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Thema: (?) (1180) Rohrpostbelege
Das Thema hat 1184 Beiträge:
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cartaphilos Am: 02.10.2011 23:48:27 Gelesen: 1301544# 710 @  
RP 26

Was dem Briefmarkensammler die "Blaue Mauritius" ist den Rohrpostsammler die bedarfsmäßig gebrauchte RP 26 des Deutschen Reiches. Das Problem dieser Karte ist, daß sie bedarfsgebraucht durchaus vorkommen kann, jedoch in der Regel nicht portogerecht, denn im Jahre 1941 wurde der Anspruch auf Eilzustellung abgeschafft, d.h. eine Eilzustellung wurde vor allem in Großstädten nicht mehr garantiert. Das bedeutete jedoch nicht, daß es nicht weiterhin immer wieder vorkommen konnte, daß Sendungen per Eilboten zugestellt wurden. So beispielsweise bei besonders wichtigen Telegramme in Berlin noch bis Ende 1944 nachweislich.

In der Regel kommt die RP 26 als Rohrpost-Ortskarte im 15-Pf-Tarif innerhalb Berlins sowie als 16-Pf-Karte bei Teilrohrpost in Berlin und dann an einen Bestimmungsort außerhalb des Rohrpostbezirks vor. Diese Karte ist in gleicher Verwendung auch in München möglich. Ein Wiener Berufsphilatelist (Herr Puschmann von Öphila) hat mir berichtet, daß er von der Existenz eines solchen in Wien gebrauchten Stückes gehört habe.

Eine portorichtige, bedarfsmäßge Verwendungsweise ist denkbar: nämlich die Europa-Auslands-Karte per Einschreiben und Rohrpost in Berlin, München oder Wien:

15 Pf Auslandskarte
10 Pf Rohrpost
30 Pf Einschreiben

Träum, träum, träum!

In diesem Monat sind nun sage und schreibe drei gebrauchte Exemplare von dieser Karte über den deutschen Auktionshandel gegangen:

1. bei Pumpenmeier am 17. September 2011
2. bei Hadersbeck am 28. September 2011
3. bei Mohrmann am 30. September 2011

Da allgemein bekannt ist, daß von dieser Karte nur wenige gebrauchte Stücke bekannt sind (auch in der inzwischen aufgelösten Sammlung Kögel war zwar eine RP 25 vom April 1945 vorhanden, jedoch keine RP 26), ist das mir Anlaß, die liebe Rohrpostgemeinde zu fragen, welche Stücke ihr insgesamt bekannt sind, um einen Überblick zu erlangen.

Ich gehe einmal mit gutem Beispiel voran, und stelle hier die mir verfügbaren Abbildungen ein:



RP 26 vom 7.11.1941 von Berlin-Steglitz 15.40 per Rohrpost nach Berlin W8 16.10

verkauft diese Woche bei Mohrmann für 3400 €



RP 26 vom 9.12.1941 ab Berlin SW11 11.10 per Rohrpost nach Berlin SO36 11.40

Dies ist eine der drei RP 26, die der Nestor der deutschen Ganzsachenphilatelie, Max Schaller selbst aufgegeben hat. (Persönliche Mitteilung von Max Schaller an mich vor 25 Jahren)



RP 26 vom 29.3.1942 mit Sonderstempel Berlin-Lichterfelde 1, Heeresfeuerwerksschule / Tag der Wehrmacht 1942 per Rohrpost über Berlin-Steglitz am 11.4.1942 11.10 zum Bahnpostamt Berlin Zoo nach Berlin-Charlottenburg 2 und weiter als Fernkarte nach Gummersbach.

Diese Karte wurde vor wenigen Wochen bei Pumpenmeier angeboten: 600,00 €. Es handelt sich hierbei um eine Karte, die zunächst blanko gestempelt, jedoch nicht befördert wurde. Gemäß früherer Regelung durften Ganzsachen, die zwar schon entwertet, aber noch nicht befördert waren, bis zu einem Zeitraum von - ich glaube - zwei Monaten nach Entwertung ordnungsgemäß aufgegeben werden und wurden ohne Beanstandung zugestellt. Diese Karte zeigt alle Merkmale dieses Verfahrens.



RP 26 vom 26.9.1942 ab Berlin 02 9.50 per Rohrpost über Berlin N4 12.30 nach Berlin-Weissensee

Wenn ich mich recht erinnere im Dezember 2009 beim Potsdamer Philatelistischen Büro versteigert. Preis: ?



RP 26 vom 27.10.1942 ab Berlin-Charlottenburg 9 17.30 per Rohrpost nach Berlin-Charlottenburg 4 5.50 N (= 17.50)

Ich weiß nicht mehr, wann und wo diese Karte aufgetaucht ist. Bei mir gespeichert ist sie seit dem 5. August 2010.



RP 26 vom 9.1.1943 ab Berlin SW61 11.20 per Rohrpost zum Bahnpostamt Ostbahnhof nach Berlin O17 13.50 weiter als Fernkarte nach Bunzlau

Letzte Woche bei Hadersbeck verkauft: 1000,00 €

Was sagt ihr? Was kennt ihr?
 
DerLu Am: 03.10.2011 09:09:46 Gelesen: 1301438# 711 @  
@ telosgraphein007 [#710]

Hallo,

da mich die "braune Zeit" nicht so übermäßig interessiert, sind meine Kenntnisse zur RP26 recht dürftig. In "Die Ganzsache" 1/1987 gibt es einen Artikel von Kretschmann und Frech über die RP26: "Die Gebrauchte Hitler-Rohrpostkarte" sowie einige kürzere Artikel vorher und nachher in denen teilweise (höflich ausgedrückt) sehr intensiv über eine bedarfsmäßige Verwendung der Karte diskutiert wird.

einen schönen Feiertag wünscht

DerLu
 
cartaphilos Am: 03.10.2011 12:00:22 Gelesen: 1301396# 712 @  
@ DerLu [#711]

Danke für diesen Literaturhinweis.

