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Thema: Belege Schweiz -> Altdeutsche Staaten
Das Thema hat 181 Beiträge:
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stampmix Am: 16.03.2015 18:29:52 Gelesen: 91345# 82 @  
@ briefmarkenwirbler24 [#81]

Jetzt verstehe ich aber nicht recht, warum bei der Postkarte noch 4 Rappen an Württemberg gehen, wenn laut Bestimmung des Weltpostvertrags alles die Aufgabepost erhält...

Da muss ich erst mal wieder in die Literatur einsteigen. Und speziell zum Weltpostverein / -vertrag ist die sehr umfangreich.

Vorab folgendes: Hier ist zu klären, ab wann diese Regelung in Kraft getreten ist. Ich meine, schon der Vorläufervertrag, der "Allgemeine Postvereinsvertrag" vom 9.10.1874 hatte dies (ggf.teilweise) geregelt, mit Sicherheit jedoch der "Weltpostvertrag", der am 1.6.1878 in Kraft getreten ist.

mit bestem Gruss
stampmix

PS. Vielleicht fragst Du mal bk, warum Württemberg 1882 4 Rappen erhielt?
 
stampmix Am: 17.03.2015 14:18:55 Gelesen: 91274# 83 @  
@ briefmarkenwirbler24 [#81]

Er gehört zwar inhaltlich und zeitlich nicht in einen Thread Schweiz -> Altdeutsche Staaten, aber hier ist der Vertragstext, der festlegt, dass die absendende Post erstmal alles erhält:

---

Vertrag, betreffend die Gründung eines allgemeinen Postvereins vom 9.10.1874
Deutsches Reichsgesetzblatt Band 1875, Nr. 19, Seite 223 - 240, Bekanntmachung 1.6.1875

Artikel 11

Die Beziehungen der zum Verein gehörigen Länder zu Ländern, welche dem Vereine nicht angehören, werden durch besondere, bereits bestehende oder demnächst abzuschließende Verträge geregelt.

Durch diese Verträge werden die Taxen festgesetzt, welche für die Beförderung jenseits der Grenzen des Vereins zu erheben sind; dieselben treten betreffenden Falls dem Vereinsporto hinzu.

Nach Maßgabe der Bestimmungen des Artikels 9 gestaltet sich der Bezug des Vereinsporto wie folgt:

1. Die absendende Vereinsverwaltung behält unverkürzt das Vereinsporto für die nach fremden Ländern gerichtete frankirte Korrespondenz.

2. Die Vereinsverwaltung des Bestimmungsgebiets behält unverkürzt das Vereinsporto für die aus fremden Ländern herrührende unfrankirte Korrespondenz.

3. Diejenige Vereinsverwaltung, welche die Korrespondenz in geschlossenen Briefpacketen mit fremden Ländern auswechselt, behält unverkürzt das Vereinsporto für die aus fremden Ländern herrührende frankirte Korrespondenz und für die nach fremden Ländern bestimmte unfrankirte Korrespondenz.


---

Ich kann mir schwerlich vorstellen, dass Württemberg in 1882 noch anteilig 4 Rappen des Portos erhielt, lasse mich aber auch eines Besseren belehren.

mit bestem Gruss
stampmix
 
bayern klassisch Am: 17.03.2015 16:08:21 Gelesen: 91255# 84 @  
@ stampmix [#83]

Hallo,

meine Aussage bezog sich auf die Teilung des Frankos/Portos vor dem UPU. Ich schrieb ja, dass das Verhältnis 2 zu 3 war, was die Schweiz und die deutschen Staaten anging. Ab 1.7.1875 waren alle deutschen Staaten und die Schweiz im UPU, daher war das Thema der Aufteilung der Gebühren ab diesem Zeitpunkt gegessen.

Liebe Grüsse,
Ralph
 
briefmarkenwirbler24 Am: 17.03.2015 18:43:06 Gelesen: 91232# 85 @  
@ stampmix [#83]

Guten Abend,

recht herzlichen Dank für deine Mühe, mir den entsprechenden Artikel rauszusuchen und die Passage zu markieren! Ich habe Ralph nicht richtig verstanden, als er von den 4 Rappen sprach, die Württemberg bekommen sollte, aber nun ist das Problem ja geklärt und ich kann eine neue Albenseite entwerfen. :)

Liebe Grüße

Kevin
 
bayern klassisch Am: 21.04.2015 14:40:15 Gelesen: 90899# 86 @  
Liebe Sammlerfreunde,

ein lieber Freund hat diesen Brief geschossen, den ich für schmuck und interessant halte.

