Thema: Der Nachbarortsverkehr der Deutschen Reichspost vom 1.4.1900-5.5.1920
bekaerr Am: 27.05.2013 13:27:24 Gelesen: 82167# 15@  
@ guy69 [#10]
@ Rainer HH [#11]
@ Rainer HH [#13]

Hallo zusammen,

vielen Dank für die Frage und die Antworten. Sowohl Frage und auch Antworten zeigen die Schwierigkeiten bei der Abgrenzung der jeweiligen Definitionen. Der "Nachbarortsverkehr" galt nur vom 1.4.l900 - 5.5.1920. Die Karte in guy69 [#10] kann demnach kein Beleg aus dem Nachbarortsverkehr sein. Auch die in den Beiträgen Rainer HH [#11] und Rainer HH [#13] aufgeführten Ortspaarungen sind keine Verbindungen des Nachbarortsverkehrs. Dennoch hat Rainer Recht, wenn er schreibt, dass zwischen diesen benachbarten Orten das ermäßigte Ortsporto galt! Die Lösung liegt in der postamtlichen Definition. Das Handwörterbuch des Postwesens (1953) schreibt dazu auf S. 442 unter Nachbarorstverkehr:

"... Der Nachbarortsverkehr hat im ganzen Deutschen Reich zu bestehen aufgehört. ... Jetziger Rechtszustand: Vom 1.4.1921 an sind zwar ... ermäßigte Gebühren für Postkarten und Briefe wieder eingeführt worden; der frühere Nachbarortsverkehr ist aber nicht wieder aufgelebt. Der auf Grund des Gesetzes über Postgebühren vom 19.12.1921 seit 1.1.1922 zugelassene Ortsverkehr zwischen Orten, die baulich zusammenhängen, aber durch die Zugehörigkeit zu verschiedenen Ländern gehindert sind, sich zu einer Gemeinde zusammenzuschließen, kann nicht als Nachbarortsverkehr gelten. Es handelt sich dabei vielmehr um einen erweiterten Ortsverkehr, worüber der Wortlaut des Gesetzes vom 19.12.1921 § 1 Abs. 2 keinen Zweifel aufkommen läßt."

Für den Postbenutzer machte es zwar keinen Unterschied, ob es "Nachbarortsverkehr" hieß, oder "erweiterter Ortsverkehr", Hauptsache die Kosten waren gering. Für die Post war dies aus rechtlichen Gründen offenbar jedoch immens wichtig, da das Handwörterbuch diesen rechtlichen Unterschied gleich mehrfach betont.

Ich persönlich halte mich an die Sichtweise der Post, da es sich in der Tat um zwei völlig verschiedene Dinge handelt. Der wichtigste Unterschied ist der, das beim späteren "erweiterten Ortsverkehr" nur Ortspaarungen zugelassen werden konnte, die in jeweils verschieden Gliedstaaten (zuerst des Deutschen Reichs, später der Bunderepublik) lagen und sich deshalb politisch nicht zusammenschließen konnten. Das zeigt sich allein schon an der Anzahl der zugelassenen Verbindungen. Die von Rainer genannte Aufstellung nennt schon die meisten davon. Im Vergleich dazu gab es im vorherigen "Nachbarortsverkehr" über 2.600 (!) Verbindungen.

Eine Übersicht über die Verbindungen des "erweiterten Ortsverkehrs" wurde von ein paar Jahren in der Rundschau der Arbeitsgemeinschaft Forschung Deutsche Bundespost abgedruckt.

Zwischenfrage: Gibt es die Möglichkeit, Excel-Tabellen in die Beiträge einzubauen? Dann könnte ich den aktuellen Forschungsstand veröffentlichen. Ansonsten für alle Interessierten: Ich sende Euch gerne die Tabelle mit den EOV-Daten per E-Mail.

Es gibt übrigens eine ganze Reihe von Ortspaarungen, die erst in den Genuß des "Nachbarortsverkehrs" kamen und später vom "erweiterten Ortsverkehr" profitierten, z. B. Mannheim-Ludwigshafen (siehe bekaerr [#6]) und:



Zwischen Mainz und Wiesbaden dagegen existierte kein Nachbarortsverkehr zwischen 1.4.1900 und 5.5.1920.

Mit Abschaffung des ermäßigten Ortsverkehrs im Bereich der DBP zum 28.2.1963 wurde gleichzeitig auch der EOV abgeschafft.

Beste Grüße,
Bernd
 
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