Thema: (?) (203) Kriegsgefangenenpost
roteratte48 Am: 21.06.2008 10:02:41 Gelesen: 252649# 29@  
Hallo Peter,

es ist wie immer - beim Schreiben kommen Untertöne nicht mit rüber, ich hätte beim "hübschen Text" wohl Ironie-Tags setzen sollen. Gemeint war natürlich die fast schmerzhafte Ironie, einem unter Extrembedingungen lebenden Kriegsgefangenen aufzuoktruieren, eine Verlegung in ein anderes Lager (oder schlimmeres) "sofort unter Angabe der Referenznummer etc." zu melden. No hard feelings!

Dank Deines Querverweises auf das Rote Kreuz hab ich mich mit der Suche etwas leichter getan und bin vorerst auf zwei Quellen gestossen. Zum einen ein Buch der bekannten Elsa Brandström über die Bedingungen und Vorschriften in sowjetischen Lägern 1914 - 1920; zum andern eine im PDF-Format vorliegende Datei von Georg Wurzer, Ehingen - Dissertation zur Erlangung des akademischen Grades Doktor der Philosophie an der Uni Tübingen im Jahre 2000. Titel: "Die Kriegsgefangenen der Mittelmächte in Russland im ersten Weltkrieg". Dort heisst es u.a. auf Seite 154:

"Die Geldüberweisungen an die Gefangenen erfolgten über verschiedene Kanäle, beispielsweise über die Deutsche Bank und Schweden. Der offizielle Wechselkurs betrug 2,50 Kronen für einen Rubel. In dem Befehl für den Turkestanischen Militärbezirk vom 15. 5. 1915 wurden die Gebiets- und Kreiskassen angewiesen, die Krone zu 15 Kopeken, die Mark zu 30 Kopeken, die Goldkrone zu 39 und die Goldmark zu 46 Kopeken zu tauschen. Die Angaben zu dem tatsächlichen Tauschkursen, die die Gefangenen beim Wechseln ihrer Gelder bekamen, differieren stark, von 38 Rubeln für 100 Kronen in Frontnähe bis zu 25 Rubeln in Turkestan. Auch die Geldsendungen gaben Anlaß zu den verschiedensten Klagen. Sehr häufig heißt es, daß die Gefangenen die Benachrichtigung über das Eintreffen von Geldern erhalten hätten, ohne sie ausbezahlt zu bekommen, oder gar daß sie auf Druck des Lagerkommandanten Quittungen über den Erhalt von Geldern hätten unterzeichnen müssen, ohne sie ausbezahlt zu bekommen.

Kunewälder beispielsweise bemängelt hingegen nicht die Zuverlässigkeit, sondern die Langsamkeit der Geldsendungen nach Irkutsk-Gorodok: „Geldsendungen erreichten fast immer den Empfänger, doch dauerte es wochenlang, bis das Geld ausgezahlt wurde,selbst auch dann, wenn man den Scheck von der Schwedischen Bank in Stockholm bereits erhalten hatte. Unter anderem wurde den Gefangenen angeblich in den Lagern in Charkov, Krasnojarsk und Omsk ihr Geld vorenthalten. In einer Liste der Beschwerden der Kriegsgefangenen beim 5. Sibirischen Schützen-Reserve-Bataillon in Verchne-Udinsk, tauchen 29 Kriegsgefangene mit Klagen auf, alle ausschließlich über den Nichterhalt der ihnen angekündigten Geldsendungen. Öfters hatten sie die Nachricht über das Eintreffen der Gelder bei der örtlichen Post erhalten, in einigen Fällen war ihnen von zuhause geschrieben worden.

Interessant sind die Erläuterungen des Bataillonskommandeurs zu den Klagen. In 15 Fällen schrieb er, beim Bataillon sei keine Benachrichtigung eingetroffen. Die Dauer der Geldsendungen läßt sich teilweise genau ermitteln. Beispielsweise trafen die 2 R. 85 K., die Paul Fischer am 9. 12. 1914 von zu Hause gesandt worden waren, nach zweieinhalb Monaten, am 23. 2., beim Bataillon ein.Bei der Auszahlung der Geldbeträge kam es wohl in der Tat zu Unregelmäßigkeiten, denn die Hauptverwaltung des Generalstabs schrieb am 25. (12.) 6. 1915 an den Stabskommandeur des Irkutsker Militärbezirks, im Augenblick habe das Zentrale Auskunftsbüro für Kriegsgefangene beim Russischen Roten Kreuz Gründe anzunehmen, daß bei den lokalen Postbehörden bedeutende Mengen an Überweisungen aufbewahrt würden, die von dem genannten Büro gesandt worden wären, aber aus irgendwelchen Gründen die Adressaten nicht erreicht hätten. Um eine unnötige Verzögerung der Überweisungen zu verhindern, bitte das Büro die lokalen Militärbehörden den entsprechenden Posteinrichtungen mitzuteilen, daß die nicht abgeholten Überweisungen sofort an das Zentrale Auskunftsbüro für Kriegsgefangene zurückgesandt werden sollen. So werde eine unerwünschte Anhäufung von Überweisungen bei den Postbehörden vermieden."

Nachfolgend noch die Scans der beiden verwendeten Zensurstempel - für jede Hilfe dankbar! Sollte dieser Beitrag einige Member hier genervt haben - ich bitte um Nachsicht. Nicht ich hatte die Karte hier eingestellt - das Team war an mich herangetreten mit der Frage, ob man das Thema hier aufgreifen könne, dem habe ich natürlich zugestimmt.

Gruss an alle, Rolf


 
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