Meine Meinung ist ganz eindeutig: Wenn es bedarfsmäßige Verwendungen dieser Karte gibt, dann, weil es Sammler gab, deren Bedarf darin bestand, diese Karte auch gebraucht in ihrer Sammlung zu besitzen. Bedarfsmäßig ist in diesem Fall in aller Regel und ohne jede Illusion 'sammlerbedarfsmäßig gebraucht'.

Alle mir bekannten Karten weisen nur kurze (Sammler)-Grüße auf, und auch die, die so aussehen, als seien sie zu 'höherem Zweck' mit einer 'echten' Nachricht beschriftet worden, sehen eben nur so aus.

Die soeben bei Mohrmann verkaufte Karte ist nur scheinbar eine Geschäftskorrespondenz: Da haben sich zwei philatelistisch interessierte Versicherungsmenschen eine solche Karte mit einem rohrposttypischen, maschinenschriftlich angebrachten Text zugeschickt, wonach eine Verabredung heute nicht eingehalten werden könne und abgesagt werden müsse und dies zu einer Zeit, als ein Ortsgespräch 5 oder 10 Pfenning kostete und die beiden Geschäftsleute sicherlich auch telefonisch erreichbar waren.

Die Karte vom 26. Oktober 1942 von Charlottenburg 9 nach Charlottenburg 4 ist handschriftlich ausgefüllt und schlägt eine Verabredung am 4. November 1942 vor. Auch das wäre billiger per Ortskarte zu 5 Pf zu erreichen gewesen.

Weshalb nicht mehr Sammler solche Karten haben laufen lassen, hängt wohl mit der allgemeinen Preisentwicklung, dem faktischen Absinken der Reallöhne und einem vielleicht auch nachlassenden Sammlerinteresse angesichts des heftiger werdenden Krieges zusammen. Zudem: diese Karte kostete damals etwa einen durchschnittlichen Stundenlohn. Ein Brot kostete 1942 39 Pfenning, ein Bier ebenso und auch ein Liter Benzin.

55 Pfenning waren also zuviel für Hitler in Rot auf Rohrpostkarte. Und außerdem, was kaum jemand heute noch weiß: Hitler kassierte jedes Jahr einen millionenschweren Scheck von der Deutschen Reichspost für die Genehmigung der Verwendung seines Portraits auf den Briefmarken.
 
blaujacke Am: 03.10.2011 13:14:04 Gelesen: 1301381# 713 @  
@ telosgraphein007 [#709]

Herzlichen Dank - ich bin hellauf begeistert!

@ telosgraphein007 [#710]

Ich kann hierzu lediglich beitragen, daß die Karte vom 26.09.1942, ab Berlin C 2, am 15.11.2008 bei Harlos für 560,- € versteigert wurde.
 
DerLu Am: 04.10.2011 06:48:52 Gelesen: 1301151# 714 @  
@ blaujacke [#713]

Laut der Ankündigungs-Verfügung der RP26 war die Karte zunächst auch nur am Sammlerschalter des PA 2 erhältlich und sollte erst nach Aufbrauch der Karte mit Hindenburg-Wertstempel an den übrigen PA verfügbar sein.
 
blaujacke Am: 05.10.2011 22:43:40 Gelesen: 1300440# 715 @  
@ DerLu [#290]

Zu Deinem gezeigten Beleg habe ich einen vergleichbaren der 5. Portoperiode, der aber in diesem Falle wohl mit einer Nachgebühr von 60 Pf. (doppeltes Postkartenporto) belegt wurde:



Die Karte wurde am 11.03.1921,11.50 V, bei der RPBetrSt Charlottenburg 2 aufgegeben und ging gem. Leitvermerk "9" zur RPBetrSt W 9 (Ankunft 12,20 N). Die Zustellung in Nikolassee (1920 eingemeindet!) war nicht möglich, da der Empfänger gem. Zustellervermerk (oberer Rand) in die Knesebeckestr. 88 in Charlottenburg 2 verzogen war. Mit dem Nachporto für die Briefpost versehen, ging die Karte offensichtlich am 12.3. (s. Angabe mit Anschrift u.l.)zurück in die Knesebeckstr.(der Absender wohnte Knesebeckstr. 4!).
 
DerLu Am: 13.10.2011 19:45:23 Gelesen: 1298235# 716 @  
@ DerLu [#677]

Guten Abend,

ich habe einen weiteren Rohrpostbrief mit einem Stechuhrstempel eines Berliner Hotels gefunden: der Brief wurde am 20.02.1908 beim PA N24 aufgegeben und war an eine Frau im Hotel "Fürstenhof" adressiert. Auf der Rückseite findet man den Ankunftstempel des Postamtes W9 und einen Stechuhrstempel des Hotels. Bei der dreistelligen Zahl auf der Vorderseite drängt sich mir eine Interpretation als Zimmernummer auf.



Das Hotel "Der Fürstenhof" war ein großen Berliner Luxushotel, das von 1907 bis 1943 am Potsdamer Platz existierte.

Die drei bisher bekannten Hotel-Stechuhrstempel (Adlon, Eden und Fürstenhof) stammen alle von großen Luxushotels und habe m.M. alle eine auffällige gleiche Form: drei Zeilen mit relativ großen Zeilenabstände, eine englische Datums-/Uhrzeitangabe in der mittleren Zeile. Ich vermute das die Stempel zumindesten vom gleichen Hersteller stammen.

