Thema: USA: Doane Stempel
Carolina Pegleg Am: 09.07.2012 03:25:31 Gelesen: 7304# 6@  
Hallo zusammen,

wahrscheinlich braucht es noch ein oder zwei Fortsetzungen, je nach dem wie ich den Rest aufteile, aber wir nähern uns dem Ende. Bevor ich mich Fragen zu Wert, Seltenheit, Forschungsstand, Literatur und "Sonstigen" zuwende, möchte ich in dieser Fortsetzung den für mich kontroversesten Teil bei den Doane-Stempeln ansprechen, die Bedeutung der Nummern. Dabei ist die Frage nicht was die Nummern bedeuten--diese Frage ist geklärt--sondern warum diese Information in die Stempel hinein codiert wurde.

Zunächst eine kurze Zusammenfassung bis hierhin: Doane-Stempel ("Doanes") ist die Bezeichnung für eine bestimmte Gruppe von Stempeln von U.S. Postämter der vierten Klasse, deren charaktistisches Kennzeichen der Entwerterteil mit Balken und einer Nummer ist. Eingeführt wurden sie in der ersten Hälfte 1903, mit der versuchsweisen Verteilung von 500 Stempeln. Ab August 1903 bis August 1906 waren diese Gummistempel dann die Standardaustattung für Postämter der vierten Klasse. Vor Einführung der Doanes nutzten diese Klasse von Postämtern zumeist aus Metall gefertigte Einkreisststempel und separate Killer. Im September 1906 wurden die Doanes von Gummistempeln mit vier Balken aber ohne Nummer abgelöst.

Sieht man von der kurzen Experimentierphase ab, wurden Doane-Stempel also nur drei Jahre ausgeliefert. Innerhalb dieses kurzen Zeitraumes wurden allerdings in etwa 30,000 dieser Stempel an die Postämter verteilt. Die Schätzung der genauen Zahl bereitet ein grosses Problem. In den drei Jahren ihrer Verteilung folgten drei verschiedene Typen dieses Stempels ohne Überlappung zeitlich aufeinander. Die Typen können sehr einfach am Design des Entwerters unterschieden werden. Typ 1 wurde für die ersten 500 experimentellen Stempel und im August 1903 vergeben. Typ 2 wurde von September 1903 bis Juni 1905 zugeteilt. Typ 3 schliesslich gab es von Juli 1905 bis August 1906.

Dies sind natürlich die Zuteilungszeiträume. Verwendet wurden die Stempel bei den Postämtern, die sie erhielten, in aller Regel solange bis sie abgenutzt, verloren, beschädigt oder aus sonstigen Gründen ausgetauscht wurden. Aus der Perspektive eines Stempelsammlers ist diese klare Abfolge von Typen ein wirklicher Glücksfall. Bei einem Typ 2 Doane-Stempel, wie dem nachfolgenden Stempel von Archersfork, Ohio, kann man so beispielsweise voraussagen, dass das Erstverwendungsdatum eines Stempels im Normalfall zwischen September 1903 bis Juni 1905 liegen muss, was die Suche nach Frühdaten sehr erleichtert.



Doane-Stempel, Archersfork, Ohio, Typ 2, Nummer 2, als Eingangsstempel benutzt, 2. Februar 1906.

Die Frage was die Nummern in den Stempeln bedeuten war in der Anfangsphase der Beschäftigung mit diesen Stempeln durchaus unklar. Ohne weiteres möchte man annehmen, das es wenn es z. B. einen Stempel von Idaho, Ohio mit der Nummer 2 gibt, dass es dann auch einen Stempel mit der Nummer 1 geben sollte.



Doane Stempel, Idaho, Ohio, Typ 3, Nummer 2, 24. September 1909.

Die Nummer, möchte man vermuten, soll eine Inventarisierung der Stempel und Zuordnung von Stempelgerät zu Beamten erleichtern. Oder, als alternative Erklärung, vielleicht wurden defekte Stempel gegen Stempel mit höherer Nummer ausgetauscht, so folgt der Stempel Nummer 3 auf Nummer 2 etc. Oder, vielleicht handelt es sich um eine Kennzeichnung von Zweigpostämtern, also Postamt Idaho, Ohio 1, Idaho, Ohio 2 usw.

