Thema: Saalauktionen: Ergebnisse viel zu niedrig - wer ist schuld daran ?
bayern klassisch Am: 04.07.2013 11:29:52 Gelesen: 58647# 51@  
@ zackeingo [#47]

Hallo zackeingo,

auch wenn Pommes in seiner gewohnt souveränen Art schon einiges beantwortet hat, möchte ich zu deinem Statement einiges sagen:

Wie hoch ist denn der Anteil der Sammler, die sich hochwertiges klassisches Material überhaupt leisten können? Sie reden hier von einer elitären Gruppe.

Wenn es in der Gesellschaft keine Elite gäbe, gäbe es auch keine Sammler, denn ein Mensch, der am Existenzrand lebt, kauft und sammelt keine Briefmarken, der hat andere Sorgen.

Davon abgesehen: Wie würde sich ein Auktionshaus über Wasser halten, wenn es nur FDC und ETB von Bund und Berlin anböte? Wohl eher schlecht als recht, wenn es überhaupt am Markt bleiben würde.

Wenn du dich bei Bund und Berlin gut auskennst, was ich nicht bezweifle, darfst du mir ebenso zugestehen, dass ich mich am Klassikmarkt gut auskenne, weil ich in diesem schon seit über 30 Jahren Auktionskunde bin und über Kontakte zu einer 3stelligen Sammlerzahl verfüge, die nichts anderes macht, wie ich auch. Wäre dieser Markt so nebensächlich, wie du ihn hier beurteilst, gäbe es nicht viele Dutzend Auktionshäuser, die ihren Stamm an Kunden in eben diesem Bereich ansiedeln.

Nach wie vor bekommen doch die meisten Sammler schon beim Anblick eines Posthornsatzes glänzende Augen. Nach Ihrer Meinung ist offensichtlich alles nach 1945 Ramsch.

Ob sich das Glänzende in den Augen von Bundsammlern beim Anblick eines Posthornsatzes auf die Möglichkeit des Erwerbs, oder auf einen erhöhten Tränenfluß bezieht, weiß ich nicht. Die Sammler, die mal viele Tausend DM für ihn bezahlt haben, wünschen sich diesen Satz zum Teufel, weil sie sehen, dass ihr "Investment" voll in die Hose gegangen ist. Wer ein echter Sammler ist, der verschmerzt einen Realverlust von 40, 50 oder 60% locker, denn er hat ja damals gekauft, was er wollte.

Wenn sich das Wort "Ramsch" also auf Marken beziehen sollte, die früher teuer waren und jetzt für einen Bruchteil ihres alten Einstandspreises zuhauf zu finden sind, dann ist dieses Wort, das aus meinem Munde nie gefallen ist, vielleicht gar nicht so schlecht gewählt. Das aus dem Mund eines Bundsammlers zu lesen, ist allerdings schon etwas gewöhnungsbedürftig und ein Klassiksammler, der etwas auf sich hält, würdigt nicht Sammelobjekte fremder Art herab.

Die absolute Mehrheit sammelt Bund. Die nicht organisierten vereinslosen Sammler sind dabei doch eindeutig in der Mehrheit und kaufen Ihre Briefmarken an den Postschaltern und der Versandstelle.

Ich bezweifle nicht, dass die Mehrheit Bund sammelt. Auch werden, immer weniger zwar, aber immer noch hinreichend, Marken bei Versandstellen und am Schalter gekauft. Aber diese Sammler, und mögen sie noch so zahlreich sein, machen keine Marktpreise. Marktpreise machen die, die es können, nicht die, die eine Leerstelle in ihrem Vordruckalbum füllen.

Wer die Mechanismen in dem Geschäft noch nicht begriffen hat, begreift auch nicht, was er ökonomisch tut, in dem er so sammelt. Wenn dein Freund 270.000 Euro zusammen gekauft hat, dann hat er doch recht viel Geld in die Hand genommen, um diesen Katalogwert zu erzielen. Wer mit viel Geld etwas macht, von dem er wenig versteht, hat große Chancen, etwas dummes zu tun, das trifft auf alle Gebiete zu, bei denen Geld eine Rolle spielt.

In erster Linie doch, weil es ihnen Spaß macht. Wer allerdings viel Geld investiert hat, kann zumindest den Respekt der Mitsammler erwarten und kein runtermachen "Ist doch alles Müll".