Einen schönen Abend wünscht

DerLu
 
cartaphilos Am: 25.10.2011 20:00:22 Gelesen: 1294688# 717 @  
@ DerLu [#716]

Gratuliere. Was für ein wunderschöner Beleg. Kannst du mir einen Scan mit höherer Auflösung zusenden oder hier einstellen? Ich möchte ihn mit Deinem Einverständnis in die Neufassung von Schmugglers Rohrpostbuch einbauen.

Zudem: Heute kam aus bekannter ebay-Quelle ein Konvolut ungebrauchter Rohrpost-Umschläge, also keine Ganzsachen, sondern zumeist amtliche Formulare hier an. Nun wollen wir ja alle viele und seltene und wunderschön abgeschlagene Stempel auf Badarfsbelegen. Doch diese ungebrauchten Formulare bestechen durch unvorstellbare Sauberkeit und perfekte Erhaltung und da dachte ich einmal, daß das durchaus in die Sammlung paßt. Zudem zeigen einige der Vordrucke die gleiche Zeichnung wie die Ganzsachenumschläge.

ca. 1880 (nach rechts aufsteigende Riffelung):



ca. 1880 (nach rechts aufsteigende Riffelung, geänderte Farbe und Papier):



ca. 1880 (nach links aufsteigende Riffelung):



ca. 1880 (nach links aufsteigende Riffelung, geänderte Farbe und Papier):



ca. 1895 (geänderte Typographie):



ca. 1895 (geänderte Typographie, wie gleichzeitige Ganzsachen:



1931 (Druckvermerk Adler 12 31 Delta C 362):



1931 (geänderter Druckvermerk Adler 12 31 C 362 doppelt unterstrichen):



1934 (Druckvermerk Adler 9 34 Delta C 362 Din A 6):



ca. 1954 (Formular der Deutschen Post der DDR, Duckvermerk 188 C 362 Din C 6):



Es gibt bestimmt noch etliche andere, und ich habe noch einiges an gebrauchten Formularen in der Sammlung, u.a. auch Postkartenformulare. Darüber demnächst einmal mehr.

Einen schönen Abend noch
 
DerLu Am: 03.11.2011 16:01:17 Gelesen: 1292575# 718 @  
@ telosgraphein007 [#717]

Hallo telosgraphen007,

woher hast du bei den ersten gezeigten Umschlägen (die ohne Adresszeilen) die Jahreszahlen ?

Ich kenne Umschläge bei denen der Text "Rohrpost-Brief." mit identischer Schriftart gedruckt ist nur mit Adresszeilen und dem Zusatz "Postsache" bzw. "Königliche Angelegenheit". Es wäre m.M. doch auch praktischer gewesen, wenn man die Umschläge schon bedruckt auch gleich die Adresszeilen hinzufügt. Hier einer der Umschläge:



Zum 6. Beleg: m.M. ist die verwendete Schriftart nicht identisch mit den amtlichen Ganzsachen. Sie ist sehr ähnlich, aber nicht gleich (z.B. das 'R' und das 's')

Wg. der Scans siehe PM.

Einen schönen Tag wünscht

DerLu
 
cartaphilos Am: 04.11.2011 10:47:15 Gelesen: 1292412# 719 @  
Guten Morgen DerLu [#718],

die ungefähren Daten für die zeitliche Zuordnung der Umschläge habe ich der Entwicklung der Typographie entnommen. Die ersten Umschläge zeigen noch eine an der Antiqua orientierte Typographie mit stark ornamental verspielten Anfangsbuchstaben. Hier ist noch klassische Buchdruckertradition zu erkennen, die durch die zur 'Deutschen Schrift' hochstilisierten Fraktur seit den 1890er Jahren abgelöst wird. Es ist die Zeit, in der das Kaiserreich nach der angemessenen kulturellen Selbstrepräsentation sucht, die sich beispielsweise in den Briefmarken seit 1900 dann im Bild der die Kaiserkrone tragenden Germania zeigt.

Erst durch Hitlers sogenannten 'Schrifterlaß' wird die Fraktur als 'deutsche Schrift' wieder in Mißkredit gebracht und Briefmarken wie Ganzsachen und alle anderen Dokumente der Reichspost werden wieder in Antiqua gedruckt.
Für jene Nazifreaks, die hier zufälligerweise landen und glauben, die Fraktur sei die 'einzig wahre doitsche Schrift', im Folgenden der Erlaß vom 3.1.1941, der für die Gestaltung der Briefmarken so einschneidend wurde:

"Stabsleiter, z. Zt. Obersalzberg, den 3.1.41

R u n d s c h r e i b e n (Nicht zur Veröffentlichung)

Zur allgemeinen Beachtung teile ich im Auftrag des Führers mit:

Die sogenannte gotische Schrift als eine deutsche Schrift anzusehen oder zu bezeichnen ist falsch. In Wirklichkeit besteht die sogenannte gotische Schrift aus Schwabacher Judenlettern. Genau wie sie sich später in den Besitz der Zeitungen setzten, setzten sich die in Deutschland ansässigen Juden bei Einführung des Buchdrucks in den Besitz der Buchdruckereien und dadurch kam es in Deutschland zu der starken Einführung der Schwabacher Judenlettern.

