Thema: Philatelistische Jugendarbeit in diesen Zeiten
Mentor Am: 13.04.2014 12:46:50 Gelesen: 25662# 47@  
Teil I

Bei der Arbeit in unseren Briefmarkenkindergruppen haben wir einen völlig anderen Ansatz als andere Jugendvereine oder Interessengruppen. Wir sprechen unsere Kinder über alles an, nur nicht über Briefmarken.

Als Leiter der Regionalen Netzwerkes Integration und leidenschaftliche Briefmarkensammler, hatte ich die Erkenntnis im Kopf, dass Kinder untereinander (ohne Schule) besser und schneller lernen. Es musste „nur“ ein Aufhänger her, der Migrantenkinder mit deutschen Kindern zu unverdächtiger Wissensvermittlung zusammen führt.

Die Briefmarke.

Briefmarken sind schön bunt, bilden jede Art von Thema und Motiv ab, vermitteln Wissen in Geografie, Mathematik, Deutsch, Geschichte (!), lenken Aufmerksamkeit auf globale und nationale Probleme und können zu einer ungemein spannenden Freizeitbeschäftigung entwickelt werden.

Nun ist ja Berlin, wie wir alle wissen, die Hauptstadt einer der entwickeltsten Industrienationen dieser Erde. Berlin ist arm, sexy und unglaublich international. Kontakte über Migrantenfamilien in andere Länder zu bekommen ist leicht und spannend.

Eine andere gute Möglichkeit bieten solche Plattformen wie Colnect, Catawiki und viele Andere, um international Kontakte zu knüpfen. Die haben doch auch Kinder. Ich meine, dass alle Kinder dieser Welt, ein deutsches Kind als Freund/in zu gewinnen für erstrebenswert halten. Das bewahrheitet sich.

So ist eine Kindergruppe, die Kontakte und Freundschaften zu deutschen oder/und Kindern anderer Nationen finden wollen schnell gebildet. Skype und den Yahoo Messanger haben sie oder Irgendeiner in der Familie.

Treffen verabreden und los. Die Zeitverschiebung ist dabei eines der interessantesten Sachen. Kann man länger aufbleiben. Viele Kinder wissen erst durch diese Aktion, dass es eine Zeitverschiebung gibt. Passen in der Schule halt nicht auf.

Das erste Treffen läuft so ab, dass die Kinder einzeln vor die Webcam treten und sich mit Hilfe der englischen Sprache vorstellen. Wer das nicht kann darf vorerst nur winken und seinen Namen sagen. Sport ungemein an sich mit der Sprache zu beschäftigen. Bei den Eltern ein Riesenplus für unser Konzept.

Das vorgegebene Thema heißt Briefmarken sammeln und tauschen. Gut dass es das gibt, denn schnell nach der Vorstellung sind die Sprachkenntnisse erschöpft und es muss der Betreuer moderieren. Ich kann mich an eine Gruppe in Vietnam erinnern, in der an einem darauf folgenden Treffen fast 120 Kinder und Erwachsene da waren, weil in unserer Gruppe einige blonde Kinder zu sehen waren. Die waren dann die Stars.

Viele, ja die meisten dieser Kinder haben noch niemals eine Briefmarke besessen, wenn gleich sie natürlich wissen, was das ist. In Vietnam verdient man durchschnittlich 60 EUR im Monat. Sehr viele müssen mit 30 EUR klarkommen, es gibt Multimillionäre wir überall.

Eine Marke, die in Deutschland für 2-10 Ct. gekauft wird und noch mal 1 EUR Versandkosten verursacht stellt für kleine Vietnamesen (insgesamt Südostasien) ein kleines Vermögen dar. Das spornt unsere Kinder und deren Eltern zu Solidarität an, lässt bisweilen tiefe Gefühle entstehen und stärkt so auch die Entwicklung sozialer Kompetenz. Wir tragen also die Versandkosten hin wie her und schenken viele Marken und kleine Alben.

Durch 8 Stunden Zeitunterschied sind die Treffen an den Wochenenden und in den Ferien. Ich weilte 2009 für fast ein Jahr in Vietnam auf Einladung der Provinzregierung in Bac Giang. Ich habe die Sprache erlernt und die ersten Kindergruppen in Ha Noi, Bac Giang und Hai Phong selbst gebildet.

Die Aussicht einen Freund oder Freundin aus Deutschland zu gewinnen, lässt Kinder behaupten, nie etwas lieber gewollt zu haben als Briefmarken zu sammeln. Das färbt auf unsere Kinder ab. Marken aus Vietnam sind bei unseren Kindern heiß begehrt, weil oft sehr farbenfroh und schöne Motive.

Die Kinder bedanken sich mit Aufführung von Volkstänzen und singen Kinderlieder. Das machen unsere natürlich nicht, weil total uncool für Deutsche. Die Aufführungen der Kinder aus Vietnam, Nepal, Laos und Thailand werden aber gern gesehen und für abgefahren befunden.

Die Gruppen aus Westeuropa sind nicht so aktiv wie die aus den Osteuropäischen Ländern. Hier bilden teilweise die entstandenen Kinderfreundschaften die Basis für Freundschaften der Eltern bis zu gegenseitigen Besuchen. Ob die Kinder einmal Leidenschaft entwickeln oder nicht ist uns nicht so wichtig, wie der Umstand, dass diese Kinder sich ein Leben lang an ihren Briefmarkenklub erinnern werden und ihre kleine oder große Kindersammlung immer und immer wie einen Schatz hegen werden.

Hans
 
Quelle: www.philaseiten.de
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