Thema: Werbung von Phila-Versandhäusern: Ein Analyseversuch am Beispiel Borek
Briefmarkensammler Am: 12.11.2011 20:17:23 Gelesen: 36283# 1@  
Gleich eines vorweg: Mein Beitrag ist keine Werbung für oder Bashing gegen ein Versandhaus. Es gibt neben dem von mir verwendeten Beispiel auch andere Phila-Versandhäuser, die ihre Produkte ähnlich bewerben.

Das beigefügte Beispiel hatte ich die vergangene Woche im Briefkasten. Natürlich ungefragt ! Keine Ahnung wie Borek an meine Adresse gekommen ist.

Bei der Lektüre des Werbeflyers kam mir die lebhafte Diskussion der vergangenen Wochen in Erinnerung, in der von einigen Usern teils heftige Kritik an den Geschäftsgebahren von Borek, Sieger & Co geübt und die Verbandelung von Verbänden, Handel und Katalogen (Stichwort "Briefmarkenlobby") beklagt wurde. Andere User konterten diese Kritik als unsachlich, emotional und verschwörerisch.

http://www.philaseiten.de/cgi-bin/index.pl?ST=3717&CP=0&F=1#newmsg
http://www.philaseiten.de/cgi-bin/index.pl?ST=3692&CP=1&F=1#newmsg

Der vorliegende Werbeflyer bietet also eine gute Gelegenheit, das Thema so sachlich wie möglich aufzuarbeiten.

Nun gut, legen wir mal los: Was lässt sich dem Flyer entnehmen ?

Es wird ein Briefmarken-Gedenkblock (Guyana Nominale $ 3000) anläßlich des Papstbesuchs in Deutschland beworben. Das gute Stück soll aus einer (Zitat) "22-karätigem Goldfolie bestehen" und ein (Zitat) "Großes Wertsteigerungspotential" aufweisen. Auf dem Block sind neben dem Heiligen Vater auch noch Fr. Merkel und Hr. Wulff abgebildet. Zudem, so führt der Anbieter aus, sei mit einer (Zitat) "enormen Nachfrage" nach diesem Produkt zu rechnen. Als Beleg für diese Aussage beruft sich Borek auf den Michel-Katalog, der für eine ähnliche Ausgabe aus dem Jahr 2007 angeblich eine Wertentwicklung von (Zitat) "über 150% innerhalb 4 Jahren" verzeichnet.

Der interessierte Leser wird zudem daraufhingewiesen, dass (Zitat) "Aufgrund der begrenzten Anzahl an Exemplaren (...) die meisten Interessenten wohl leer ausgehen dürften". Auf der anhängenden Antwortkarte erhält der Käufer die Möglichkeit diese Goldblock-Ausgabe für 9,90 EUR statt später 19,90 EUR zu bestellen. Es wird zudem ausgeführt, dass die ersten 100 Besteller eine gratis Silber-Briefmarke des Vatikan im Wert von 29,90 EUR erhalten und die ersten 2500 Besteller eine gratis Autogrammkarte des Papstes on-top bekommen.

Klingt ja ganz schön interessant, mag man meinen. 150% Rendite in vier Jahren ! Wow ! Und das nicht mit profanen Briefmarken, sondern Goldbriefmarken ! Da muss ja was dran sein, Gold geht grad eh durch die Decke, so denkt wohl mancher Leser, der diesen Flyer in seinen Händen hält. Und hat sich nicht erst vor wenigen Jahren der BDPH-Präsident Hartig als Borek-Werbe-Ikone unsterblich gemacht ? Also muss ja was an diesen euphemistischen Aussagen dran sein, sollte man meinen.

Nun ja, schaun wir uns mal den Wahrheitsgehalt der gemachten Werbeaussagen von Borek an:

Borek sagt:
"Die erste Goldbriefmarke mit Papst Bendikt als Motiv, ist innerhalb von 4 Jahren um 150% im Wert gestiegen. Es handelt sich um ein einmaliges Angebot mit riesigem Wertsteigerungspotential"

Ein Blick in die Weiten des Internets belehrt uns innerhalb von einer Minute eines Besseren. Ein bekannter Internetanbieter offeriert die vor vier Jahren herausgegebene Papst-Goldbriefmarke für 11,05 EUR. http://www.postbeeld.com/de/stamps/view/sgy30711a-pope-benedict-1v-gold/
Bei einem Ausgabe-Preis von 9,90 EUR kann man hier wohl kaum von einer "Wertsteigerung" oder einem "riesigen Potential" reden, zumal der Einkaufspreis den der Internethändler im Ankauf bewilligt, wohl noch deutlich niedriger liegen dürfte. Das vollmundige "Wertentwicklungsversprechen" von Borek entpuppt sich schon auf den zweiten Blick als dreiste Werbelüge.