Am heutigen Tage hat der Führer in einer Besprechung mit Herrn Reichsleiter Amann und Herrn Buchdruckereibesitzer Adolf Müller entschieden, dass die Antiquaschrift künftig als Normal-Schrift zu bezeichnen sei. Nach und nach sollen sämtliche Druckerzeugnisse auf diese Normal-Schrift umgestellt werden. Sobald dies schulbuchmässig möglich ist, wird in den Dorfschulen und Volksschulen nur mehr die Normal-Schrift gelehrt werden.

Die Verwendung der Schwabacher Judenlettern durch Behörden wird künftig unterbleiben. Ernennungsurkunden für Beamte, Strassenschilder u. dergl. werden künftig nur mehr in Normal-Schrift gefertigt werden.

Im Auftrage des Führers wird Herr Reichsleiter Amann zunächst jene Zeitungen und Zeitschriften, die bereits eine Auslandsverbreitung haben, oder deren Auslandsverbreitung erwünscht ist, auf Normal-Schrift umstellen.

gez. M. Bormann"

So erklärt sich auch, weshalb RP25 in Fraktur, RP26 jedoch in Antiqua gesetzt wurde.

einen schönen Tag noch
 
cartaphilos Am: 04.11.2011 17:39:46 Gelesen: 1292258# 720 @  
Portostufen der Rohrpost Wien zur Zeit der Annektion durch das Deutsche Reich im Jahre 1938

Gerade kam eine per Rohrpost beförderte Ortseilbotenkarte aus Wien vom 24. VI 1938 herein:



Es ist eine Ganzsachenkarte mit 12 Gr. Wertstempel. Zufrankiert sind 8 Gr. Trachten und 12 Rpf Hindenburg. Um das Porto auszurechnen, muß man wissen, wie nach der Annektion Österreichs die Währung umgestellt wurde: Hitler versprach den Österreichern eine Umrechung von Schillingen in Reichsmark zum völlig unrealistischen Kurs von 3 Schillingen zu 2 Reichsmark, was vor allem ein Propagandacoup sein sollte, um eine noch größere Zustimmung zur Annektion zu sichern. Nach dem anzuwendenden Umrechnungsschlüssel von 2 RM = 3 Schilling entsprachen die auf unserer Karte verklebten 12 Rpf 18 Gr. Die Karte ist damit für 38 Gr. freigemacht. Seit dem 4.4.1938 betrug das Porto für eine Ortskarte im annektierten Österreich 8 Gr. oder 5 Rpf. Eilzuschlag waren eigentlich 40 Rpf oder 60 Gr. Dies stellte im Vergleich zu dem davor gültigen Portosatz von 30 Gr. für die Eilzustellung eine Erhöhung um 100% dar. Anders war es seit dem 4.4.1938 bei der Rohrpost: Es blieb bei den bisherigen 30 Gr., was einer Rohrpostgebühr von 20 Rpf entsprach. Damit kostete eine Ortsrohrpostkarte in Wien bis zur Angleichung an die Tarife im Deutschen Reich 25 Rpf, während die gleiche Sendung in Berlin oder München nur 15 Rpf kostete. Wir sehen jedoch, daß diese Karte vom 24. Juni 1938 faktisch als eine Ortsrohrpostkarte für 38 Groschen odr 25 Rpf freigemacht wurde. Unsicherheiten aber auch die einfache Übetragung der alten österreichischen Portosätze (Rohrpost = Eilboten = jeweils 30 Gr. oder neu 20 Rpf) auf die neuen Verhältnisse sind Geburtshelfer solcher Frankaturkombinationen.

Folgende Kombinationen von Rohrpost und/oder Eilboten sind also für die Zeit bis zur Anpassung an die Tarife im Deutschen Reich für Postkarten aus den annektierten Österreich im Inland anzusetzen:

ab 4.4.19380

25 (= 5 + 20) Rpf / 38 (= 8 + 30) Gr. = Orts-Rohrpostkarte
45 (= 5 + 40) Rpf / 68 (= 8 + 60) Gr. = Orts-Eilbotenkarte
65 (= 5 + 20 + 40) Rpf / 98 (= 8 + 30 + 60) Gr. = Orts-Rohrpostkarte per Eilboten
26 (= 6 + 20) Rpf / 39 (= 9 + 30) Gr. = Fern-Rohrpostkarte aus oder nach Wien
46 (= 6 + 40) Rpf / 69 (= 9 + 60) Gr. = Fern-Eilbotenkarte
66 (= 6 + 20 + 40) Rpf / 99 (= 9 + 30 + 60) Gr. = Fern-Rohrpostkarte per Eilboten aus oder nach Wien
86 (= 6 + 80) Rpf / 129 (= 9 + 120) Gr. = Fern-Eilbotenkarte in den Landzustellbezirk
106 (= 6 + 20 + 80) Rpf / 159 (= 9 + 30 + 120) Gr. = Fern-Rohrpostkarte per Eilboten aus Wien in den Landzustellbezirk

in Kombination mit Einschreiben jeweils 30 Rpf / 45 Gr. mehr

ab 8.7.1938

25 (= 5 + 20) Rpf / 38 (= 8 + 30) Gr. = Orts-Rohrpostkarte
25 (= 5 + 20) Rpf / 38 (= 8 + 30) Gr. = Orts-Eilbotenkarte
45 (= 5 + 20 + 20) Rpf / 68 (= 8 + 30 + 30) Gr. = Orts-Rohrpostkarte per Eilboten
26 (= 6 + 20) Rpf / 39 (= 9 + 30) Gr. = Fern-Rohrpostkarte aus oder nach Wien
26 (= 6 + 20) Rpf / 39 (= 9 + 30) Gr. = Fern-Eilbotenkarte
46 (= 6 + 20 + 20) Rpf / 69 (= 9 + 30 + 30) Gr. = Fern-Rohrpostkarte per Eilboten aus oder nach Wien
26 (= 6 + 20) Rpf / 39 (= 9 + 30) Gr. = Fern-Eilbotenkarte in den Landzustellbezirk
46 (= 6 + 20 + 20) Rpf / 69 (= 9 + 30 + 30) Gr. = Fern-Rohrpostkarte per Eilboten aus Wien in den Landzustellbezirk

in Kombination mit Einschreiben jeweils 27 Rpf / 40 Gr. mehr

ab 1.8.1938 / (Aufbrauch der Postwertzeichen Österreichs bis zum 31.10.1938)

