Thema: Weissrussland: Briefmarken und ihre Geschichten
Wim Ehlers Am: 09.09.2013 17:27:46 Gelesen: 17208# 7@  
Post aus Minsk

Gerade erhielt ich von Wladimir aus Minsk die Fortsetzung unserer kleinen Reihe. Hier sein Text:



Angaben aus dem Michel-Katalog: 1992, 9.Juni. Freimarke: Historische Wappen, RaTdr, (10x10); gez. K 12:11¾, Auflage 2 250 000 Weitere Werte: MiNr 37, 72-73

Offensichtlich ist dem Michel-Katalog ein Fehler unterlaufen. So wird als Datum der 9.Juni angegeben. Das Katalog der Weißrussischen Post gibt dagegen den 9.Juli an. Dazu werden im Katalog der weißrussischen Post die Angaben zur Zähnung nicht 12:11¾ wie im Michel-Katalog, sondern als 12:12½ angegeben.

Diese weißrussische Freimarke sollte offensichtlich eine Serie beginnen. Das nicht die Hauptstadt Minsk, sondern eine mittelgroße Stadt eine Serie mit ihrem Wappen eröffnete, hatte seine Gründe.

Polozk gilt als die älteste Stadt auf dem Territorium Weißrusslands. 862 erstmals urkundlich erwähnt, schon als Zentrum eines Fürstentums, wird es als eine Art Wiege der weißrussischen Staatlichkeit betrachtet, wenn man versucht, diese mit alten Chroniken zu untermauern. Damals gab es jedenfalls keine russische, weißrussische oder ukrainische Nationen. Ostslawen lebten in Stämmen und Polozk war eines der Zentren des Stammes von Kriwitschi (danach nennen die Letten die Russen krievi).

Heute rangiert Polozk mit 82,5 Tausend Einwohnern auf dem Platz 17 in der Liste der Städte Weißrusslands. Aber die Stadt spielt immer noch eine wichtige Rolle im geistigen Leben des Landes. So wurde Polozk zur kulturellen Hauptstadt Weißrusslands für das Jahr 2010 erklärt.

Die bekanntesten Töchter und Söhne der Stadt sind die heilige Euphrosyne, der weißrussische Erstdrucker Franzisk Skorina, der Meister der altrussischen Dichtkunst Simeon Polozkij. Polozk unterhält Städtepartnerschaften mit Friedrichshafen, Baden-Württemberg seit 1990.

Die Unterschrift auf der Marke lautet: “ Altertümliches Wappen von Polozk”. Dieses Wappen erhielt Polozk im Jahr 1498. In ihrer Geschichte hatte die Stadt verschiedene sehr unterschiedliche Wappenvarianten, bis sie 1994 wieder zu diesem alten Wappen zurückkehrte. So stellt das Stadtwappen ein dreimastiges Schiff mit silbernen Segeln auf den silbernen Wellen dar. Das Wappen kann man so deuten: Polozk liegt an der Düna, die eine der wichtigsten Handelsadern Osteuropas war. Deswegen spielte Polozk eine wichtige Rolle im Außenhandel, besonders mit den deutschen Städten an der Ostseeküste.

Erst die zweite Briefmarke dieser Wappenserie (MiNr 37, 1993) wurde Minsk, der Hauptstadt der Republik (gleichzeitig das Zentrum eines gleichnamigen Gebiets), gewidmet. 1994 folgten noch zwei Briefmarken dieser Serie – mit den Stadtwappen von Gebietszentren Grodno (MiNr 72) und Witebsk (MiNr73). Logisch gesehen, sollten nach diesen drei Gebietszentren weitere folgen. Seit 1960 teilt sich Weißrussland in sechs Gebiete. Das heißt, Brest, Grodno und Gomel haben damals ihre Briefmarken nicht bekommen.

Aus nicht bekanntem Grund wurde die Serie eingestellt. Ich kann hier nur meine Vermutungen darlegen. Der Maler; der diese Markenserie gestaltete, Mikola Kupawa, ist als eine der führenden Persönlichkeiten der weißrussischen nationalistischen Bewegung bekannt. Das fand seinen Ausdruck darin, dass er beiderseits des Landesnamens BELARUS eine Art weiß-rot-weiße Flagge darstellte. Das sind die Farben der weißrussischen Nationalisten und seit dem 19.September 1991 war das die Staatsfahne der Republik Belarus. Infolge des Referendums vom 14. Mai 1995 sprach sich das Volk gegen diese Symbole aus. Ich kann mir nur schwer vorstellen, dass der Maler Kupawa, der in schärfster Opposition zum Präsident Lukaschenko war, eingegangen hätte, diese weiß-rot-weißen Streifen von den Entwürfen seiner nächsten Marken zu entfernen. So konnte die Serie erlöschen. Erst 2001 erschienen die Stadtwappen der weiteren Gebietszentren auf den Briefmarken, jedenfalls in einem anderen Design.

Diese Freimarke wurde nicht zu einer Dauermarke. Die erste Dauermarkenserie begann im November 1992 mit den kleinen Briefmarken mit dem Staatswappen (MiNr 14-16 usw.), die mit Auflagen über 20 Millionen erschienen.
 
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