Thema: Neue Münzen: Schweiz
Richard Am: 06.06.2009 20:09:01 Gelesen: 2138# 1@  
Vom Büro in den Führerstand

Von Franziska Ramser

Der Bund (02.06.09) - Die Faszination der Dampflokomotive ist auch im digitalen Zeitalter ungebrochen. Bei den Schnuppertagen der Brienz-Rothorn-Bahn erfüllen sich Eisenbahnfans den Bubentraum vom Kohleschaufeln.

Für die kleinen Eisenbahnfans gibt es im Restaurant an der Talstation den «Lokiführer-Teller». Ihrem Bubentraum noch näher kommen an diesem Samstag aber drei erwachsene Männer: Stilecht im Heizerkittel, die Schiebermütze auf dem Kopf, stehen sie vor einer Dampflok der Brienz-Rothorn-Bahn (BRB) bereit. Instruiert von den Profis, werden sie einen Tag lang zwar nicht gerade als Lokomotivführer, immerhin aber als Hilfsheizer amten. Die Faszination der Dampflok ist auch im digitalen Zeitalter ungebrochen: Die Kurse der Brienzer Zahnradbahn locken mehrmals jährlich eine Handvoll Fans an . «Da sieht man noch, wie es funktioniert», erklärt Michael Hirsch aus Schaffhausen den Reiz der alten Lokomotive. Bankkaufmann Peter Bloch, der aus Frankfurt für den Schnupperkurs angereist ist, gefällt die in der Handhabung komplexe Maschinerie: «Da dreht man nicht einfach den Schlüssel und fährt los!»

Tatsächlich ist die alte Dame, die den Laien nun in einer kurzen Instruktion nähergebracht wird, ein anspruchsvolles Gefährt: Für die Fahrt aufs Rothorn benötigt sie nicht nur 2000 Liter Wasser und rund 400 Kilogramm Kohle, sondern auch eine Rundumbetreuung durch Lok-Führer, Heizer und Zugbegleiter. Kurt Amacher, der seit bald 30 Jahren als Lokomotivführer bei der BRB amtet, erklärt die Funktionsweise der 1936 gebauten Dampfmaschine: «Im kohlebefeuerten Kessel werden 1000 Liter Wasser erhitzt und verdampft.» Indem er durch eine Heizschlange hin- und hergeleitet werde, erhitze sich der Dampf weiter auf rund 350 Grad Celsius, wodurch sich der Wirkungsgrad verbessere, erklärt Amacher. Die Energiebilanz einer Dampflok ist dennoch katastrophal: Gerade mal vier bis acht Prozent der zugeführten Energie wird in mechanische Arbeit – also in die Bewegung der Kolben, die via Treibstangen auf die Treibräder übertragen wird – umgeformt. So befördert die BRB ihre Gäste im Normalfall auch nicht mit einer kohle-, sondern mit einer ölbefeuerten Lokomotive. Für die effiziente Beförderung in Spitzenzeiten steht zudem eine Diesellok bereit. Nicht so heute: Die drei Schnupperlehrlinge sollen sich so richtig «die Hände schmutzig machen», wie Enrico Tarchini erklärt. Der Heizer ist ein alter Hase, seit 1972 befährt er die Strecke aufs Rothorn und er weiss, worauf es ankommt: «So hält man die Schaufel: rechte Hand hinten, linke vorne. Dann schön füllen, wamm!, und hinein mit der Kohle.» Etwa alle 100 Meter lade er eine bis zwei Schaufeln nach, vor einem Tunnel drei bis vier, erklärt Tarchini. «Nach 38 Jahren hat man das im Gefühl.» Auch die 52 «Schmierstellen» seiner Lok kennt der erfahrene Heizer im Schlaf: Flink fettet er alle nötigen Bauteile – das Prozedere wird vor jeder Fahrt wiederholt.

Dann geht es los, der erste Heizer-Praktikant bezieht neben Tarchini und Lokführer Amacher Stellung vor dem «Füürtööri». Die Aufgabenteilung im Führerstand ist klar: «Der Lok-Führer fährt nur», sagt Amacher. Fürs Bremsen ist der Heizer zuständig. Eine Gegendruckbremse reguliert das Tempo bei der Talfahrt; ist ein Halt nötig, so kann der Heizer mit einer mechanischen Bremse das Gefährt innerhalb einer Bremsstrecke von zehn Metern zum Stehen bringen. «Bei 32 Tonnen Gesamtgewicht ist das aber ein Murks, der der Maschine wehtut», sagt Amacher. Mittlerweile hat sich die Bahn unter Fauchen und Zischen in Bewegung gesetzt und ruckelt mit einer Geschwindigkeit von sieben Kilometern pro Stunde den Berg hoch. Runde eine Stunde würde die Fahrt bis Rothorn Kulm dauern, inklusive eines Halts an der Mittelstation Planalp, während dessen der Zugbegleiter den Wassertank der Lok auffüllt und der Führer die Temperatur des Kessels prüft. «Thermostat gibt es keinen, das machen wir mit dem Handrücken: Wenn ich die Hand auf dem Metall liegen lassen kann, sind es 50 Grad Celsius. Muss ich sie wegziehen, sind es 52», scherzt Amacher. Heute fällt der Zwischenstopp aber weg, denn von der Mittelstation geht es direkt wieder ins Tal zurück – die Schnupperlehrlinge fahren ohne Passagiere.

«Die Brienz-Rothorn-Bahn ist schweizweit die einzige Dampfbahn, die im Regelbetrieb fährt», betont Direktor Simon Koller. Die Zahnradbahn wurde bereits 1892 eröffnet, während des Ersten Weltkriegs aber stillgelegt und erst 1931 wieder in Betrieb genommen. Rund 100 Jahre Betriebszeit kommen so zusammen, und dieses Jubiläum ehrt die Eidgenössische Münzstätte Swissmint mit der diesjährigen Bahn-Sondermünze. Der Dampf, aus dem die Bubenträume sind, ist damit künftig auch in Silber gegossen erhältlich.



Attraktion für Eisenbahnfans und Touristen: Die historische Dampflokomotive der Brienzer Rothorn-Bahn.
(Foto: Manuel Zingg)

(Quelle: http://www.derbund.ch/bern/Vom-Buero-in-den-Fuehrerstand/story/14228234)
 
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