15 (= 5 + 10) Rpf / 23 (= 8 + 15) Gr. = Orts-Rohrpostkarte
45 (= 5 + 40) Rpf / 68 (= 8 + 60) Gr. = Orts-Eilbotenkarte
55 (= 5 + 10 + 40) Rpf / 83 (= 8 + 15 + 60) Gr. = Orts-Rohrpostkarte per Eilboten
16 (= 6 + 10) Rpf / 23 (= 9 + 15) Gr. = Fern-Rohrpostkarte aus oder nach Wien
46 (= 6 + 40) Rpf / 69 (= 9 + 60) Gr. = Fern-Eilbotenkarte
56 (= 6 + 10 + 40) Rpf / 84 (= 9 + 15 + 60) Gr. = Fern-Rohrpostkarte per Eilboten aus oder nach Wien
86 (= 6 + 80) Rpf / 129 (= 9 + 120) Gr. = Fern-Eilbotenkarte in den Landzustellbezirk
96 (= 6 + 10 + 80) Rpf / 144 (= 9 + 15 + 120) Gr. = Fern-Rohrpostkarte per Eilboten aus Wien in den Landzustellbezirk

in Kombination mit Einschreiben jeweils 30 Rpf / 45 Gr. mehr

Wir können hieraus erkennen, daß die Portostufen zwischen dem 8.7. und dem 1.8. 1938 Kurzläufer von nur drei Wochen sind, die dementsprechend selten anzutreffen sind. Das ist zwar noch nichts im Vergleich zu den teilsweise nur 4 Tagen, die für einige deutsche Inflaportoperioden anzusetzen sind, doch muß man erst einmal eine mit 72 Rpf portorichtig freigemachte Reco-Orts-Rohrpost-Eilbotenkarte aus der fraglichen Zeit finden.

Dies nur als eine erste Orientierung durch den Portostufenwirrwarr der ersten Monate nach der Annektion Österreichs.

Einen schönen Abend noch
 
DerLu Am: 05.11.2011 10:21:06 Gelesen: 1292016# 721 @  
@ telosgraphein007 [#719]

Hier nochmal zwei Belege die im Wort "Rohrpost-Brief." nahezu die gleiche Typographie aufweisen aber aus viel späteren Jahren stammen:



Ein Rohrpostbrief der "Registratur der Königlichen Schauspiele" als "Königliche Angelegenheit" portofrei am 19.03.1905 aufgegeben.



Eine Postsache vom Haupttelegraphenamt am 7.8.1915 verschickt.

Beide Briefe haben das Format 12x7,5 cm. Von der Postsache habe ich einen Brief mit identischem Druck aber im Format 14,4x8,9 cm aus dem Jahre 1915.

Ggf. könnte auch die Schreibweise "Rohrpost-Brief." mit einem abschließenden Punkt Hinweise auf die Entstehungszeit geben.

Vielleicht können die Mitlesenden ihre Sammlungen nach ähnlichen Belegen durchsuchen und hier zeigen.

Ein schönes Wochenende wünscht
DerLu
 
blaujacke Am: 05.11.2011 21:56:00 Gelesen: 1291748# 722 @  
@ DerLu [#721]

Zunächst verweise ich auf die Belege unter [#278] und [#381]!

Nachstehend noch 3 Belege (alle mit Punkt) aus meiner Sammlung:



Post-Sache (12,5 x 8) vom 15.03.1886



K.A. (beschnittene ca. 12,5 x 8)vom 18.04.1894



K.A. (11,7 x 7,5) vom 01.02.1908
 
DerLu Am: 06.11.2011 13:22:54 Gelesen: 1291543# 723 @  
@ blaujacke [#722]

Fast alle Umschläge entsprechen vom Design her ja den ersten Rohrpostumschlägen mit Ausnahme der markanten, etwas verspielten, Initialen. Erstaunlich ist für mich aber die Verwendungszeit: Ist einmalig der Bedarf für über 30 Jahre gedruckt worden ?

Und noch eine Frage stellt sich mir: Wahrscheinlich wurden diese Umschläge in der Reichsdruckerei gedruckt, wieso hat man nicht einfach das Design der Ganzsachen genommen und einfach den Wertstempel weggelassen ? Sind die von telosgraphein007 gezeigten Umschläge ohne Adresszeile Essays zu diesen Umschlägen, immerhin unterscheiden sie sich in der verwendeten R-Type.

einen sonnigen Sonntag wünscht
DerLu
 
blaujacke Am: 07.11.2011 13:29:04 Gelesen: 1291113# 724 @  
Ein Rohrpost-Brief (RU 6) beim Postamt Berlin-Weißensee (Nachbarortsverkehr) als Eilbrief aufgegeben und streckenweise im RP-Bezirk befördert?



