Thema: Philatelie in der Presse - Auktionen (Sammelbeitrag)
Richard Am: 08.09.2008 19:37:57 Gelesen: 133778# 11@  
Geflogene Unikate unterm Hammer: Wie der Auktionator Johannes E. Palmer zum Spezialisten für Luftpost wurde

Von Oliver Heider

HZ-Online.de (05.09.08) - "Die Briefmarke flüstert, der Brief dagegen erzählt": In Pfaffenhofen bei Neu-Ulm hat sich der Auktionator Johannes E. Palmer auf Luftpost spezialisiert - und bringt Sammler aus aller Welt zusammen.

Johannes E. Palmer sitzt an einem massiven Holzschreibtisch in seinem "begehbaren Tresor", wie er sein Büro nennt. Im Untergeschoss seines Hauses im Pfaffenhofener Ortsteil Biberberg (Landkreis Neu-Ulm) hat er sich sein Arbeitszimmer eingerichtet. Mit den höchsten Sicherheitsvorkehrungen: Stahlgitter vor den Fenstern, Alarmanlage, Bewegungsmelder, tonnenschwere Stahltür. Das ist kein Wunder, denn in den Aktenschränken in diesem Büro schlummern kleine Schätze.

Der 44-jährige Palmer ist Auktionator und hat sich auf Luftpost, auch Aerophilatelie genannt, spezialisiert: Briefe, Karten oder Postmarken, die mit verschiedenen Fluggeräten befördert wurden - etwa per Zeppelin, Gas- und Heißluftballon, Katapultflugzeug oder gar Rakete. "Hochgradig spannend", findet das Palmer. Größtenteils handele es sich um Unikate. Dementsprechend hoch könne der Zuschlagspreis klettern. So hätten manche Kunden in der Vergangenheit bis zu 44 000 Euro bei einzelnen Auktionen für ihr kostspieliges Hobby ausgegeben.

Und Palmer profitiert von dieser besonderen Leidenschaft - durch die Provision, die er von den Käufern und Verkäufern erhält. Prinzipiell können Sammler bei ihm per Post, Fax, Internet und am Telefon mitbieten - oder aber persönlich erscheinen. Insgesamt, so erzählt der Auktionator, habe er rund 3000 Kunden. "Das Internet war ein großer Segen für mich." Nur so könne er Sammler aus aller Welt an einen Tisch bringen. Ob Japan, USA oder Spanien: Etwa ein Drittel von ihnen kommt aus dem Ausland. Zu den deutschen Käufern zählen unter anderem so renommierte Einrichtungen wie das Deutsche Museum in München, das Postmuseum in Berlin oder das Zeppelinmuseum in Friedrichshafen. Angefangen hatte für Palmer alles mit seiner Leidenschaft für Briefmarken.

Als Bub habe er von seiner Großmutter die Zigarrenkiste ihres Mannes, seines Großvaters, bekommen. Darin fand er dessen Briefmarkensammlung - wohlsortiert. Und die baute er aus, Stück für Stück. Da seine Oma zweimal im Jahr als Ausstellerin die internationalen Konsumgütermessen in Frankfurt am Main besuchte, entdeckte er rasch ein Preisgefälle zwischen der hessischen Metropole und Ulm. "Wegen der niedrigeren Preise habe ich meine Sammlung in Frankfurt erweitert." Die Löhne aus seinen Ferienjobs kamen da gerade recht - und wurden umgehend investiert.

Doch eines Tages hatte seine Großmutter eine Karte eines Geschäftspartners bekommen. Dieser Weihnachtsgruß via Ballonpost wiederholte sich jährlich, Palmers Sammelleidenschaft war dadurch geweckt. "Die Briefmarke flüstert, der Brief dagegen erzählt." So erklärt er heute seinen Wechsel zum Luftpost-Sammeln. Ein "absolutes Juwel" aus seiner eigenen Sammlung verdeutlicht dies: eine Postkarte, aufgegeben am 8. Oktober 1933 auf dem Transatlantik-Dampfer "Bremen". Unterwegs war sie von New York zurück in die Heimat, nach Bremerhaven. "Kein Luftpost-Pionier, kein Sammler, sondern ein ganz normaler Passagier hat das Prachtstück an Bord aufgegeben", erklärt Palmer und fügt hinzu: "Dieser Beleg ist daher nicht zu toppen." Auch der vielen farbenfrohen Marken und Stempel wegen. Außer an Bord des Schiffes seien solche Postkarten nirgendwo verkauft worden. Adressiert waren die Luftpost-Grüße an einen Fritz Groger in Altona.

