Thema: Belege aus der eigenen Familiengeschichte
volkimal Am: 09.07.2013 09:45:35 Gelesen: 308141# 30@  
Hallo zusammen,

auch auf diesem Brief an meinen Urgroßvater sind die preußischen Zählmarken zu 2 Pfg. und 3 Pfg. aufgeklebt. Obwohl der Brief von der Kreisstadt Dobrilugk (heute Doberlug-Kirchhain) zu dem 6 km entfernten Friedersdorf geschickt wurde, musste er nur als Ortsbrief freigemacht werden. Das lag daran, dass Friedersdorf kein eigenes Postamt hatte, sondern vom Postamt Dobrilugk aus versorgt wurde.



Als Pastor war mein Urgroßvater nach damaliger Ordnung automatisch auch königlich preußischer Ortsschulinspektor für Friedersdorf und die Filialen Rückersdorf und Gruhno. Auch der Absender des Briefes, der königlich preußische Kreisschulinspektor war hauptberuflich ebenfalls Pastor, denn es war der Schlossprediger Schmidt aus Dobrilugk. Mein Großvater schreibt in seinen Lebenserinnerungen:

Im Allgemeinen stand sich Vater mit den Lehrern gut. Er ließ Ihnen vor allem möglichste Freiheit. Nur vor Ostern musste er Schülerprüfung halten. Da erkundigte er sich vorher bei Mutter nach Steppnaht, überwendlicher Naht u.a., um auch einige sachkundliche Fragen bei Vorlegung der Nadelarbeit der großen Mädchen zu tun. Einmal erzählte er uns, es sei gerade geglückt, den Nordpol zu erreichen, er habe es gerade heute früh in der Zeitung gelesen; bis herauskam: das war ein "Aprilscherz" der Zeitung vom 1. April gewesen.

Für die 100 Schüler der Dorfschule in Friedersdorf gab es damals übrigens nur einen Lehrer. Die Schüler wurden deshalb in zwei Abteilungen unterrichtet: von 6-9 Uhr die 10-14 jährigen und danach von 9-12 Uhr die Kleinen.



Diesen Brief, an die königliche Kreisschulinspektion war an den Schlossprediger Schmidt aus Dobrilugk gerichtet. Der Brief kommt von der königlichen Regierung aus Frankfurt (Oder). Auch hier wurde eine preußische Zählmarke verwendet, in diesem Fall die 10 Pfg.-Marke für Briefe im Fernverkehr. Urgroßvater hat ihn wohl als Briefmarkensammler von Herrn Schmidt geschenkt bekommen. Über den Schlossprediger Schmidt schreibt Großvater:

Zu unserer „Umwelt“ gehörten auch die benachbarten Pfarrfamilien. Es gab ein offiziöses „Pfarrkränzchen“. An dem beteiligten sich die Eltern nicht, weil ihnen zu umständliche und kostspielige Gastereien damit verbunden waren. Aber von Pfarrhaus zu Pfarrhaus wurde viel verkehrt. Bei Schlossprediger Schmidts in Dobrilugk waren wir nur selten; die Kinder waren schon erwachsen. Es mutete uns immer sehr „fein“ bei ihnen an. Uns imponierte, dass er oft zwei Brillen trug und uns dadurch streng prüfend anschaute.

Viele Grüße
Volkmar
 
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