Aufgabe in B-Weißensee am 07.04.1908, 8-9 V - Beförderung mit Briefpost zur RPBetrSt C 2 (10.10 V) / Leitvermerk "Ri" - mit Rohrpost zur RP-BetrSt Rixdorf (10.50 V)

Berlin-Weißensee und Rixdorf lagen im Gebiet des Nachbarortsverkehrs. Ein normaler Brief hätte somit 5 Pf. und die Eilbestellung 25 Pf. gekostet. Auf dieser Basis wurde offensichtlich die RP-Ganzsache vom Postamt Weißensee angenommen.

Oder liege ich falsch?
 
DerLu Am: 07.11.2011 20:23:42 Gelesen: 1291002# 725 @  
@ blaujacke [#724]

Ich würde es auch so interpretieren. Ich habe leider nur Listen welche Orte zum Nachbarsortsverkehr von Berlin gehörten, sowohl Rixdorf als auch Weißenburg gehörten 1908 dazu. Ich habe immer angenommen, das dann zwischen Rixdorf und Weißenburg auch der Nachbarortsverkehr gilt. Aber da lasse ich mich gerne vom Gegenteil überzeugen. Definitiv lag Weißenburg, im Gegensatz zu Rixdorf, aber nicht im Rohrpostbezirk!

Würde man es ganz genau nehmen handelt es sich hier um einen Brief mit verlangter Rohrpostbeförderung in den Rohrpostbezirk hinein. Er hätte also sowohl die Weiterleitungsgebühr von 5 Pfg. ( Briefporto im Nachbarortsverkehr ) als auch die Rohrpostgebühr von 30 Pfg. tragen müssen. Da ein Eilbrief auf dieser Strecke aber praktisch gleich behandelt wurde, Transport bis nach Berlin dort Beförderung zum Zielpostamt per Rohrpost und sofortige Zustellung, war man bei der Post wohl pragmatisch und hat den Brief ohne Nachporto als "einfachen" Brief im Nachbarortsverkehr mit Eilzustellung befördert.

Einen schönen Abend wünscht

DerLu
 
Postgeschichte Am: 09.11.2011 02:33:36 Gelesen: 1290643# 726 @  
@ blaujacke [#724]
@ DerLu [#725]

Der Brief ist m.E. mit 30 Pf als Rohrpostbrief richtig frankiert. Der Nachbarortsverkehr kam m.E. nicht zum Tragen. Rixdorf lag innerhalb des Rohrpostbezirkes. Weißenburg gehörte zwar nicht zum Rohrpostbezirk, aber zum Ober-Postdirectionsbezirk Berlin. Dies ist für die Beförderung der Rohrpostsendung von Belang. Die Rohrpostordnung sagt in § 10 hierzu:

Die außerhalb des Weichbildes von Berlin gelegenen, aber zum Ober-Postdirectionsbezirk Berlin gehörigen Postanstalten haben die Rohrpostsendungen mit den gewöhnlichen Posten oder Posttransporten entweder dem Hof-Postamte oder bei vorhandener Gelegenheit auch einer näher gelegenen Postanstalt zuzuführen, insofern durch eine solche Leitung eine Zeitersparniß bewirkt wird. Die letztgedachte Postanstalt hat für die Weiterbeförderung der Rohrpostsendungen Sorge zu tragen.

Auch Rixdorf wird, obwohl zum Rohrpostbezirk gehörend, ebenfalls in der Lister der zum Ober-Postdirektionsbezirk Berlin gehörigen Postorten der Umgebung Berlins aufgeführt. Eine Frankierung mit Weiterleitungsgebühr oder einen Bezug zum Nachbarortsverkehr kann ich aus den Vorschriften nicht ableiten. Die Frankierung ist daher meines Erachtens korrekt.

Gruß
Manfred
 
DerLu Am: 09.11.2011 07:01:15 Gelesen: 1290569# 727 @  
@ Postgeschichte [#726]

Für mein Verständnis wird darin keinerlei Aussagen über das Porto gemacht, sondern nur über die postalische Beförderung von Rohrpostsendungen. Die Gebühren wurden in § 7 geregelt (RPO v. 1903). Dort ist m.M. eindeutig von "innerhalb des Rohrpostbezirks" die Rede:

§ 7 Gebühren für die Rohrpostsendungen
Die Gebühr für die Beförderung und die Bestellung innerhalb des Rohrpostbezirkes beträgt im Frankierungsfalle :
1. für Rohrpostbriefe 30 Pf.
...


Da Weißensee nicht im Rohrpostbezirk lag fiel die Sendung unter § 16 "Streckenweise mit der Rohrpost zu befördernde Sendungen".

In der RPO von 1903, die 1908 als der Brief aufgegeben wurde gültig war, bezieht sich § 10 auf "Zeit der Einlieferung". Aus welcher RPO hast du zitiert ?

Gruß DerLu
 
cartaphilos Am: 05.12.2011 23:04:03 Gelesen: 1283536# 728 @  
Nun denn,

während Ihr alle die Stiefel putzt - meine sind schon sauber - stelle ich Euch hier einen ein:



Und dazu einen netten Rohrpostbeleg, wie ich ihn noch niemals gesehen habe:





Ein Teil des Portos ist mit den Propagandafälschungen der sogenannten Kampfgruppe gegen die Unmenschlichkeit 'entrichtet' worden.

