Thema: Haben wir Briefmarkensammler eine Lobby ?
drmoeller_neuss Am: 16.11.2011 18:08:23 Gelesen: 49807# 91@  
@ Lars Boettger [#90]

Meistens stimme ich mit Dir überein, kritisiere aber Deinen generellen Rundumschlag gegen ebay und Co.

Persönlich habe ich meine Aktivitäten auf Tauschtage verlagert. Dort kann man die Ware vor dem Kauf persönlich begutachten und ich komme mit anderen Sammlern persönlich in Kontakt. Wenn ich Zeit habe, stöbere ich in Belegekisten und Groschenbüchern. Nebenkosten wie Portokosten und Auktionsgebühren fallen natürlich nicht an, sieht man von gelegentlichen Eintrittsgeldern oder dem Preis für eine Tasse Kaffee und Kuchen einmal ab.

Ich habe aber auch gut reden: ich setze mich sonntags morgens in die S-Bahn direkt vor meiner Haustür, manchmal zugegebenerweise zu unchristlicher Zeit, und lese gemütlich meine Zeitung. In einem Einzugsgebiet von 15 Millionen Menschen steht fast jedes Wochenende ein Tauschtag in der Nähe zur Auswahl. Dank meiner Monatskarte fallen für mich keine weiteren Fahrtkosten an. Dann kann ich es auch schon einmal verschmerzen, mit einer Ausbeute von nur 3,50 EUR nach Hause zu kommen.

Andere Sammlerkollegen wohnen zum Beispiel im tiefsten Sauerland. Hier kann man schön wandern und Wintersport betreiben, aber ohne Auto geht es nicht. Bis zum nächsten Tauschtag sind dann schon locker 30 EUR Sprit verfahren, dann kann ein 1-EURO Beleg schon einmal 31 EURO kosten. Diese Sammler rechnen Portokosten oder einmal eine taube Nuss bei ebay gegen die ersparten Spritkosten auf.

Ich kaufe aber auch hin- und wieder auch bei ebay, und mit etwas gesundem Menschenverstand bekommt man hier auch ordentliche Ware zum vernünftigen Preis. Die Reinfälle kann ich an einer Hand abzählen, die "Superschnäppchen" aber auch. Der Rest bewegt sich im ordentlichen Mittelfeld. Ich mache einmal folgende Klassifizierung:

1.) Standardware Bund/Berlin/DDR: kein Unterschied zwischen Tauschtag und ebay (Nachgummierungen und Falschstempel lauern überall)
2.) exotische Ware (z.B. Randstücke, Formnummern, Übersee, seltene Sammelgebiete): wenn man auf Tauschtagen fündig wird, ist meistens der Verkäufer froh, die Ladenhüter endlich loszuwerden, oder er weiss gar nicht, was das wert ist. Auf ebay finden sich Exoten leichter, erzielen da aber auch marktübliche bis hohe Preise.
3.) Sammlungen allgemein: sind bei ebay eher teuer oder geraten zu einem Lottospiel (ich habe aber auch schon Volltreffer gezogen, musste aber auch zwei glibbrige Schwarten wieder an den Verkäufer zurückgeben). Auf Tauschtagen kann man alles in Ruhe durchsehen, den Preis noch einmal verhandeln und spart sich auf jeden Fall das Paketporto.
4.) gebrauchtes Zubehör: Vordruckalben werden auf Tauschtagen eher selten angeboten. Hier ist ebay eine günstige Einkaufsquelle. Vorher auf jeden Fall Vollständigkeit der Blätter und Geruchsfreiheit (!!) zusichern lassen. Standard-Einsteckbücher werden aber auch auf Tauschtagen angeboten.
5.) Belege allgemein: wer eigentlich alles gebrauchen kann, ist auf Tauschtagen mit den Belege-Wühlkisten gut bedient. Hier habe ich schon tolle Schnäppchen gemacht. Wer nur einen bestimmtem Beleg sucht, ist nach stundenlangem erfolglosen Suchen in gebückter Haltung über dem Trog frustriert. Hier ist ebay unschlagbar, vorausgesetzt, der Anbieter hat die richtigen Suchbegriffe angegeben. Der Preis ist Glücksache. Entweder man räumt für 1 EUR zum Schnäppchenpreis ab, oder ein Heimatsammler will das Stück um jeden Preis haben. Dann muss man sich (d.h. die Maus und Tastatur) schon gut im Griff haben, sonst zahlt man auf jeden Fall zuviel.
6.) Klassik: eher gruselig auf ebay. Wer sich da nicht auskennt, kann schnell reinfallen. Auf Tauschtagen kann man sich die Ware wenigstens vorher ansehen. Gute klassische Ware ist auf ebay auch nicht günstiger als auf Saalauktionen zu bekommen. (stampsx hatte das einmal untersucht)

Summa summarum: Ich möchte das Angebot von ebay nicht missen. Es gibt genügend ehrliche Sammler und Händler, die den Einkauf zum erfreulichen Erfolgserlebnis machen. Eine generelle Warnung ist absolut unangebracht. Geschenkt bekommt man aber nichts auf ebay. Im Durchschnitt aller Einkäufe zahlt man immer den Marktpreis.
 
Quelle: www.philaseiten.de
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