muß man erst einmal eine mit 72 Rpf portorichtig freigemachte Reco-Orts-Rohrpost-Eilbotenkarte aus der fraglichen Zeit finden.

Dies nur als eine erste Orientierung durch den Portostufenwirrwarr der ersten Monate nach der Annektion Österreichs.

Einen schönen Abend noch
 
Quelle: www.philaseiten.de
https://www.philaseiten.de/thema/552
https://www.philaseiten.de/beitrag/42142