Thema: Rohrpostbelege
cartaphilos Am: 30.08.2012 00:39:00 Gelesen: 1216624# 784@  
@ juni-1848 [#776]

Guten Abend,

nach einer heftigen pneumatischen Woche komme ich zu meinem Nebensammelgebiet: Posta pneumatica in Italia.

Wir wissen alle, daß es

Milano
Napoli
Roma

sind, wo es Rohrpost seit 1913 gegeben hat. Dazu kommt noch eine kurzfristig in Betrieb befindliche Versuchsstrecke bei der Weltausstellung in Turin 1909.

Das war so ähnlich wie mit der Rohrpost in Karlsbad 1911: 400 Meter Strecke zum Vergnügen der staunenden Sammler.

Ernster wird es mit der großen Unbekannten der Rohrposten auf der italienischen Halbinsel, der Posta pneumatica del Vaticano.

Natürlich gibt es hier auch philatelistische Belege, wie immer vom Vaticano. Doch selbst diese erscheinen mir wahnsinnig selten zu sein. In dreißig Jahren Rohrpostsammeltätigkeit ist mir nur einer untergekommen, auf dem vorderseitig tatsächlich das Zauberwort "pneumatica" stand.

Ich halte übrigens nur Belege Italiens, auf denen auch "pneumatica" steht, für echte Rohrpost. Nur wo pneumatica draufsteht, ist auch pneumatica drin. Alle anderen Zetteleien, vorderseitigen Numeratorstempel, etc. sind zwar alle nett anzuschauen und hochinteressant, sind jedoch nur unter bestimmten Bedingungen auch Rohrpost.

Also als erstes einmal einen Rohrpoststempel vom Vaticano:



Er trägt die Unterscheidungsziffer "1" und einen zweiten mit der Unterscheidungsziffer "2":



Schließlich habe ich auch noch einen absoluten 'Bedarfsbeleg' vom Rohrpostschalter des Postames im Vatikan irgendwann bei ebay im Sofortkauf erwerben können:



Das wars aber auch schon. Ich kann es mir kaum anders vorstellen, aber ich denke, daß die vatikanische Post ebenso gehandelt haben wird wie die römische Post: Was per Röhre hereinkam, bekam auch rückseitig oder bei Postkarten vorderseitig den Rohrpoststempel. Alles andere ist wohl kaum als Rohrpostsendung zu identifizieren. Ich warte nun schon seit Jahren darauf, daß endlich einmal ein Express- oder Rohrpostbrief in den Vatikan oder noch besser vom Vatikan woanders hin meinen Weg kreuzt. Bisher leider vergeblich.

Doch der hier gezeigte Ersttagsbrief enthüllt uns eine wichtige historische Dimension: Der erste Tag der Inbetriebnahme des Rohrpostanschlusses des Vatikan war der 18.2.1977. Die vatikanische Rohrpost dürfte damit die weltweit letzte neu installierte Rohrpost der Welt sein. Als alle anderen schon ihre Röhren demontiert hatten, darunter Wien, Berlin und München, man bereits über die Schließung des fast 400 km umfassenden Pariser Rohrpostnetzes nachdachte, da legte man im Vatikan, schnell wie man auf dem "Stuhl des Hl. Petrus" nun einmal ist, überhaupt erst so richtig los. Die Installation einer vatikanischen Rohrpost vollzog sich übrigens für vatikanische Verhältnisse und in einer heilsgeschichtlichen Perspektive geradezu mit Hochgeschwindigkeit:

Denn es dauerte ja auch noch bis 1992, bis der Vatikan nach 449 Jahren endlich anerkannte, daß Kopernikus und Galileo Galilei recht hatten mit ihrer Vorstellung, daß sich die Erde um die Sonne dreht.

Was sind dagegen die lächerlichen 114 Jahre, die es gedauert hat, von der Installation der ersten Rohrpost in London im Jahre 1863, bis sich der Gedanke von der Nützlichkeit einer solchen Einrichtung nun doch bis zu den heiligen Mauern der Città del Vaticano herumgesprochen hatte. Man setzte schon im Jahre 1977 auf pneumatischen high-speed, während weltweit bereits das Datapost-System für den globalen Kommunikationsaustausch entwickelt wurde.

Zudem: Der 18. Februar 1977 ist dann leider auch der terminus post quem, wenn es darum geht, nach pneumatischen Sendungen in den Vatikan zu suchen. Daß den schlecht lesbaren Stempeln auf der Rückseite der in den Vatikan gerichteten Sendungen die Buchstabenfolge "pneumatica" nicht zu entnehmen ist, liegt einfach daran, daß es vor dem 18.2.1977 noch keinen Rohrpostanschluß zum Vatikan gab.
 
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