Palmer nimmt die Karte in die Hand und liest die handgeschriebenen Zeilen: "Ihr Lieben, nun ist die schöne Fahrt vorbei. Am Dienstag kommen wir in Bremerhaven an. Hamburg unmöglich. Vielleicht im November oder Februar." Was damit wohl gemeint war? Ein Kurzbesuch nach der Reise vielleicht? Palmer grübelt, kann sich keinen Reim darauf machen. Weiter heißt es in blauer Tinte: "Das abgebildete Flugzeug sendet Euch diese Karte." Palmer dreht die Karte um. Zu sehen ist ein waghalsiges Manöver. "Die Katapultstarts waren eine fliegerische Meisterleistung", urteilt Palmer. Immerhin hätten die Piloten nur einen Versuch gehabt. Damals, vom Ende der 20er Jahre an, wurden Flugzeuge von einem Schiff in die Luft geschleudert - per Katapult. Um die Beförderungsdauer zu verkürzen. Schließlich waren große Dampfer wie "die Bremen" seinerzeit das gängige Vehikel für den Post-Transport über den Atlantik, brauchten aber mehrere Tage für ihre Fahrt über den großen Teich.

Palmer ist voll in seinem Element, wenn er von den historisch bedeutsamen Belegen schwärmt. Er geht zu seinen penibel geordneten Aktenschränken und öffnet eine der vielen Schubladen. "Ich bin ein sehr strukturierter Mensch", erzählt er und heftet die frisch eingelieferten Exemplare ab. Gemeinsam mit einem Experten aus Potsdam habe er selbst ein elektronisches Datenverarbeitungssystem entwickelt. Es sei perfekt auf sein Auktionsgeschäft zugeschnitten, um den organisatorischen Aufwand auf ein Minimum zu reduzieren. Nur so bleibe auch noch Zeit für die Familie und Freizeit. Immerhin betreibt er sein Auktionshaus nebenberuflich.

Der Auktionator selbst hat sich, im Lauf der Jahre, eine beachtliche Sammlung aufgebaut. Sein Hauptaugenmerk gilt der Ballonpost, genauer gesagt: Poststücken, die mit Gas- und nicht mit Heißluftballonen befördert wurden. Bei so viel Sammelleidenschaft war es für ihn indes nur eine Frage der Zeit, bis er mit seinem eigenen Auktionshaus an den Start ging. Seine erste Versteigerung veranstaltete Palmer am 23. Oktober 1993, nachdem wenige Jahre zuvor die einzigen beiden Anbieter von Luftpost-Auktionen in Deutschland, aus Frankfurt und Stuttgart, aufgeben mussten. "In diese Lücke bin ich gesprungen", sagt er, muss aber zugleich gestehen: "In Bezug auf das Timing habe ich einfach auch Glück gehabt." Seriosität und Vertrauen sind laut Palmer das A und O im Auktionsgeschäft. "Ohne das geht es nicht."

Fast immer schickten Einlieferer ihre Exemplare per Post zu ihm - und vertrauten ihm blind. Objektive Marktpreise gebe es dabei nicht. Nicht selten lege er daher den Ausrufpreis, also den Startpreis, fest, erklärt der belesene Luftpost-Experte. Dabei treiben ihn nicht nur die Verdienstmöglichkeiten an. "Es tut gut, als anerkannter Experte befragt zu werden", erklärt Palmer. Auch der vielfältige Kontakt zu den Menschen aus aller Welt sei spannend. "Ich reise gerne und kann daher meine Städtetrips mit Kundenbesuchen verbinden."

Interessante, aber auch traurige Situationen erlebe er dabei - vom Besuch höchster gesellschaftlicher Kreise, über ganz einfach gestrickte Menschen bis hin zu einsamen Witwen, die Sammlungen ihrer verstorbenen Männer verkaufen wollten. Es sei enorm aufschlussreich, meint Palmer, Menschen in ihren Häusern oder Wohnungen zu besuchen. In seinen eigenen vier Wänden hat der Auktionator an diesem Tag seine Arbeit beendet. Alle neu angekommenen Luftpost-Belege hat er in Folien gepackt, beschriftet und am rechten Fleck abgeheftet. Bis zu der kommenden Versteigerung Mitte Oktober, in der Ballon- und Raketenpost unter seinen Hammer kommt, werden noch einige Unikate hinzukommen. Palmer schaltet seinen Laptop aus, dreht das Licht ab und schließt die tonnenschwere Stahltür hinter sich.

(Quelle: http://www.hz-online.de/index.php?mode=full&cat=16&open=&open_u=&minDate=&s_id=cdc59c851f136446d3a9d78fb9e5e20a&ident=&id=433106)

Ein Los der Palmer Auktion:


 
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