Aufgegeben wurde er am 6.1.1859 in Bern und gerichtet nach Schwerin selbst. Die Aufgabepost taxierte ihn mit 6 Kr. vor, die die CH für einfache Briefe aus dem 2. Rayon für sich wollte.

Die badische Bahnpost übernahm ihn via Basel und wurde so zur Aufgabepost im Postverein, der die Postvereinsgebühr von 9 Kr. = 3 Sgr. = 5 Schillinge zustand.

Baden reduzierte die 6 Kr. für die CH gar nicht erst, sondern zogen sie mit ihren 9 Kr. gleich zusammen, bildete jedoch nicht die Summe in 15 Kr., sondern nach der Vorschrift in der Währung des Postgebietes, über das der Brief zu laufen hatte - Preußen! Also schrieb man 5 Sgr. an, mit denen man Preußen belastete. Preußen gab den Brief weiter an M-Schwerin, wo der CH - Anteil von 6 Kr. = 2 Sgr. in 3 Schillinge und der Anteil für Baden von 9 Kr. = 3 Sgr. in 5 Schillinge zum Gesamtporto von 8 Schillingen zusammen zog.

Briefe der Schweiz nach Mecklenburg Schwerin sind nicht häufig und einen schöneren wird man lange suchen müssen.

Liebe Grüsse von bayern klassisch


 
briefmarkenwirbler24 Am: 21.04.2015 15:30:50 Gelesen: 90889# 87 @  
@ bayern klassisch [#86]

Hallo Ralph,

tolles Stück, wow!

Dieser Beleg würde auch meine Sammlung gut zieren!

Liebe Grüße

Kevin
 
bayern klassisch Am: 21.04.2015 17:00:00 Gelesen: 90877# 88 @  
@ briefmarkenwirbler24 [#87]

Ich fürchte nur, dass er es nicht hergeben würde. Wenigstens habe ich ihn ihm beschreiben können und vielleicht kann ich das ein oder andere Stück in Zukunft bei ihm loseisen.

Liebe Grüsse,
Ralph
 
Gernesammler Am: 04.06.2015 20:07:16 Gelesen: 90205# 89 @  
Hallo Sammlerfreunde,

habe diesen schönen Brief vom 17.12.1815 bekommen, geschrieben von einem Herrn Pestalozzi aus Zürich (wenn es der Pestalozzi ist, den wir alle kennen wäre es natürlich super) an Herrn Zumstein und Söhne in Kempten/ Bayern.

Versendet wurde dieser als Auslagenbrief, bis zur Grenze betrug das Porto 6 Kreuzer welche Bayern mit einem Auslagenstempel bestätigte, oberhalb notierte die Bayrische Post 10 Kreuzer von denen 6 für die Schweiz und 4 Kreuzer für Bayern waren.

Der Brief beinhaltet ein Schreiben an Herrn Zumstein und eine Rechnung, vielleicht kann hier jemand mehr dazu sagen.

Gruß Rainer




 
bayern klassisch Am: 07.06.2015 16:10:22 Gelesen: 90120# 90 @  
@ Gernesammler [#89]

Lieber Rainer,

ein feines Stück - hast du gut gekauft! :-)

Ich darf aber kurz korrigieren - nicht Bayern hat hier einen Auslagestempel abgeschlagen, sondern Zürich. Das machte man dort immer so nach dem Postvertrag von 1829, wenn ein mit Porto belasteter Brief an Bayern übergeben wurde. Das eigene Porto schrieb man auf den Brief in der typischen Farbe und darauf schlug man den Auslage - Stempel ("Auslage von Zürich") ab.

Bayern addierte dann nur noch sein Porto - hier 4 Kreuzer - hinzu und ergänzte mit dem Gesamtporto von 10x die mathematische Pflichtaufgabe in Lindau, damit man in Kempten schnell ausliefern konnte (für Bayern Lindau - Kempten über 6 - 12 Meilen).

