Thema: (?) (2894) Altdeutschland Bayern: Schöne Belege
bayern klassisch Am: 21.06.2014 15:02:41 Gelesen: 1056493# 376@  
Liebe Sammlerfreunde,

vor der ersten Express - Verordnung war dieses Thema keines, bei dem man seitens der Führung in München oder der Oberpostämter glaubte eingreifen zu müssen, denn was auf einer unteren Ebene (Poststall, Postamt, Postexpedition) statt fand, interessierte Mittel- oder gar Oberbehörden nicht die Bohne.

Daher waren alle Briefe mit entsprechenden Vermerken (Cito, Citissime, Sofort zu bestellen, per Expresse, dringend, Terminsache usw.) bei der Aufgabe ganz gewöhnlich zu behandeln, denn die expresse Bestellung interessierte ja nur die Abgabepost.

Anders war es bei dienstlichen Schreiben, die ja die quantitative Mehrheit damaliger Postsendungen darstellte und deren Charakter eine hin und wieder eine besondere Dringendheit denkbar erscheinen lässt.

Vor der Verordnung vom 19.5.1848 kenne ich nur die vom 16.4.1847, die sich auf den Wildwuchs der privaten Expressbriefe bezog. 1848 war geregelt worden, dass Dienstexpressbriefe, die durch die Absenderbehörde (also nicht durch die Post!) mit dem Vermerk "dringend, sehr dringend oder citissime oder einer anderen, die besondere Wichtigkeit der Sendung bezeichnenden Bemerkung zu versehen waren", von der Aufgabepost "ohne besonderes Verlangen" zu recommandiren waren" und bei der Abgabepost "unverzüglich, auch ausser den gewöhnlichen Bestellzeiten bei Tag und Nacht an die Adresse zu bestellen waren".

Was die Praxis angeht, zeigt sich, dass es mehrere Dienstbriefe gibt, die zwar die entsprechenden Vermerke aufweisen, aber NICHT recommandirt wurden.

Nun gibt es zwei Möglichkeiten: 1. hat man seitens der Aufgabepost einen Fehler begangen und dies zu tun unterlassen, oder 2. hat man ihn, trotz Auszeichnung, nicht als Expressbrief angesehen, nicht recommandirt und auch bei der Abgabepost wie einen gewöhnlichen Brief normal ausgetragen.

Gegen letztere Variante spricht, dass praktisch alle von mir eingesehenen Dienstbriefe mit entsprechenden Vermerken einen Inhalt hatten, der ihre Dringlichkeit klar offenbarte, teils waren diese so wichtig, dass man in ihnen lesen konnte, dass sie per Expressen am Tage der Aufgabe bzw. am Tage des Abgangs auch noch zugestellt würden!

Des weiteren kann ich mir nicht vorstellen, dass die zahlreichen Beamten Bayerns, die ja bei allen möglichen Dienststellen tätig waren, zuhauf sinn- bzw. wirkungslose Expressvermerke kritzelten, die dann doch keine interessierten und ihren dienstlichen Interessen entgegenlaufen mussten, wenn die Briefe liegen blieben.

Aber darüber kann man auch gerne diskutieren.



Heute zeige ich einen Dienstbrief aus Neustadt an der Haardt von 1844 nach Deidesheim, der den Vermerk "R.S. dringend", also Regierungs - Sache dringend = Express trägt. Leider ist kein Inhalt mehr vorhanden, aber das Landcommissariat Neustadt war dem Bürgermeisteramt in Deidesheim natürlich weisungsbefugt, umgekehrt war das nicht so (der geneigte Postgeschichtler kann auch mal schauen, wer wem Expressbriefe zukommen ließ und wird feststellen, dass dies praktisch immer von oben nach unten oder auf gleicher hierarchischer Ebene geschah, aber so gut wie nie von unten nach oben, obwohl es dafür auch Möglichkeiten gab).

Liebe Grüsse von bayern klassisch
 
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