Thema: Philotax / Schwaneberger: Der Streit um die Michel Nummern
drmoeller_neuss Am: 03.10.2013 15:55:42 Gelesen: 43611# 7@  
Schön, dass der Schwaneberger Verlag schreibt "Wir sind nach wie vor der Meinung, ... " oder "Der Schwaneberger Verlag geht auch davon aus, dass die allgemeine MICHEL-Nummerierung nach wie vor urheberrechtlich geschützt ist."

Warum schreibt der Verlag nicht einfach, "Die geltende Rechtssprechung ist der Meinung"?

Der Schwaneberger Verlag versucht, den Leser durch geschicktes Vermischen von Fakten und eigener Interpretationen zu verunsichern und einzuschüchtern, um doch noch Lizensgebühren für seine Nummierung kassieren zu können. Hier werden "Wettbewerbsrecht" und "Urheberrecht" vermischt, und auch der "zeitlich/technische Aufwand von ca. 45 Minuten für einen Briefmarken-Neuheitensatz" bezieht sich ja nicht alleine auf die Vergabe einer Michel-Katalognummer, sondern beinhaltet auch die Erfassung aller anderen Daten zu der Markenausgabe einschliesslich eines Preisansatzes. Niemand, auch nicht der BGH haben bestritten, dass diese Informationen urheberrechtlich geschützt sind. In dem BGH-Urteil ging es alleine um die Verwendung der Michel-Katalognummern durch den Philotax-Verlag. Es spielt im übrigen keine Rolle, ob die Nummern ausschliesslich oder nur als Referenznummern verwendet werden.

Wolfgang Maassen hat die Fakten in seinem Kommenatar auf den Punkt gebracht, den ich hier aus "Phila historica 3/2013" zitieren möchte:

Dabei ist die Grundsystematik doch keine schöpferisch schützenswerte Leistung, nicht nur, weil diese bereits vorher da war. Denn das Vollständigkeitsprinzip ergibt sich aus der Sache. Dieses in eine Struktur – z.B. der zeitlichen Abfolge, der Abfolge höherer Wertstufen zu bringen – ebenso. Einzelne Wertstufen nach Farben, Papieren, Wasserzeichen etc. zu untergliedern, führten bereits Kataloge des 19. Jahrhunderts, besonders die Senf-Kataloge, ein. Diese machten in ihren Welt-Katalogen die a, b, c- oder A, B, C-Nummern etc. zum Standard, den Hugo Michel später nur für seinen Europa-Katalog übernahm und im Einzelfall, aus welchen Gründen auch immer, abänderte.

Dass MICHEL seitdem ebenfalls kleine Veränderungen vornimmt, macht aus dem Gesamtsystem der Nummerierung kein neues System, bestenfalls sind es Detailabweichungen. Ob selbst diese – wie das Urteil an einer Stelle zu Bedenken bringt – für sich allein schützenswert sind, wäre wirklich erst noch nachzuweisen, – nahe liegt es nicht. Denn dies ist noch weniger eine schöpferisch-geistige Eigenleistung, es steht auf noch niederem Niveau. Auch in der Bundesrepublik hat sich MICHEL überwiegend an die Abfolge der von den amtlichen Herausgebern angekündigten Abfolge der Marken gehalten. Selbst heute noch. Wenn das Bundesfinanzministerium drei, vier oder fünf Sondermarken zum gleichen Termin herausgibt, dann stellt MICHEL zwar schon einmal die dritte angekündigte Sondermarke hinter die vierte, – das war es dann aber schon an „geistigschöpferischer“ Leistung, soweit es die daraus resultierende Weiterführung der Nummernabfolge betrifft. Zu Recht beanstandet das OLG dies als Fehlen einer schöpferischen Leistung.


Ich möchte abschliessend die Aussage aus der ersten Pressemitteilung des Schwaneberger Verlages zitieren:

Die Annahme einer „wesentlichen“ Erweiterung und Ergänzung der Markenheftchen-Nummerierung durch den Schwaneberger Verlag hat das Oberlandesgericht München und ihm folgend der BGH (letzterer ohne Begründung) verweigert. Dies im wesentlichen deshalb, weil die Markenheftchen-Nummerierung der MICHEL-Kataloge aufgrund der wenigen nach 1983 herausgegebenen Markenheftchen nach Ansicht des Oberlandesgerichts München nicht ausreichend erweitert und die bestehende Markenheftchen-Nummerierung bis 1983 nicht in ausreichendem Maße ergänzt wurde.

Ein Blick in einen Michel-Deutschland-Katalog widerlegt diese Aussage: Bis 1983 sind etwa 20 Markenheftchen im Sammelgebiet Bund erschienen, bis 2006 waren es schon 64 Heftchen laut Michel-Zählung. Zwei Drittel der Heftchen erschienen also nach dem Stichtag im Jahre 1983, von "wenigen Heftchen" kann da nicht die Rede sein. Warum diese "Tiefstapelei" durch den Schwaneberger Verlag an dieser Stelle?

Der Schwaneberger Verlag wäre gut beraten, sich mit der Rechtssprechung und den Fakten abzufinden. Dieses Urteil könnte dem Verlag sogar noch helfen, mehr neue Kataloge zu verkaufen: Man könnte in den neuen Katalogen auch Scott- oder Yvert-Katalognummern als Referenz angeben.

Es bleibt spannend: Wie geht der Schwaneberger Verlag mit der neuen Situation um? Sind die Lizensgebühren für den wirtschaftlichen Fortbestand des Verlages von grosser Bedeutung, oder ging es bei diesem Streit nur um das Prinzip? Wie reagiert der Philotax-Verlag und andere Wettbewerber auf die Situation? Und zu guter letzt: Ist unser Verband, der BDPH bereit, Arbeitsgemeinschaften und Privatleute gegen unberechtigte Forderungen des Schwaneberger Verlages zu verteidigen?
 
Quelle: www.philaseiten.de
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