Thema: Postbeförderung per Strassenbahn
juni-1848 Am: 11.08.2012 06:32:45 Gelesen: 53964# 3@  
@ juni-1848 [#16]
@ juni-1848 [#17]

Moin, moin,

vorab den Beleg noch einmal in Farbe.



Ich danke Herrn Ulrich Strauß, einem Leonberger Heimatsammler und Autor von "Die Post kam mit der Straßenbahn" (Restauflage bei: [http://www.shb-ev.info/web/index.php] ) für die ausführliche Beantwortung der Fragen 4., 5., und 7. - teils mit Hilfe eines 90-jährigen Zeitzeugen:

Die Stälinstraße lag und liegt im Stadtbezirk Stuttgart-Ost, Stadtteil Ostheim. Das Zustellpostamt ist das PA Stuttgart 13 gewesen (das es heute nicht mehr gibt). Deshalb ist auch der blaue handschriftliche Vermerk korrekt:
"Kurs II Ostheim".

Nur: Das PA 13 gehörte nicht zu den wenigen Innenstadt-Postämtern in Stuttgart, das an die Poststraßenbahn angebunden war. Seit 1929 wurden die Briefe von dort mit Post-LKW zu- bzw. abgeführt.

Der blaue Vermerk hat also mit der Poststraßenbahn nichts zu tun, zumal in der Poststraßenbahn keine Umarbeitung erfolgte, sondern nur verschlossene Postsäcke transportiert wurden.

Ich konnte einen Zeitzeugen befragen, der allerdings auch schon an die 90 Jahre alt ist und nicht mehr alles aus dem Stuttgarter Postalltag weiß. Er sagte aber soviel:

Vor dem Zweiten Weltkrieg und auch noch einige Jahre danach war das Fernsprechamt (FSA) Stuttgart für die Telegrammannahme und -weiterleitung zuständig. Es hatte Motorradfahrer bereit stehen, die die Telegramme im Stadtgebiet zustellten.

An dieses Fernsprechamt wurden aber auch alle Eilbriefe zur Zustellung übergeben, damit diese mit den Motorrad-Kurieren rasch dem Empfänger ausgehändigt werden konnten.

Deshalb befindet sich auf der Rückseite des Eilbriefes auch der Tagesstempel des Fernsprechamtes Stuttgart vom 30.8.1935 - 4 Uhr.

Der diensttuende Beamte vermerkte dann auf der Vorderseite des Briefes in blauer Schrift, dass der Telegrammkurier für den Kurs II nach Ostheim den Eilbrief mitnehmen und zustellen sollte. Das sollte ja nicht sofort um 4 Uhr geschehen, weil der Absender vorschrieb "Durch Eilboten, nicht bei Nacht".
So kam der Brief also in ein Brief- und Telegrammfach für den Kurs II.

Der Telegrammbote namens Walz vermerkte dann um 7 Uhr 50 am 30.8.1935 mit Bleistift auf der Briefrückseite, dass er die Empfängerin, die Ehefrau des Notars Merz, nicht angetroffen hat. Auf der Vorderseite vermerkte er weiter das Datum 30/8 und die neue Anschrift "zur Zeit Wörrishofen", wo der Eilbrief einen Tag später eintraf - und wohl auch ausgeliefert wurde, nachdem über die Kurverwaltung in Bad Wörrishofen die Aufenthaltsanschrift ermittelt werden konnte.

Die Zahlenangaben 306 und 446 dürften Tagebuchnummern sein, mit denen der Eingang bzw. die Weiterleitung beim FSA Stuttgart und beim PA Bad Wörrishofen registriert wurden.

Nicht sofort lässt sich auflösen, weshalb der Eilbrief, der am 27.8.1935 um 15 Uhr in Höchenschwand abgestempelt wurde, erst am nächsten Tag in Höchenschwand (Tagesstempel 28.8. auf der Briefrückseite) Richtung Stuttgart (wohl über St. Blasien und dann Freiburg) abgeleitet wurde und hier wieder erst zwei Tage später beim Fernsprechamt Stuttgart eintraf. Das dürfte aber der Tatsache geschuldet sein, dass am 27.8.35 in Höchenschwand nach 15 Uhr keine Post mehr abging und die Landpostbus- und Zugverbindungen mit Bahnpost und mit Postsackumladung aus dem hintersten Hochschwarzwald noch sehr spärlich waren.


Fazit: Die Beiträge [#16], [#17], und [#19] haben unter dem Thema Rohrpost nichts zu suchen.

Da es kein eigenes Thema "Postbeförderung per Straßenbahn / Tram" gibt, sind sie vielleicht besser unter "Bahnpostmarken und Bahnpoststempel" aufgehoben ?

Die Fragen 1 und 2 aus [#16] sind allerdings noch nicht beantwortet.

Euch allen ein heftiges Wochenende,
Werner
 
Quelle: www.philaseiten.de
https://www.philaseiten.de/thema/4550
https://www.philaseiten.de/beitrag/52995