[Randbemerkung: Wer sich interessiert mag sich ein kurzes Video des Postamtes im Ort Idaho, Ohio, wie es sich heute darstellt, hier anschauen: http://www.youtube.com/watch?v=_Iokg_NRKr8 . Man mag sich die Frage nach eventuellen Zweigpostämtern, dann noch einmal im Ernst vorlegen :). Das einzige was bei dem Video noch fehlt sind Tumbleweed-Büsche, die über die Strasse wehen.]

Wie dem auch sei, alle diese Theorien sind falsch. Postämter der vierten Klasse erhielten standardmässig nur einen einzigen Stempel. Dieser Stempel hat manchmal eine 1, oder eine 2, 3, 4, 5 usw. wobei es allerdings schon den ersten Forschern auffiel, dass wirklich hohe, zweistellige Nummern selten sind. Auch sind Orte, die mehr als einen Doane-Stempel hatten, extrem selten; dies sind z. B. solche Orte, die einen Doane-Stempel als Erstaustattung erhielten und kurze Zeit später, noch innerhalb des dreijährigen Zuteilungszeitraumes, um Ersatz für einen beschädigten oder verlorenen Stempel nachsuchten. Und dabei kam es dann vor, dass der erste Stempel eine 1 zeigte, und der nachfolgende eine 5 ... Diese Nummernzuweisung machte komplett keinen Sinn.

Tatsächlich richtete sich die Nummer im Stempel, wie spätere Forschung etablierte, nach den Gehalt des Postmasters. Im Gegensatz zu den Postmastern und sonstigen Beamten der grösseren Postämter, erhielten die Postmaster der Postämter vierter Klasse nur ein im wesentlichen kommissionsabhängiges Gehalt. Postämtern, bei denen das Jahresgehalt des Postmasters unter $100 lag, wurden Stempel mit der Nummer 1 zugeteilt. Lag das Gehalt zwischen $100 und $200, enthielt der Stempel die Nummer 2, bei einem Gehalt zwischen $200 und $300, die Nummer 3 usw. Bei neueröffneten Postämtern, bei denen noch kein Gehalt bekannt war, wurde die Nummer 1 vergeben.

[Randbemerkung: Wo ich das schreibe, fällt mir ein, dass ich vielleicht von Anfang hätte erklären sollen, was überhaupt Postämter der vierten Kategorie sind. Ich hole das später nach; will jetzt nicht den Fluss unterbrechen].

Die Frage, was die Nummern in den Stempeln bedeuten, ist damit beantwortet. Eine "5" bedeutet, das der Postmaster des Ortes im Jahre der Zuteilung des Stempels ein Gehalt von mehr als $400, aber weniger als $500, bezog. Also, wenn ihr das für irrwitzig haltet, seid ihr nicht alleine. Was für einen Sinn soll es haben, diese Information in den Stempel aufzunehmen? Die Erklärung, die in der Literatur hauptsächlich vertreten wird, teile ich nicht. Sie geht wie folgt: Die Nummer knüpft an das Gehalt des Postmasters an, und das Gehalt des Postmasters, weil es überwiegend auf Kommissionen aus Briefmarkenverkäufen basiert, spiegelt das Geschäftsaufkommen des Postamtes wider. Die Nummer ist damit eine indirektes Mass des Geschäftsaufkommens. Aufgrund dieser Überlegung argumentieren einige Autoren, dass die Nummern dazu dienten den Abnutzungsgrad der Stempel besser verfolgen zu können. Ein Stempel mit der Nummer 1 oder 2 sollte nicht schneller abnutzen ein Stempel mit der Nummer 5 oder 6, und diese Erkentnisse sollten dem Postministerium bei der Frage, ob Doane-Stempel tauglich seien, hilfreich sein.

Ich halte diese Erklärung für Quatsch, und werde meine Meinung wahrscheinlich dann ändern, wenn mir jemand aus dem Postarchiv Korrespondenz beibringt, die diese abstruse Begründung belegt. Meine Erklärung, ebenfalls unbewiesen, ist viel einfacher, ich mss aber ein bisschen ausholen.