Der Brief weist einige bemerkenswerte Details auf, die der Erwähnung und des Nachdenkens wert sind. Er ist an eine Hausnummer adressiert, bei der der Zusteller nur noch feststellen konnte, daß es dieses Haus nicht - mehr - gibt. Rückseitig weist er alle typischen Merkmale einer Rohrpost- und Eilbotenbeförderung in den beiden Teilen Berlins auf. Hier finden wir den Stechuhrstempel von Berlin N4 im Ostteil der Stadt und die Stechuhrstempel des für die Eilzustellung oder die Weiterleitung im Westteil der Stadt zuständigen Fernamtes 1. Wie der Brief von diesem vergeblichen Zustellgang weiter tranportiert wurde, ist vollkommen unbekannt. Es gibt keinen "Zurück"-Vermerk, was ja bedeutet hätte, daß diese Sendung mit den Propaganda-Marken ein weiteres Mal durch das Ostberliner Postsystem hätte geschleust werden müssen.

Wohl aber ist bekannt, daß es in Westberlin zahlreiche Deckadressen gab, die von Korrespondenten in der DDR und in Ostberlin genutzt wurden, um Kontakt zu im Westen angesiedelten politischen Organisationen aufzunehmen, die üblicherweise allesamt politische, ökonomische und ideologische Subversionstätigkeit gegen das politische System der DDR ausführten. Ich kann mich noch sehr gut daran erinnern, wie der RIAS-Berlin für Kontaktversuche aus Ostberlin und der DDR am Ende der Sendungen immer wechselnde Deckadressen angab, unter denen man Mitteilungen über die Verhältnisse in der 'Ostzone' abliefern konnte - durchaus auch verbunden mit Radio-Grüßen an die lieben Verwandten.

Postsendungen an diese Adressen wurden vom Zusteller des zuständigen Bezirks direkt 'in das Amtszimmer' des Vorstehers weitergegeben: Es war sogenannte Vorsteherpost, die von diesem dann an Geheimdienste, Kontaktleute des RIAS etc. etc. weitergereicht wurde. Wie konnte der Zusteller davon Kenntnis haben? Ganz einfach: in den Fächern seines Zustelltischs befand sich in den Fach der entsprechenden Hausnummer eine entsprechende, meist rosarote Karte, auf der genaue Anweisungen gegeben waren, was mit Post an bestimmte Adresse zu geschehen hatte.

Handelt es sich nun bei diesem Otto Schuricke um eine derartige Deckadresse? Denn eines ist unklar: Wie gelangte dieser Brief letztlich in Sammlerhand, obgleich er doch offensichtlich sowohl unzustellbar war als auch keinen "Zurück"-Vermerk aufweist?
 
DerLu Am: 07.12.2011 08:42:03 Gelesen: 1283155# 729 @  
@ telosgraphein007 [#728]

Unter Sammlern ist und war es verbreitet, Briefe an nicht existente Adresse zu schicken, um die dann "echt gelaufenen" Briefe wieder zurück zu bekommen.

ABER: Bist du dir sicher, dass es zur damaligen Zeit eine gute Idee war, das ausgerechnet mit Propaganda-Fälschungen der KgU zu machen? Die Gefahr der Entdeckung war damit ja mindestens doppelt so hoch und die Bezahlung des Fehlportos war dann wahrscheinlich noch die angenehmste Sache. Auch diese Marken auf Sendungen an geheimdienstlich genutzte Deckadresse zu benutzen, erscheint mir nicht sehr klever, da versucht man doch möglichst unauffällige Sendungen "mitschwimmen" zu lassen. Leider kann ich dir den fehlenden "Zurück"-Vermerk damit nicht erklären.
 
cartaphilos Am: 09.01.2012 00:55:23 Gelesen: 1273563# 730 @  
Ein - wenn auch verspätetes - schönes neues Jahr noch allen Freunden der pneumatischen Postbeförderung.

Womit beginnen wir das neue Jahr? Mit einem Knaller natürlich!

Ihr habt es gesehen: Es war eine RP26 bei ebay im Angebot. Etwas mehr als 700 Euro hat sie gekostet, leicht unklarer Rohrpoststempel von Steglitz 1 drauf. Das ist nun schon der dritte mir bekannte Beleg der RP26 aus Steglitz. Eine bemerkenswerte Häufung.

Das schöne an der Karte: Sie ist pickepackevoll mit alltagsweltlichem Bedarfstext beschrieben. Ein Akademiker aus Berlin-Dahlem - nicht wirklich weit von Berlin-Steglitz, um nicht zu sagen: Im Einzugsbereich, sobald man über Steglitz nach Dahlem kommen will (hab da mal gewohnt: vom Nachtkino im Steglitz zu Fuß nach Dahlem etwa 15 Minuten, mit weiblicher Begleitung, vor allem im Sommer, natürlich erheblich länger wegen der zahlreichen Parkanlagen und Bänke ;-) - tut dort sein Erleben von der letzten Nacht und den Bombenangriffen seiner Verwandtschaft weiter westlich in Peine bei Hannover kund.

Hier nun einmal die Vorderseite:



und der Wertstempel in Vergrößerung:



und jetzt auch noch die sensationell vollgeschriebene Rückseite:



Der Wehrmachtsbericht wird dies vielleicht bestätigen oder die Aufzeichnungen der hier angesprochenen us-amerikanischen, brandbombeninwohngebietewerfenden Allierten: Es handelt sich um keinen fiktiven Text, zumal er sehr konkret ist.

Zum Postgeschichtlichen: Wir 'wissen' alle, daß die Eilzustellung seit 1941 'aufgehoben' und daher eine portorichtige und bestimmungegemäße Verwendung der RP26 nicht mehr möglich war. Wohl aber ist eine portorichtige Verwendung als Rohrpost-Luftpost-Einschreibkarte in die nicht gebührenreduzierten Länder Europas (p.ex. Schweden) möglich gewesen. Daß die Eilzustellung im Gänze aufgehoben war, ist jedoch eine Legende, die sich per MICHEL-Ganzsachenkatalog als 'Wahrheit' ausgebreitet hat und mit jeder Neuauflage dieses Werks nicht wahrer wird. Tatsächlich wurde im Jahre 1941 nur "der Anspruch auf Eilzustellung" aufgehoben, während die Eilzustellung als solche immer noch möglich war. Erst im Amtsblatt 77 vom 14. August 1944 wird die Eilzustellung tatsächlich vollkommen aufgehoben.

