Thema: Der Nachbarortsverkehr der Deutschen Reichspost vom 1.4.1900-5.5.1920
bekaerr Am: 23.05.2013 12:43:30 Gelesen: 82727# 6@  
Hallo an alle,

freue mich sehr über die bisherigen Meldungen und Scans.

@ iceland10 [#3]

Vielen Dank für den schönen Beleg, da möchte ich gleich die Gegenrichtung dokumentieren:



Es handelt sich um eine - in meinen Augen etwas rätselhafte Einladung. "Es wird gebeten in Couleur zu erscheinen". :-) Vielleicht kann jemand bei der Entschlüsselung der Abkürzung "M. L. a. H. S. C." helfen?



Die Verbindung zwischen dem zum Reichspostgebiet gehörenden Mannheim und dem damals noch bayerischen Ludwigshafen war eine der wenigen grenzüberschreitenden Nachbarortsverbindungen. Daneben waren ab 1.4.1900 zugelassen:

Altenwald - Schnappach
Ebernburg - Münster am Stein
Kreuzwertheim - Wertheim
Maxau - Maximiliansau
Schnappach - Sulzbach

Belege Ludwigshafen-Mannheim und anders herum findet man immer wieder mal, alle anderen sind vermutlich seltener als der Schwarze Einser. Das Postaufkommen dieser Orte dürfte aufgrund der geringen Einwohnerzahl auch nicht besonders groß gewesen sein.

@ volkimal [#4]

Du bringst es genau auf den Punkt! Ich habe mich immer gefragt: Wie erkenne ich den Unterschied? So richtig konnte mir das niemand erklären. Das hat mich dann gereizt, der Sache auf den Grund zu gehen, weil es ein Thema war, das offensichtlich noch gänzlich unbeackert war.

Zu Württemberg:

Der Württembergische Nachbarortsverkehr war bis 1919 gänzlich anders strukturiert. Ich bin da nicht ganz so sattelfest, aber der dortige Nachbarortsverkehr richtete sich lange Zeit nach der Entfernung. Dazu gehörten Briefsendungen in einem Umkreis von (ich glaube) 10 km - bitte korrigieren, falls falsch - lag. Dann gab es noch den sog. Oberamtsverkehr. Dieser beinhaltete ermäßigte Briefsendungen, die das Gebiet eines Oberamtes nicht verließen. Vielleicht können die Württemberg - Spezialisten hier noch genauere Angaben machen? Diese Württemberger Besonderheiten änderten sich laut Handwörterbuch des Postwesens erst ab 1.7.1919. Ab diesem Datum sollte der Nachbarortsverkehr - analog zum Reichspostgebiet - nur noch zwischen bestimmten, von der Postverwaltung zugelassenen benachbarten Postorten gelten. Leider ist es mir bisher nicht gelungen, ein Verzeichnis solcher Zulassungen zu finden.

Zur Frage NOV oder OV zwischen Stuttgart und Cannstatt: Ich tippe eher darauf, dass sich Status nicht verändert hat, da eine politische Eingemeindung nicht zwangsläufig die postalische Vereinigung zur Folge hatte. Im Gebiet der Reichspost gibt es eine ganze Reihe von Beispielen, in denen der Nachbarortsverkehr zwischen Postorten neu zugelassen wurde, die jedoch schon lange vor dieser Zulassung politisch in der gleichen Gemeinde oder Stadt lagen. Eine seriöse Antwort kann man aber nur geben, wenn man definitiv anhand von Quellen nachweisen kann, wie lange der Postort Cannstatt tatsächlich eigenständig war. Ein Indiz können die Angaben im "Hass: Deutsche Postorte ..." sein. Dort ist bei Cannstatt bis 1920 keine "Ortsnamenänderung" verzeichnet. Das spricht für meine These, bestätigt sie aber nicht zu 100%, denn eine Ortsnamenänderung bedeutet nicht zwangsläufig den Verlust der Eigenständigkeit.

Um die Verwirrung komplett zu machen: Im ersten Verzeichnis vom 1.4.1900 wurden u. a. folgende Nachbarortsverbindungen zugelassen:

Borgholzhausen 1 (Ort) - Borgholzhausen 2 (Bhf)
Bordesholm (Ort) - Bordesholm (Bhf)
Bremen-Horn - Bremen-Woltmershausen

Das sind nur drei Beispiele von einigen Dutzend! D. h., allein aus der postalischen Benennung ist der postrechtliche Status nicht eindeutig zu ermitteln. Dazu später sicher noch mehr.

Zum Inhalt kann ich Dir leider nicht weiterhelfen. :-(

Dein zweites Beispiel würde sich auch in meiner Sammlung gut machen, er paßt hervorragend zu folgendem Beleg:



Postkarte von Kirchhain (Niederlausitz) nach Dobrilugk vom 30.1.1903 Das ist echter Nachbarortsverkehr, die Zulassung wurde veröffentlicht am 1.4.1900. Zu Deinen Angaben kann ich noch ergänzen, dass beide Postorte 1950 in der DDR zur Doppelstadt "Doberlug-Kirchhain" zusammengelegt wurden. Die Namensänderung von Dobrilugk nach Doberlug wurde 1937 vollzogen, da der slawische Ursprung des Ortsnamens politisch unerwünscht war. (Quelle: wikipedia)

Im Gegensatz zu vielen anderen Nachbarortsverbindungen handelt es sich hier um eine singuläre Verbindung, d. h. die Verbindung bestand nur zwischen diesen beiden Postorten.

Beste Grüße,

Bernd
 
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