Thema: Philotax / Schwaneberger: Der Streit um die Michel Nummern
drmoeller_neuss Am: 09.12.2013 20:19:41 Gelesen: 40488# 52@  
Der Schutz des geistigen Eigentums ist ein wichtiger Pfeiler unserer Gesellschaftsordnung. Die Kunst ist es, eine vernünftige Grenze zwischen den Interessen des Urhebers und der Gesellschaft zu ziehen. Ein zu strenger Schutz behindert den freien Wettbewerb, ein zu lasches Vorgehen betrügt alle Geistesarbeiter um die Früchte ihrer Arbeit.

Der Werkbegriff des § 2 Abs. 2 UrhG ist nicht scharf formuliert und lässt viel Spielraum für Interpretationen. Was sind "persönliche geistige Schöpfungen"? Werke müssen eine bestimmte "Gestaltungshöhe" aufweisen, um eine schützenswerte Individualität und Originalität zu erreichen. Davon werden sie von reinen Handwerksleistungen abgegrenzt.

Unstrittig sind sowohl Michel-Kataloge als auch Philotax-Kataloge "persönliche geistige Schöpfungen" im Sinne dieses Gesetzes. Bloss bei welchen Katalogteilen setzt man an? Man könnte schon die alphabetische Sortierung der Länder oder die Einteilung in acht Europa-Kataloge als schützenswert bezeichnen. Der zeitliche Aufwand für die Entwicklung eines Ordnungssystemes ist nur ein Kriterium, das erst in der Summe mit anderen Punkten einen Schutz bewirkt. Nicht jede handwerkliche Leistung führt zu geistigem Eigentum.

Der Bundesgerichtshof hat entschieden, dass die chronologische Durchnummerierung von Briefmarken eine handwerkliche Leistung darstellt, die aber keinen Urheberschutz auslöst. Im Fall des erwähnten Ganzsachenkataloges Osteuropa ist man von diesem Schema abgewichen, die rechtlichen Konsequenzen für die Katalognummern müssten in einem neuen Verfahren diskutiert werden. Darum geht es aber hier nicht. Der Schwaneberger Verlag hat zu verstehen gegeben, dass es ihm auch darum geht, Konkurrenten vom Halse zu halten.

Es gibt zahlreiche andere Beispiele von Werken, die Geistesarbeit und handwerkliches Geschick erfordern, aber doch nicht schutzfähig sind, weil sie die vom Gesetz verlangte Schöpfungshöhe nicht überschreiten.

Mir fällt hier an erster Stelle das System der Telefonnummern ein. Die Anpassung der Telefonnummern von der alten Vermittlungstechnik mit Ortsvorwahlen auf die Herausforderungen der modernen Telekommunikation, wo jeder Bürger das Anrecht hat, seine einmal zugewiesene Telefonnummer sein Leben lang behalten zu können, auch wenn er mehrmals umzieht oder den Anbieter wechelt, ist eine herausragende Leistung, die viele Mannjahre an Aufwand gekostet hat. Trotzdem haben die obersten Gerichte entscheiden, dass das System der Telefonnummern keine schützenswerte Leistung darstellt.

Als Philatelist fällt mir das Postleitzahlensystem ein. Erfinder war die Deutsche Bundespost. Die Deutsche Post der DDR hat es wenige Jahre später verfeinert, und die verschiedenen Zustellpostämter für Grossstädte noch zusätzlich berücksichtigt. So wird das Postleitzahlensystem von vielen Ländern der Welt noch heute verwendet, ohne dass die Deutsche Post AG als Rechtsnachfolger irgendwelche Ansprüche erhebt.

Und zuletzt sind auch Fahrpläne nicht schützenswert, obwohl Spezialisten von der Deutschen Bahn und anderen Verkehrsträgern monatelang an der Abstimmung der Fahrzeiten arbeiten.

Im Interesse der Philatelie wäre ein weltweit einheitliches Nummernsystem von Vorteil. Das würde die Katalogherausgeber nicht davon abhalten, noch weitere Unternummern zu vergeben, wenn zum Beispiel Plattenfehler oder Papierunterschiede katalogisiert werden sollen. Dadurch würde kein Katalog weniger verkauft, da die Katalogpreise in vielen Fällen unterschiedlich sind.
 
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