Thema: Schnörkelbriefe: Petschaftsstempel als Zeichen für Portofreiheit 1797
bayern klassisch Am: 13.06.2013 11:36:53 Gelesen: 3937# 2@  
@ roteratte48 [#1]

Lieber Rolf,

ich repräsentiere sicher nicht das geballte Wissen des Forums, aber meine private Meinung dazu will ich dir nicht verschweigen.

Poststellen hatten zur Prüfung, ob Schreiben aufgegeben wurden, die keine besonderen, adressseitigen Portofreiheitsvermerke (Franchisen) aufwiesen, aber dennoch portofrei zu belassen waren, immer eine Liste von Petschaftsabschlägen im Original vorliegen, nach deren Abgleich Briefe folglich portofrei oder portopflichtig gemacht wurden. Dies hat die Aufgabepost offensichtlich mit dem Ergebnis getan, dass in der Portofreiheitsliste das für mich schwer zu erkennende Siegel vorhanden war. Damit war der Brief offiziell als portofrei zugelassen.

Zu Zeiten derer von Thurn und Taxis, als die Briefspionage noch gang und gäbe war, waren die amtsbekannten Stempelschneider sogar verpflichtet, was der Auftraggeber gar nicht wusste, zwei identische Siegel anzufertigen. Der Auftraggeber bekam aber nur seines, das andere bekamen die Handlanger von Thurn und Taxis. Damit konnte man einen Brief der Persönlichkeit, die ihn aufgab, problemlos öffnen, ihn lesen und kopieren. Die Kopie wurde nach Wien geschickt (oft an von Metternich). Danach wurde er mit dem zweiten Petschaft verschlossen und kein Mensch konnte ahnen, dass es erbrochen worden war. Diese taxischen Geheimdientstellen nannte man die schwarzen Kabinette.

Zurück zu deinem schönen und interessanten Brief. Weil damals niemand spaßeshalber ein Siegel irgendwo vorn oder hinten abschlug, halte ich es für äußerst wahrscheinlich, dass der Absender portobefreit war und dies durch den Abschlag seines Siegels bestätigen wollte. Die Aufgabepost akzeptierte das und alle nachfolgenden Posten hatten den Brief ohne Taxbelastung von der Aufgabepost zukartiert bekommen und wussten daher, dass er auch ohne Transitporto weiter zu leiten war.

Auch hätte der Empfänger einen mit Porto belasteten Brief überhaupt nicht angenommen, denn die Majestäten seiner Zeit zahlten bekanntlich nichts.

Liebe Grüsse von bayern klassisch
 
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