Borek sagt ferner:
"Diese Ausgabe ist ein Meilenstein der Briefmarkengeschichte"

Die Frage ist nur wieso ? Was ist an dieser Ausgabe ein Meilenstein der Briefmarkengeschichte ?

Ist das Verwenden des Rohstoffes Gold ? Nein, Versuche die Phantasien der Philatelisten durch Verwendung einer 100 Nanometer dicken "Goldschicht" zu beflügeln gab es schon in den (Achtung Wortwitz) "goldenen 60iger Jahren". Bis heute gelang es weltweit jedoch keiner Ausgabe sich wertmäßig besser zu entwickeln wie andere Marken des jeweiligen Jahrganges.

Ist es vielleicht das Motiv, dass mit dem Heiligen Vater, auch noch Bundeskanzler und Bundespräsident mit einschließt ? Das wäre möglich, zumindest ist mir kein anderes Motiv mit diesen drei Prominenten bekannt. Die Frage ist nur, was die drei Herrschaften mit "Briefmarkengeschichte" zu tun haben. Nichts ? Richtig. Nichts. Borek muss etwas anderes meinen.

Ist es vielleicht das Ausgabengebiet Guyana ? Wohl eher auch nicht. Mit weit über 8.000 verausgabten Marken und knapp 900 Blöcken bei 750.000 Einwohnern ist Guyana wohl eher das, was ein konservativer Philatelist als "Sammelgebiet zum Schaden des Sammlers" bezeichnen würde. Mit den entsprechenden Beziehungen (und Kleingeld) könnte wohl auch ein Bild meiner Schwiegermutter auf eine Platin-bedampfte Block-Ausgabe gelangen. An der werthaltigen Exklusivität und Seriösität des Sammelgebietes kann es also nicht liegen.

Egal - lassen wir das larmoyante Spekulieren und bleiben bei den Fakten:

Borek gelingt ein zumindest vordergründig gelungener Werbecoup. Geschickt kombiniert das Braunschweiger Versandhaus die Emotionen rundum den aktuellen Gold-Hype mit dem Medium Briefmarke und bemüht Michel-Katalog, den Papst und eine herbeiphantasierte "Wertentwicklung", um neue Kunden zu gewinnen. Insbesondere vor dem Hintergrund der aktuellen Gold-Rallye wird Borek bei uninformierten Sammlern auf Interesse stoßen.

Kunden, die bei Borek Papst-Briefe erwerben (egal ob in Gold oder Papier), sollten sich jedoch klar sein, das die Bildnisse des bayrischen Papstes auf Marke zwar möglicherweise geeignet sind "religiöse Verzückungen" oder "Wunderheilungen" zu versachen, aber auf keinen Fall die behauptete Kapitalanlage mit dreistelliger Wertsteigerung darstellen.

Ob das Bewerben eines Produktes mit einer in der Realität nicht erzielbaren "Wertentwicklung von 150%" möglicherweise den Tatbestand der "Sittenwidrigkeit" erfüllt oder ob diese Art der Werbung generell "irreführend" ist, wäre gegebenenfalls gerichtlich zu überprüfen. Als Kaufmann und Halbjurist würde mich das Ergebnis interessieren.

http://www.frankfurt-main.ihk.de/recht/themen/wettbewerbsrecht/irrefuehrendewerbung/
http://www.handelswissen.de/data/handelslexikon/buchstabe_s/sittenwidrige_Werbung.php

Hätten wir Philatelisten eine Lobby, könnte diese für uns ... ach neeee, lassen wir das ...


 
Quelle: www.philaseiten.de
https://www.philaseiten.de/thema/3760
https://www.philaseiten.de/beitrag/42459