Thema: Philotax / Schwaneberger: Der Streit um die Michel Nummern
drmoeller_neuss Am: 07.01.2014 15:00:08 Gelesen: 39104# 70@  
Der Schwaneberger Verlag versucht nach dem verlorenen Prozess wieder Boden gutzumachen. Solche Erklärungen können dann schon etwas länger ausfallen und Übertreibungen enthalten oder Mitleid mit der Redaktion erwecken. Das ist nicht anders zu erwarten: Auch Nestle würde in einer blumigen Sprache erklären, warum es auf der Welt so einmalig ist, eine kleine Portion Kaffee in eine Aluminiumkapsel abzufüllen und warum das niemand anderes darf. Unpassende Punkte lässt man einfach weg, wie die Frage nach dem Kaffeepreis pro Kilo, der dank der kleveren Hülle aus einem unedlen Metall einen dreistelligen Eurobereich erreicht.

Nun zu den Übertreibungen: Da ist von einer "gewaltige Datenmenge" und "leistungsfähigen Computer mit hoher Rechenleistung" die Rede. Nun, jedes halbwegs vernünftige Smartphone muss mit diesen Datenmengen zurechtkommen, damit der Benutzer auf dem Display nicht nur Pixel, sondern brilliante Photos zu Gesicht bekommt.

"Auch muss zwischen Blocks und Kleinbogen, Markenheftchen und Folienblättern etc. unterschieden werden. Dazu haben wir Kriterien entwickelt, mit denen wir festlegen, welches Objekt in welche Kategorie einzuordnen ist." Auf die Kriterien und deren konsequenter Anwendung warten wir noch heute. So mancher Kleinbogen wurde zum Block erklärt, damit die Albenverlage ein weiteres Albenblatt verkaufen können.

Und der Rest des bisweilen langatmigen Textes beschreibt den Alltag einer Redaktion, die Briefmarkenkataloge herausbringt. Am Ende des Tages resultiert ein Datensatz, der in der Gesamtheit schützenswert ist. Die Katalognummer ist nur ein kleiner Teil dieses Datensatzes, den Datenbankspezialisten als "Unique ID" bezeichnen, auf Deutsch die eindeutige Kennzeichnung, damit der Datensatz in anderen Werken zitiert werden kann. Dieser "Kennzeichner" entspricht den üblichen Regeln der Technik, Datensätze einfach durchzunummerieren. Auf die Nummer "2453" folgt die Nummer "2454". Autoren rechtswissenschaftlicher Schriften nummerieren die einzelnen Kapitel mit Randziffern durch. Die folgen dem gleichen Schema wie Katalognummern. Sind diese Randziffern als solches schützenswert, obwohl in einem juristischen Kommentar eine riesen Menge geistiger Leistung steckt?

Auch das zweite Beispiel einer komplexen Katalognummern beschreibt den Alltag und das Handwerk einer normalen Katalogredaktion. Der Michel-Katalog hat die Abkürzung der Länder mit Buchstabenkombinationen nicht erfunden, da war der Weltpostverein schneller und BIZO für Bizone dürfte naheliegend sein. Die Reihenfolge der Nummern folgt den Wertstufen, auch das Prinzip ist nichts Besonderes. Ich erinnere mich an die guten alten Postämter in meiner Kindheit, die immer einen Schaukasten mit den verfügbaren Marken hatten. Der Heinemannsatz war selbst auf dem kleinsten Postamt nach Wertstufen sortiert. Auch dieses Kriterium dürfte wohl nicht schützenswert sein. Dann gibt es verschiedene Zeichnungen, die mit römischen Zahlen gekennzeichnet werden. Man hätte auch hebräische Ziffern verwenden können. Und über die Reihenfolge, ob man zuerst nach Wasserzeichen und dann nach Zähnung oder lieber umgekehrt unterscheidet, kann man diskutieren, ein besonderen Rang hat die Entscheidung aber nicht.

Summa summarum, die Michel-Redaktion liefert sauberes Handwerk ab, in dem viel Aufwand und einiges Herzblut der Redakteure steckt.

Das Urheberrecht stellt auf die Schöpfungshöhe ab, die aus der Masse des Banalen, des Alltäglichen hinausragt. Entscheidend ist nicht der Aufwand, sondern der Gestaltungsspielraum und die Individualität, die dem Werk zu Grunde liegen. Und der ist in einem Briefmarkenkatalog gar nicht so hoch. Das Wort "Briefmarkenkatalog" sagt es schon aus, was da hineingehört oder nicht: Vignetten und Stempelmarken sind keine "Briefmarken" zur Vorausbezahlung von Postgebühren. Der Scott- oder der Yvert-Katalog treffen auch keine anderen Auswahlkriterien. Über Einzelfälle lässt sich immer streiten.

Mein Fazit: Der Schwaneberger Verlag hat in diesem Artikel keine neuen Argumente gebracht, warum die Katalognummer als solches einen urheberrechtlichen Schutz geniesst.

Und nochmals: Der handwerkliche Aufwand für die Erstellung eines Kataloges ist kein Kriterium. Auch Fahrplandaten und Telefonbücher geniessen kein Urheberrecht, obwohl ihre Erstellung kosten- und zeitintensiv ist.
 
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