Thema: Mitgliederzahl im BDPh Bundesverband weiter rückläufig
DL8AAM Am: 07.04.2014 17:57:41 Gelesen: 106366# 101@  
Wenn wir mal ehrlich sind, gefühlte 90% der Mitglieder (nicht nur im BDPh) sind im Verein, weil der Verein - wie heisst es so schön in Neudeutsch - ein Social Network ist. Man trifft, bzw. traf sich regelmäßig zum Klönen und Bierchen, man hat dort seine Freunde. Die Leute blieben meist auch in aller Regel dabei, selbst wenn sie zeitweise inaktiver wurden, sich die Interessen verlagerten oder man wegzog. Weil es eben "mein" Verein war und ist. "Junge Mitglieder" treten heutzutage oftmals schon aus, wenn sie auch nur ein Auslandssemester machen wollen. Echte Vorteile bzw. Angebote des Vereins haben die wenigsten Mitglieder wirklich in Anspruch genommen. Vereine waren schon immer nichts anderes als ganz normale Social Networks. Zumindest war das in der Präinternetuniversum so.

Heute treffe ich meine Freunde, Bekannten und Hobbykollegen im bzw. über das Netz, die lokalen Kumpels zusätzlich noch persönlich - wofür ich aber nun wirklich keinen Verein benötige. Wie einer meiner Vorschreiber schon so schön sagte "Das Internet ist nun mein Verein" (Foren/Chatrooms/Facebook und seine Ableger etc.). Das "Vereinsbedürfnis" der Menschen als soziales Wesen (Social Network) ist aber geblieben. Und nein, das Internet ist eben nicht unpersönlich, es eröffnet sogar eine viel breitgefächerte Möglichkleit eines Freundes- oder Bekanntenkreises. Ich schreibe und skype mich mich mit Hobbykollegen in den USA in Echtzeit, als ob es meine Vereinsfreunde von Nebenan sind. Den Grad der "persönlichkeit" legt - genau wie in einem 100 Mann (und ein Befehl)-Verein das jeweilige Individum fest. Wir reden hier nicht von "wer hat die meisten Facebook-Freunde". Man kann im "neuen Verein" sogar viel flexibler reagieren und ausweichen, als in einem "Ortverein" und sich damit wohliger fühlen. Das Internet hat in den wenigen Jahren seiner Existenz einen ebenso großen Einfluß auf alle Bereiche der Gesellschaft genommen, wie seinerzeit die industrielle Revolution, einige Wissenschaftler meinen sogar, das dieses die Gesellschaft noch stärker umkrempelt, als die Erfindung des Faustkeils oder der Dampfmaschine. Wenn ich mir aber die Briefmarkensammler auf der Ortsebene anschaue, kann man sich irgendwie des Gefühls nicht ganz erwehren, dass sich einige vollkommen von der Gegenwart selbst abgehängt haben bzw. diese sogar gänzlich ignorieren.

(Lokale) Ausstellungssammlungen mit, mit Schreibmaschinen geschriebenen Texten sind oft noch der Standard, teilweise sieht man sogar noch Handgeschriebenes. Es gibt nach 20+ Jahren immer noch etliche, die weder Internet noch einen PC haben und das in einem Hobby das nach eigenem Selbstverständnis von Informationen "lebt" und uns fortwährend bildet. Gut nicht jeder kann oder mag ein PC-Spezialist werden, muss er ja auch nicht. Das ist nur ein Werkzeug, dass der einzelne mal besser, mal schlechter einsetzen kann. Nicht jeder der einen Schraubendreher nutzt, ist auch gleich ein guter Maschinenbauer.

Für das traditionelle Vereinswesen sehe ich leider schwarz. Sich darauf einzustellen ist eine Herkulesaufgabe, für die ich für viele "Vereinsbereiche" eigentlich kaum eine mögliche Lösung sehe. In vielen Vereinssparten werden wir wohl, als die letzte Mitgliedergeneration den Laden zuschließen müssen. Gerade am letzten Wochenende wurde im örtlichen Werbeblatt ein Artikel über den DARC (Amateurfunk) Ortsverein Northeim veröffentlicht, dessen Mitgliederschaft in wenigen Jahren von über 80 auf 28 geschrumpft ist, ganz ohne "Krach mit Austrittswellen". Und das in einem "hochtechnischen" Hobbysegment, in dem der Verband sogar eine hobbynotwendige Lobbyarbeit - auch gegenüber der Politik - macht und machen muss. Im Gegensatz zu uns, eine Lobby für das Briefmarkenhobby selbst ist existentiell nicht nötig. Die Post macht was sie "braucht", unabhängig davon was eine BDPh-Lobby dazu sagt. Das alles ist absolut kein Problem unserer Briefmarkensammlervereine, was uns aber auch nicht der Ideensuche "Zukunft" entbinden darf. Hier in Südniedersachsen stehen in fast allen Dörfern Werbetafeln der Feuerwehren "stell Dir vor es brennt und keiner kommt", nachdem sich inzwischen in etlichen Dörfern die Freiwilligen Feuerwehren auf Grund des Mitgliedermangels aufgelöst haben.

Es gibt zwar einzelne positive Ausnahmen, aber das steht und fällt meist mit dem Engagenment von wenigen Einzelnen, die dann z. B. auch "ihre Kumpels mitziehen" können. Leider oftmals ohne echte Nachhaltigkeit, sobald der Macher wegzieht oder es "Beziehungsstress" gibt, fällt das wieder in sich zusammen. Solche 5-6 Jahresblasen konnte man hier in einem anderen Verband recht gut "studieren", leider. :-(

Das klingt nicht wirklich sehr hoffnungsvoll, aber wer weiss, vielleicht dreht sich das wieder. Vieles verhält sich wie eine Welle - auch das menschliche Verhalten. Kürzlich stand in der Zeitung, dass Soziologen festgestellt haben wollen, dass unter jungen Erwachsenen die Stießigkeit als wünscheswertes, bewusst ausgewähltes Lebensmodell wieder Einzug hält, nicht nur in der Werbung. Also Augen zu und Durchhalten, vielleicht müssen wir in 5 Jahren wieder Mitglieder-Wartelisten einführen.

Gruß
Thomas
 
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