Nach sehr vereinzelten Versuchen mit Landpostzustellung (Rural Free Delivery), die es zuvor nicht gab, wurde in den USA ab 1900 nach und nach ein landesweites System der Landpostzustellung eingeführt. Zuvor gab es Briefträger nur in der Stadt, und wer auf dem Land wohnte musste die Post selbst am Postamt abholen. Das RFD-System explodierte förmlich ab Anfang des Jahrhunderts und die Einführung der RFD ist wieder ein Thema was einen ganzen eigenen Beitrag rechtfertigt. Wie dem auch sei, als Bestandteil der Neuerung gab das U.S. Postal Department beginnend ab dem 1. August 1900 an alle Landbriefträger Stempel zur Entwertung der unterwegs auf der Route gesammelten Briefe aus. Diese Verodnung wurde allerdings bereits am 1. Juli 1903 wieder abgeschafft und es wurden keine weiteren Stempel mehr an die Landpostbriefträger mehr ausgegeben. Diese nur kurzlebigen "offiziellen" RFD-Stempeln (im Unterschied zu den Stempeln, die sich die Landbriefträger sich nach dem 1. Juli 1903 ggf. selbst beschafften) waren ebenfalls Gummistempel. Und so sahen sie aus:



Beispiele von RFD Stempeln aus Creston, Ohio, Rome, N.Y., und Bristol, Connecticut.

Es gab bei diesen Stempel über ihren dreijährigen Ausgabezeitrum hinweg ein paar Varianten, aber das grundlegende Design ist immer gleich. Links befinden sich in Linienform die Buchstaben R.F.D., darunter das Ausgangspostamtes der Route (häufig die Kreisstadt), das Datum und die Angabe des Bundesstaates, und rechts ein Entwerterteil mit vier oder fünf Balken, die im Inneren eine Nummer enthalten, die Nummer der Landpostroute.

Leider ist es recht schwierig gut abgeschlagene R.F.D. Stempel zu finden und ich kann nur mit den obigen Beispiele dienen. Troztdem sollte für jeden die Ähnlichkeit des Entwerteiles mit den Doane-Stemplen klar erkennbar sein. Bei den unteren beiden ist der Entwerter wie bei einem Typ 1 Doane Stempel (fünf Balken), der obere ähnelt einem Typ 2 Doane (vier hohle Balken). Bei diesen Stempeln machen die Nummern Sinn. Sie geben die Landpostroute an, da von demselben Postamt in aller Regel mehrere Routen ausgingen. Meine Vermutung ist ganz einfach, dass man sich, als man Anfang 1903 beschloss an die kleineren Postämter ebenfalls Gummistempel auszugeben, aus Gründen der Einfachheit an dem Design und der Ästhetik der R.F. D. Stempel orientierte. Möglicherweise hat der Hersteller, der mit der Herstellung der 500 experimentellen Stempel beaufragt wurde, bei dem Ministerium angefragt "was für eine Nummer soll ich denn in die Stempel machen." Und ohne sich weiteres zu denken, wurde dann gesagt "nimm halt das Postmeistergehalt."

Die Anknüpfung an das Gehalt ist dabei nicht so abstrus, wie es zunächst erscheint, da die Postvorschriften in einer Vielzahl von Zusammenhängen auf diese Kriterium abstellten. Ich stelle allerdings in Frage, dass man sich zu dem Zeitpunkt irgendwas dabei gedacht hat, als man began diese Nummern zu verwenden. Für ebenso wahrscheinlich (ohne weitere Information) wie die oben wiedergegebene vorherrschende Meinung in der Literatur halte ich es, dass der Hersteller die treibende Kraft war, der anscheinend (offensichtlich?) Gussformen oder Teile, die für die RFD-Stempel benutzt wurden, für die ersten experimentellen Doane-Stempel einsetzte. Als dann die Stempel einige Zeit später offiziell angenommen wurde, blieb es dann bei dem Design.

Auch wenn in der Literatur dieser Zusammenhang nicht explizit erwähnt wird, halte ich es für keinen Zufall, dass zum 1. Juli 1903 beschlossen wurde, keine offiziellen Landpoststempel mehr auszugegeben, und praktisch zeitgleich beschlossen wurde, die Postämter der vierten Klasse mit neuen Stempeln auszustatten. Ein grosser Prozentsatz der Postämter, die Ausgangspunkt der Landpostrouten waren, waren Postämter der vierten Klasse. In dem Umfang, in dem die Stempelung nicht mehr von den Landbriefträgern selbst erledigt wurde (und das Postaufkommen überhaupt durch das RFD-System anstieg) war es nötig, die Postämter aufzurüsten. Wie gesagt, dies waren die ersten Duplex-Stempel, die an diese untergeordneten Postämter ausgeliefert wurden. Zuvor musste in zwei Durchgängen, nach amerikanischer Vorschrift, die Marke mit einem Killer entwertet werden und der Orts-/Datumsstempel daneben gesetzt. Die Doanes brachten also für viele Postämter eine grosse Erleichterung.
 
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