So besitze ich ein Telegramm von 1943 nach Berlin, auf dem extra per Stempel angewiesen ist: "mit Boten zuzustellen." (Scan kommt später) Dazu kommen noch einige nicht mit Eilporti beklebte Eilsendungen - zur Zahlung der Eilzustellungsgebühren durch den Empfänger - vor allem aus dem annektierten Österreich ('Ostmark') bis 1943.

Und noch konkreter, was unsere gemeinsame Leidenschaft für die RP 26 betrifft, hier ein interessanter Beleg aus der phantasiereichen philatelistischen Belege-Manufaktur Walter Prell in Chemnitz. Dieser teilweise geniale Belegefummler (wenn er doch nur nicht immer diese schrecklichen Stempeladressen verwendet hätte!) kam auf die Idee, eine RP26 mit 1 Pf zuzufrankieren und am 12.1.1943 aus Den Haag "Durch Deutsche Dienstpost Den Haag" portorichtig (6 Pf Postkarte, 50 Pf Auslands-Eilboten) als auf Inlandsporto reduzierte Auslands-Rück-Antwortkarte nach Chemnitz mit ausführlichem Bericht von einer philatelistischen Veranstaltung dort zurückschicken zu lassen:



und die reichlich beschriebene Rückseite:



Was hier in erster Linie interessiert, ist die Tatsache, daß die Karte bei ihrer Ankunft in Chemnitz am 13. Januar 1943 vor der Zustellung durch einen Eilzusteller am Fernamt Chemnitz ganz offensichtlich den Stempel der FA-Chemnitz aufgedrückt bekam. Und vor allem: Auch der Eilzusteller mit dem Kreisstempel (17) brachte die Spuren und Zeichen seiner Tätigkeit auf dieser Karte an. Ergo (mag diese Karte auch nur philatelistisch gefummelt sein oder nicht): Eilzustellung gab's also doch, und zwar dort, wo sie, wie im Jahre 1941 festgelegt, aus personellen Gründen noch durchgeführt werden konnte, was hier zu Beginn des Jahres 1943 dann wenigstens noch in Chemnitz der Fall war.

Nicht also das Glaubensbekenntnis des MICHEL-Ganzsachen-Kataloges (an dessen Zustandekommen ich als Mitglied des BGSV ja auch wenigstens virtuell beteiligt bin) hinsichtlich der 'Abschaffung der Eilzustellung im Jahre 1941' ist maßgeblich, sondern die Vorschriften und die postgeschichtliche und postpraktische Realität.

So weit meine Neujahrsmeldung
Allen nur Gutes
und seltene und die schönsten Belege
 
Siegbert Am: 09.01.2012 19:01:57 Gelesen: 1273313# 731 @  
Prell hat massenweise Briefe und Karten verschickt. Er hat philatelistisch angerichtete Sachen auch noch nach dem Kriege angefertigt. Aus meiner Sicht sind diese Sachen nur Mache und haben für mich philatelistischen Wert.
 
duphil Am: 09.01.2012 19:23:41 Gelesen: 1273306# 732 @  
@ Siegbert [#731]

"... und haben für mich philatelistischen Wert."

Dann ist doch alles in Ordnung, oder?

Mit freundlichen Gruß
Peter
 
cartaphilos Am: 09.01.2012 20:38:19 Gelesen: 1273273# 733 @  
@ Siegbert [#731]

Ganz recht, aber Prell hin, Senf her, Krug leer, Henning satt: Hätten diese Philatelisten nicht an bestimmte postalische Möglichkeiten gedacht, sich für diese begeistert und dafür gesorgt, daß diese auch realisiert werden, könnten wir heute bestimmte postgeschichtliche Sachverhalte überhaupt nicht rekonstruieren. Wo wäre die Kolonialphilatelie heute ohne die Belege der Gebrüder Senf, die Berliner Postgeschichte ohne die Postschnelldienstbriefe von Fritz Krug und eben auch einige andere Bereiche ohne den Erfindungs- und Kombinationsgeist von Leuten wie Prell oder Hennig?

Immer werden wir den zweifelsfreien Bedarfsbeleg bevorzugen, doch bis dahin halten wir alles andere entweder für Käse oder nehmen es erst einmal als Beleg für einen postgeschichtlichen Sachverhalt, bis eben der zweifelsfreie Bedarfsbeleg kommt. Ob man die Prells, Hennings, Krugs oder Senfe e tutti quanti in seiner Sammlung haben will, ist letztlich Geschmackssache, und diese ist eben kein Glaubensbekenntnis, denn:

de gustibus non est disputandum.

In diesem Sinne

[Erklärung: http://de.wikipedia.org/wiki/De_gustibus_non_est_disputandum / redaktionell ergänzt]
 
DerLu Am: 10.01.2012 06:50:23 Gelesen: 1272967# 734 @  
@ telosgraphein007 [#730]

Hast du mal das tatsächliche Porto der Karte nach Peine berechnet ? Ich komme auf 16 Pfennige: 6 Pf. für die Postkarte im Fernverkehr plus 10 Pf. für die Rohrpostbenutzung in Berlin. Oder rechne ich falsch ?

Gruß
DerLu
 

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