Thema: Vereine: Was tun für den Sammlernachwuchs ?
Richard Am: 20.04.2008 08:15:52 Gelesen: 13074# 8@  
Die Lust am Lücken schließen

Von Karina Hoppe

Norddeutsche Neueste Nachrichten, Graal-Müritz (19.04.08) - Der Verein für Philatelie Graal-Müritz besteht seit 51 Jahren. Genauso alt und noch viel älter sind seine Mitglieder. Das soll sich ändern. Im Kampf gegen das verstaubte Imgage des Briefmarkensammels klebt und ordnet eine Gesandschaft des Vereins jetzt mit Kindern in der Grundschule. Ole (10) hat’s schon erwischt: "Es ist so toll, wenn sich die Lücken schließen."

Es ist ruhig in der Ostsee-Grundschule, die letzte Unterrichtsstunde längst gehalten, die Kinder sind zu Hause. Auf den Fluren die totale Stille. Nur aus einem Klassenraum dringen zaghaft ein paar Stimmen. Montag, 15.15 Uhr, die Tür öffnet sich und zu sehen sind: vier Kinder, drei Erwachsene, ein Hund und ein riesiger Haufen von Briefmarken mitten auf einem Tisch. Dazu Zeitungspapier und ein paar halbvolle Schüsseln mit Wasser.

AG Briefmarken

Hier führen Erwachsene Kinder an das Sammeln heran. Eckehard Rottstock (68) sitzt in der Runde, seine Frau und manchmal auch Jörg Blotenberg. Er, der Vorsitzende, ist 38-jährig das mit Abstand jüngste Mitglied im Verein. Dann folgt jemand mit Mitte 50, der Älteste ist 91. Das ist Dr. Karl-Georg Sedl. Er gründete den Verein 1957, damals noch in Warnemünde. Die Zahlen sprechen für sich: "Wir brauchen Nachwuchs."

Briefmarken sind auch Geschichtsunterricht

Was aber sollte Kinder von ihren Play-Stations weglocken? Wie sollen Papierschnipsel mit Zacken dran attraktiver sein als ein sprechendes Barbie-Pferd? Blotenberg sammelt seit 1978 Briefmarken. Er mag dieses Hobby vor allem, "weil ich dabei gut herunterfahren kann". Das Abweichen, Stöbern, Lesen, Sortieren, es beruhigt den Graal-Müritzer.

Und diese Ruhe ist es, die nach seinem Empfinden auch Kindern gut tut. "Gerade für sie muss nicht jede Freizeitbeschäftigung Action sein." Außerdem würden Schüler über das Briefmarkensammeln auch viel Geschichtliches und Geografisches erfahren. "Auf Briefmarken steht, dass es in Köln einen Dom gibt und dass ein Herr Schubert etwas mit Musik zu tun hat." Und dass Mauritius ein Inselstaat im Indischen Ozean ist. Die Blaue Mauritius, Ole (10) kennt sie längst.

Die Blaue Mauritius ist Ole einfach zu teuer

Er würde sie ganz gerne Mal sehen, aber natürlich weiß er, dass sie sehr teuer ist. Deswegen sammelt Ole lieber weiter Briefmarken mit Zügen drauf. "Es ist so toll, wenn sich die Lücken schließen."

Ganz bewusst lassen Blotenberg und Rottstock die Kinder zuerst Motive sammeln. "Das begeistert sie, sie mögen Tiere, Autos oder Blüten." Und wenn sich dann eine Reihe auftut, "fängt es an zu kribbeln". So wie bei Max (9): "Ich sammle Sätze nach Nummern und hab schon ganz schöne gefunden." Bettina (11) sammelt Tiere und Joe Anthony (8), erst seit kurzem dabei, ist auf der Suche nach Action-Figuren. Wie ein Großer sagt er, "so haben wir wenigstens Beschäftigung". Die noch an Briefen klebenden Marken kommen von Vereinsmitgliedern, sie sind von den Kindern selbst ausgeschnitten oder "in einer Kiste von Opa" mit in die Schule gebracht. Manchmal ärgert sich Ole, "weil zu Hause auf den Rechnungen immer keine Briefmarken kleben".

"Echte" Sammler mögen keine Wellen

Nehmen es Sammler ganz genau, stören auch die Wellen von den modernen Frankiermaschinen. "Normalerweise sollte eine Briefmarke einen vernünftigen Stempel haben, gut sichtbar und am besten nicht von einem Briefzen trum", sagt Blotenberg. Aber da sei eben die Frage, wie weit man es treiben will. Und das eben sei ja auch das Schöne: "Man sucht sich selbst aus, was und wie man sammelt."

Blotenberg selbst hortet Briefmarken aus Dänemark, Grönland und welche mit Wildtieren als Motiv. Er freut sich auf die letzten Montage im Monat. Da treffen sich die Philatelisten des Vereins zum Fachsimpeln. Vielleicht bald auch mit Ole und Co.

(Quelle: http://www.nnn.de/lokales/rostock/artikeldetails/article/218/die-lust-am-luecken-schliessen.html)
 
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