Thema: (?) (2877) Altdeutschland Bayern: Schöne Belege
bayern klassisch Am: 19.12.2014 13:22:59 Gelesen: 1037513# 433@  
Liebe Freunde,

heute zeige ich einen frisch erworbenen Brief, von dessen Existenz ist nie überzeugt war, weil seine Behandlung so gegen die Vorschriften verstieß, dass man es kaum für möglich hält.

Aber nun ist er hier und ich möchte ihn euch vorstellen.





Geschrieben in Nürnberg am 2.12.1854 war er nach Altdorf in den Kanton Uri (Schweiz) gerichtet. Der Absender, die Firma Conrad Weiß dortselbst, hatte 9 Kr. frankiert in der Annahme, dass die Schweiz zum Postverein gehören würde und über 20 Meilen im Postverein kostete es nun mal 9 Kr.. Das war leider (für 2014: Gott-sei-Dank!) falsch.

Der Postvertrag (PV) zwischen Bayern und der Schweiz vom 1.10.1852 war hinsichtlich unterfrankierter Briefe eindeutig. Im Artikel 10 sagte man ganz klar, dass eine teilweise Frankatur nicht statthaft war. Briefe, welche ungenügend frankiert waren, sollten als ganz unfrankiert behandelt werden und das volle Porto kosten.

Da Altdorf in der Schweiz im 2. Rayon zum Grenztaxpunkt Bayerns lag, reichten die verklebten 9 Kr. zwar bis zur Grenze aus, die 6 Kr. für die Schweiz (20 Rappen) fehlten aber, so dass die Aufgabepost hätte zwar die Marke annullieren müssen, aber gleichzeitig das bayerische Porto von 9 Kr. als Forderung an die Schweiz notieren sollen.

Das hat sie nicht getan - vielmehr tat sie genau das Gegenteil, indem sie mit Rötel 6 x Schwyzgr (Schweizergrenze) als Porto für die Schweiz bestimmte, wie wohl sie das gar nicht konnte.

Aber auch die Schweizer spielten mit und akzeptierten, was nicht zu akzeptieren war. Man nahm nicht 50 Rappen (15 Kreuzer) vom Empfänger, sondern nur 20 Rappen (6 Kr.) und beließ es dabei.

Nun kommt automatisch die Frage, warum 2 Postverwaltungen mit sehr großen Ämtern (Nürnberg und Zürich) solch einen Trick anwendeten.

Möglich wäre, dass es hüben wie drüben großen Ärger gab, wenn Absender und Empfänger heftigst zur Kasse gebeten wurden, weil einer nicht wusste, wie viel zu frankieren war. Bis zum 31.3.1854 hatte Bayern sogar die interne Vorschrift gehabt, den Schweizerischen Anteil bei frankierten Briefen bar zu kassieren, aber keine Marke(n) zu verkleben, sondern ihn nur der Höhe nach auf der Siegelseite vorzumerken und der Schweiz über die Abrechnung in der Briefkarte zu bonifizieren. Im Dezember 1854 war das natürlich längst Geschichte und auf der Siegelseite findet sich natürlich auch kein bar kassiertes Weiterfranko.

So muss der Brief rätselhaft bleiben, aber da ich hübsche, rätselhafte Briefe schätze, habe ich mich mit ihm selbst ein wenig beschenkt, denn es ist ja jetzt die Zeit dafür.

Liebe Grüsse von bayern klassisch und ein frohes Fest für alle, die ihren Spaß an Marken und Briefen haben, seien sie jung, oder so alt wie hier.
 
Quelle: www.philaseiten.de
https://www.philaseiten.de/thema/1262
https://www.philaseiten.de/beitrag/98032