Thema: Vorphilatelie: Schnörkelbriefe und andere Belege aus der Vorphilazeit
roteratte48 Am: 06.08.2008 18:23:58 Gelesen: 306036# 17@  
@ Stempelwolf [#16]

Hallo Wolfgang,

wiederum ein schöner, seltener Beleg, den Du uns hier zeigst! In der Anschrift die übliche Gestaltung ("Unseren lieben getreuen Herren Bürgermeistern und Gericht zu Kürchheim am Neckher [Kirchheim/Neckar]") - rs. die Inhaltszusammenfassung, die Lieferung der "gefallenen accisen betreffend", mit Einlieferungstermin 2. März 1670 und Präsentationsvermerk vom 28. Februar.

Der Inhalt ist, glaube ich, soweit verständlich, dennoch zwei, drei Anmerkungen: Der Begriff "Fronfasten Cinerum" wird hier zur Zeitbestimmung verwendet, im nicht-sakralen Bereich war das Fronfasten ein vierteljährlich wiederkehrender Termin (im ursprünglichen Sinne ein jeweils dreitägiges Fasten, welches das kirchliche Jahr in vier Jahreszeiten aufteilte, jeweils Mittwoch, Freitag und Samstag nach Aschermittwoch, nach Pfingsten, nach dem 14. September und nach dem 13. Dezember). "Cinerum" steht als Kürzel für "dies cinerum" = Aschermittwoch.

Die Fron selber war eine Dienstleistung, die unentgeltlich gegenüber einem Dienstherren beispielsweise erbracht werden musste - schon damals aber war häufig die zu erbringende Dienstleistung durch Ablösung in eine Art Steuer umgewandelt worden. Der rs. verwendete Begriff der Accise bedeutet letztlich nichts anderes - eine Steuer allgemein, auch Impost genannt. Krünitz definiert: "die landesherrliche Anordnung eines Beytrages der Unterthanen zur Bestreitung gemeinschaftlicher Bedürfnisse, z. E. Steuer, Schatzung, Tribut, Zoll Zinsen; eine jede von der Obrigkeit verordnete Auflage, besonders auf bewegliche Güter; Fr. Impôt, Ital. Imposta. Die Waaren mit vielen Imposten beschweren, d. i. Accise, Zoll u. s. f. Von Seiten der Unterthanen versteht man unter Impost oder Accise die Abgaben an die Obrigkeit."

Briefe mit gedrucktem Inhalt gibt es schon sehr viel früher - noch vor Gutenberg hat man wichtige Nachrichten, die gleichlautend an viele Empfänger gingen, in Form von Einblattdrucken vervielfältigt. "Relativ" häufig finden wir dann Schreiben wie das Deine ab Mitte des 16. Jahrhunderts. Kirche und Landesherren verwendeten sie insbesondere bei der Abwicklung von Steuerfragen. Selten und begehrenswert für Sammler bleiben sie allemal!

Gruss und schönen Abend an alle - Rolf
 
Quelle: www.philaseiten.de
https://www.philaseiten.de/thema/798
https://www.philaseiten.de/beitrag/8333