Inhaltlich ging es um Rechnungen und Zahlungen von Wechseln und Bekleidung, die man sich gegenseitig verkaufte.

Liebe Grüsse,
Ralph
 
Gernesammler Am: 07.06.2015 19:45:36 Gelesen: 90100# 91 @  
@ bayern klassisch [#90]

Hallo Ralph,

danke für die Richtigstellung bei dem Brief, hätte ich eigentlich auch selbst drauf kommen können stand ja "Auslage von Zürich" im Stempel, aber in der Eile halt übersehen.

Schön auf jeden Fall, dass der Brief gefällt, ich hatte mich darüber auch sehr gefreut, da dieser auch nicht zu teuer war.

Gruß Rainer
 
bayern klassisch Am: 07.06.2015 20:43:20 Gelesen: 90094# 92 @  
@ Gernesammler [#91]

Hallo Rainer,

den Auslage von Zürich - Stempel gab es schon vor dem 1829er Vertrag zwischen Bayern - Zürich und er wurde in diversen Typen bis in die 1830er Jahre hinein verwendet (jedenfalls kann ich ihn so lange nachweisen).

Das Postgebiet von Zürich (nicht der Kanton, der war viel kleiner) war der mit Bayern am innigst verwobene Vertragspartner, weshalb das Postaufkommen zwischen beiden Postgebieten sehr hoch war.

Daher hast du richtig gehandelt, eher wenig zu bezahlen. Seltener und entsprechend gesuchter sind nur Briefe hoher Gewichte (über 1 bzw. 1,5 Loth) bzw. von Transiten aus einem wenig erschlossenen Teil der Schweiz über das Postgebiet von Zürich nach Bayern.

Liebe Grüsse,
Ralph
 
bayern klassisch Am: 08.06.2015 11:12:54 Gelesen: 90070# 93 @  
Liebe Freunde,

üblicherweise weisen Schweizer Briefe auch Schweizer Marken auf. Aber es gibt (gab) Ausnahmen ...





Ein Brief aus Ermatingen (Schweiz) vom 9.6.1854 wurde im ca. 4 km entfernten badischen Konstanz ("Constanz" mit falsch geschnittenen "Z" ist immer lustig zu sehen) aufgegeben und frankiert. Als Postvereinsbrief über 20 Meilen nach Augsburg kostete dieser 9x.

Aus der Schweiz hätte er 3x für die Schweiz und 9x für Bayern zahlen müssen und eben diese 3x wollte man sich sparen, indem man 4km hin und 4km wieder zurück lief, aber das Wetter am schönen Bodensee wir Anfang Juni 1854 wohl genauso gut gewesen sein, wie heute bei uns. :-)

Liebe Grüsse von bayern klassisch
 
Heinz 7 Am: 09.06.2015 23:01:33 Gelesen: 90028# 94 @  
@ bayern klassisch [#93]

Lieber Ralph,

in der Schweiz haben viele Leute im 19. Jahrhundert mit "forwarder"-Briefen Porto gespart. Auch Basel kennt einige solche teil-privat-beförderten Briefe.

Danke für das Zeigen!

Heinz
 
Magdeburger Am: 02.07.2015 17:32:45 Gelesen: 89684# 95 @  
Liebe Sammelfreunde,

obwohl der Umschlag nicht ganz paßt, aber schon einiges aus dieser Zeit im Thread enthalten ist, stelle ich ihn hier ein:



Am 06.01.1872 wurde er in Basel aufgegeben und einen Tag später war er schon in Magdeburg. Genutzt wurde ein 25 Rappen-Umschlag - die Erhaltung ist nicht so doll - aber etwas passendes zu finden, ist für mich nicht so einfach.

Mit freundlichem Sammlergruss

Ulf
 
bayern klassisch Am: 02.07.2015 17:47:08 Gelesen: 89678# 96 @  
@ Magdeburger [#95]

Lieber Ulf,

es freut mich sehr, dass du deine Sammlung um diesen netten Schweiz - Brief hast erweitern können.

Ab 1.9.1868 kosteten einfache Briefe (bis 1 Loth, dann bis 15g) 25 Rappen im Frankofall, wowon die CH 10 Rappen und das Deutsche Reich 15 Rappen bekamen, auch wenn dies nicht als Weiterfranko notiert wurde.