Ich hatte nicht von Müll gesprochen. Alle philatelistischen Sammlungsgegenstände haben ihren Reiz, nur halt nicht für jeden. Ich habe auch keinen "runtergemacht", sondern nur meine Einschätzung der Lage zu vermitteln versucht. Dabei stehe ich wohl nicht allein, wenn ich mir die Sammlerfreunde dieses Forums betrachte, die vergleichbar argumentiert haben.

Respekt verdient man sich nicht, in dem man viel Geld hat oder viel Geld in die Hand nimmt und dann irgendetwas zusammenkauft.

Respekt verdient man sich, in dem man ein guter Sammler wird, wissend wird und anderen hilft, dies auch zu werden. Diese Sammler verdienen meinen Respekt, jedenfalls mehr, als alle anderen.

Wenn es keine Sammler mehr für moderne Ware -Marken oder sog. Kartonphilatelie- gibt, geht auch die Klassikphilatelie zugrunde. Also immer positiv denken oder zumindest reden.

Das halte ich für ein Gerücht und hätte gerne den Beweis für die Richtigkeit dieser Hypothese gesehen. Wenn morgen 100 Bundsammler ihre Sammeltätigkeit einstellen, interessiert das keinen Klassiksammler, wie umgekehrt die Abkehrt mehrere großer Sammler von Altdeutschland keinerlei Auswirkungen auf den Markt bei Bund und Berlin haben wird. Äpfel und Birnen?

Zum positiven Denken: Jeder Sammler, der sein Geld für diesen Luxus ausgibt und ich gebe vielleicht mehr dafür aus, als manch andere, ist doch ein positiv denkender Mensch, denn er kann mit seinem Geld machen, was er will und der Möglichkeiten gibt es zahllose, trotzdem entscheidet er Tag für Tag neu, sich eine Freude über die Brücke zur Philatelie zu machen und nimmt dafür vieles in Kauf. Wenn das kein positives Denken ist, dann weiß ich es auch nicht mehr.

Wenn ich, wie manche Sammler und dein Freund vielleicht auch, immer das Dollarzeichen im Auge hätte, hätte ich vor vielen Jahren weder ein Album, noch eine Pinzette oder gar einen teuren Katalog kaufen sollen, sondern das Ersparte in Wertpapieren, Immobilien oder Edelmetallen anlegen sollen. Aber welche Freude hätte ich daraus gezogen? Bekommt man nette Kontakte zu Gleichgesinnten, wenn man 100 kg Gold auf der Bank liegen hat? Wird man allgemein geschätzter, weil man das 5. Haus gekauft und sofort weitervermietet hat? Liebt einen der Computer, der einen automatisierten Depotauszug verschickt, weil das ihm zugrunde liegende Wertpapiervermögen schon siebenstellig ist? Ich glaube kaum.

Geld ist nicht die ultima ratio - es ist die Freude am Leben, an seinem Hobby, den Kontakten, den interessanten Gesprächen, den neu gewonnenen Freunden, der Horizonterweiterung und und und. Geld ist nur Mittel zum Zweck. Wer das begriffen hat, sammelt vielleicht ab morgen anders.

Was unserem Vereinsmitglied passiert ist, könnte auch vielen anderen passieren. Ist vielleicht schon?

Ich schrieb es ja schon zuvor - das passiert 1000 mal im Jahr, oder häufiger. Vielleicht nicht auf der Basis eines Katalogwertes von angeblich 270.000 Euro, aber dann halt auf kleinerer Ebene und die ist eher schmerzhafter, als die von dir genannte. Wer 30 Jahre lang liebevoll, aber mit wenig Sachverstand, gesammelt hat und im Alter denkt, er könnte sich durch einen Verkauf bei einem Auktionshaus die Rente aufbessern, der wird u. U. nach fünfminütiger Einsicht in seine Alben leicht erblassen, weil kein Interesse an dem Gebotenen besteht. Aber lamentieren in eigener oder fremder Sache hilft nicht weiter - ein Fehler wird nicht dadurch ausgemerzt, indem man sich permanent über ihn beklagt, sondern indem man ihn zukünftig vermeidet. Auch darin kann der Sinn einer erfolgreichen Sammlertätigkeit liegen.

Liebe Grüsse von bayern klassisch
 
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