Thema: Postgeschichte 2. Weltkrieg - die "zivile" Seite
Carolina Pegleg Am: 30.09.2008 05:04:36 Gelesen: 26631# 3@  
Nicht nur in Deutschland wurden Zivilpersonen interniert. Diese Karte wurde am 10. Oktober 1940 von einem siebzehnjährigen deutschen, vermutlich jüdischen Mädchen aus dem englischen Frauen-Internierungslager Rushen auf der Insel Man an Freunde in den USA gesendet.



Aus dem Karteninhalt ergibt sich, dass das Mädchen von der Familie getrennt alleine in England aufhielt, als die britische Regierung in 1940 die Internierung deutschstämmiger Personen anordnete. In den Sog gerieten dabei auch die älteren der etwa 10,000 aus Deutschland und Österreich im Zuge der Aktion "Kindertransport" in 1939 nach England gekommenen jüdischen Flüchtlingskinder: http://en.wikipedia.org/wiki/Kindertransport

Natürlich ist es schwierig sich anhand nur einer einzigen Postkarte eine Lebensgeschichte zusammenzureimen. Hier erlaubt der Karteninhalt allerdings schon die Vermutung, dass es um ein aus deutsches Flüchtlingsmädchen geht, dass in England zwischen die Fronten geraten ist. In 1940 war die Besorgnis einer deutschen Invasion in England gross, was die englische Regierung zu dem Entschluss der grossflächigen Internierung aller Deutschen als potentielle Kollaborateure bewegte. Es wurde da oft über einen Kamm geschoren: Die Person ist eine Deutsche, mit Deutschland sind wir im Krieg, also ab auf die Insel Man.



Hier der Kartentext:

Lieber Herr Valfer und Irma,

vielen Dank für ihren Brief. Ich freue mich sehr darüber, da ich schon die Hoffnung aufgegeben hatte, dass Sie mir schreiben würden. Ich bin erfreut zu hören, dass es Ihnen und Ihrer Familie gut geht. Gott sei Dank kann ich dasselbe von mir sagen. Bekommen sie regelmässig Post von meiner Mutter und Bruder? Bitte teilen Sie ihnen alles über mich mit und dass es mir gut geht. Ich hoffe sie wiederzusehen. Sie können sich vorstellen, wie besorgt ich bin, aber mit Gottes Hilfe, möchten wir uns bald glücklich und gesund wiedersehen. Unglücklicherweise, kann ich nur eine Karte diese Woche schreiben, da dies mein Kontingent von Briefen für diese Woche füllt. Gestern habe ich einen sehr netten Brief von Frau T. Strauss bekommen. Sie hat geschrieben, dass sie mir die eidesstattliche Versicherung schickt sobald sie mein Geburtsdatum hat. Es ist der 26. April 1923. Wollen Sie es ihr bitte mitteilen, da ich erst nach nächster Woche einen Brief an sie schreiben kann. Bitten Sie sie, sie sofort zu schicken, da ich sie sehr bald brauche. Ich hoffe, ich werde keine Last für Sie sein, weil ich beabsichtige meinen Unterhalt selbst zu verdienen, wie ich schon geschrieben habe. Dennoch, ich danke ihnen sehr und hoffe sehr bald von Ihnen zu hören. Alles Liebe für sie und ihre Familie und meine Mutter, Helga

Hoffen wir, dass auch diese Briefschreiberin den Krieg überlebt hat. Die Familienangehörigen der mit "Kindertransport" ausgereisten jüdischen Kinder sind allerdings fast ausnahmslos dem Holocaust zum Opfer gefallen.


 
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