Dies galt bis zum 30.6.1875, als der UPU kam.

Schweiz - Briefe nach Magdeburg wird man in der klassischen Epoche nicht viele bekommen!

Liebe Grüsse,
Ralph

P.S. Ist das Fahrpost - Buch schon bei dir?
 
Gernesammler Am: 02.07.2015 19:49:57 Gelesen: 89670# 97 @  
@ Magdeburger [#95]
@ bayern klassisch [#96]

Hallo Ulf, hallo Ralph,

von diesen Ganzsachen Umschlägen kann ich auch noch zwei zeigen, der erste ist aus Burgdorf im Kanton Bern und wurde am 22.1.1869 versendet, der zweite kommt aus Uznach im Kanton St.Gallen und wurde im gleichen Jahr am 23.10. versendet. Beide Briefe nahmen Ihren Weg nach Lindau am Bodensee.

Das Porto je Brief betrug 25 Rappen, dass weitere dazu hatte Ralph ja schon erwähnt. In diesem Vertrag vom 1.9.1868 wollte man zur Frankatur zwingen indem man die Briefe die unfrankiert versendet wurden zu doppelter Taxe spedierte.

Gruß Rainer


 
remstal Am: 02.07.2015 22:28:06 Gelesen: 89653# 98 @  
Hallo zusammen,

eine kleine Anmerkung zu den von Magdeburger und Gernesammler gezeigten Ganzsachenumschlägen. Die von Gernesammler vorgestellten Umschläge tragen den Wertstempel rechts,der von Magdeburger gezeigte Umschlag hat den Wertstempel links:

Bei den bis 1.9.1869 hergestellten Umschläge war der Wertstempel rechts aufgedruckt, was auch den heutigen Vorschriften für die Frankierung entspricht. Nach diesem Zeitpunkt erfolgte der Aufdruck auf der linken Seite, aus welchen Gründen auch immer. Quelle: Altschweiz - was nicht im Katalog steht von J. Bühler.

Herzl. Gruß remstal
 
bayern klassisch Am: 03.07.2015 06:41:02 Gelesen: 89635# 99 @  
@ remstal [#98]

Hallo remstal,

da bringst du einen interessanten Aspekt in die Diskussion ein.

Zu Anbeginn waren die Marken und die später erschienenen Ganzsachen links zu kleben bzw. eingedruckt.

Der Grund lag (auch) im wichtigen "Frei" - Vermerk, der ebenfalls links, aber unten anzubringen war. Dieser Vermerk war nie obsolet in der Klassikzeit und so konnte man auf dem linken Teil der Adressseite mit einem Blick sehen, ob frankiert war, werden sollte, oder nicht und wie viel verklebt worden war.

Später, als von dieser ehernen Regel auch abgewichen wurde, sollte man oben links noch die Gewichtsstufe notieren, wenn diese nicht gerade einfach war, so dass die linke Seite eines Briefes auch mal etwas überladen sein konnte.

Auch ist es für einen Rechtshänder leichter, links (oben) Platz für eine spätere Frankatur zu lassen, als rechts, wo er ja dann kalkulieren müsste, ob der Platz reicht, oder nicht.

Liebe Grüsse,
Ralph
 
remstal Am: 03.07.2015 09:54:50 Gelesen: 89610# 100 @  
@ bayern klassisch [#99]

Hallo bk,

vielen Dank für deine Erläuterung.

Herzliche Grüße Anton
 
bayern klassisch Am: 16.08.2015 08:54:12 Gelesen: 89025# 101 @  
Liebe Freunde,

besondere Briefe erfordern besondere Maßnahmen, könnte man sagen. Jedenfalls war mir beim Anblick dieses Geschosses klar (ohne die Rückseite gesehen zu haben), was damals falsch lief und so konnte ich ihn meiner Bayern - Österreich und Bayern - Schweiz - Sammlung einverleiben.



Geschrieben und zur Post gebracht wurde er im schönen Basel am 23.1.1855. Als ursprüngliche Adresse stand J. J. Voigt Steyr da, aber dem traute man nicht. Da er unfrei auf seine Reise gehen sollte, dachte man in Basel wohl an des bedeutendere Speyer in der bayerischen Pfalz und notierte unter "Steyr" "vermutlich Speyer". Oft ist mitgedacht gut, aber halt nicht immer ...

Der Brief wurde folglich mit 3 Kr. Rötel (ganz links sehr groß von Basel notiert) für die Schweizer Strecke taxiert und Baden übergeben, wie alle andere Korrespondenz in die Pfalz auch.



Ausweislich der Siegelseite erkennen wir den badischen Bahnpoststempel E. B. 24.1.1855 Kurs II. Da der Brief mit 3 Kr. belastet Baden angedient worden war, die Baden von Bayern wieder haben wollte, musste man ihn mit 9 Kr. für Baden (Haltingen wurde Vereinsaufgabepost) taxieren und tat dies unten in schwarzer Tinte der Bahnpost. Dieser Kurs lief vom 5.11.1854 bis zum 30.4.1855 von Haltingen (nah bei Basel) nach Heidelberg, wobei er um 6.57 Uhr in Haltingen abfuhr und um 13.41 Uhr in Heidelberg war, aber so weit war unser Brief nicht gelaufen, denn er wurde in Mannheim zuvor ausgeladen und von 2 Packern aus Ludwigshafen über die Rheinbrücke nach Ludwigshafen gebracht, wo er weiter nach Speyer gefahren wurde (schon mit der Bahn!).

In Speyer kam er am 25.1.1855 an und wurde mit groß 12 Kr. links taxiert, indem man die 9 Kr. von und für Baden strich und korrekt die Summe bildete aus 3 Kr. für die Schweiz und 9 Kr. für Baden. Alsbald wurde er dem Briefträger zur Bestellung übergeben. Da es aber keinen J. J. Voigt in Speyer gab, musste dieser den unanbringlichen Brief mit einem klärenden Vermerk versehen, damit man später sehen konnte, warum er nicht zugestellt werden konnte. Dies tat er mit den Worten "Unbekannt in Speyer - gez. Unterschrift, Bft (Briefträger).

Bis dahin war die Sache noch vergleichsweise einfach gewesen und alles im Stand mittlerer Routine zu sehen. Aber jetzt wurde ein Retourbrief daraus und Retourbriefe waren damals nicht einfach zu verrechnen, wie wir gleich sehen werden.

Speyer als gedachte Abgabepost war von Baden mit 12 Kr. belastet worden, die mangels geeignetem Empfänger nicht kassiert werden konnten. Bei der Rücksendung nach Baden musste sich Speyer (Bayern) somit von diesen 12 Kr. entlasten. Der Brief war bei der Rückleitung nach Mannheim summarisch mit 12 Kr. "Retourporto" in der entsprechenden Spalte der mitlaufenden Briefkarte zu notieren.

Mit der Akzeptanz dieser Rechnungsstellung (und Baden hatte sie akzeptiert, weil sie richtig war), lag nun der Schwarze Peter bei Baden, die ihre eigenen Forderung von 9 Kr. unbefriedigt sahen und ja noch mit 3 Kr. von der Schweiz belastet worden waren.

Am 28.1.1855 lief er folglich mit der Badischen Eisenbahn (E.B.) Curs III mit Punkt (also südlich gerichtet) ursprünglich von Heidelberg (Abfahrt 15.20 Uhr, Ankunft in Offenburg um 20.14 Uhr, so möglich in der Zeit vom 5.11.1854 bis 30.4.1855) zurück nach Basel, wo er am 30.1.1855 ankam.

Auch wenn der Brief nicht in Speyer zugestellt werden konnte, so hatten doch die Postverwaltungen (PVw) von der Schweiz und Baden (Bayern hatte bei dergleichen Briefen kein Porto anzusprechen) ihren Job gemacht und von daher Anspruch auf die tarifliche Vergütung. Baden hatte seine Forderung von 9 Kr. der Schweiz in der Retourbriefspalte notiert und sich gleichzeitig von den belastenden 3 Kr. Basels befreit, wohingegen die Schweiz (Basel) nun die 9 Kr. für Baden und die eigenen 3 Kr. vom Empfänger zu kassieren hatte, denn bei nicht bestellbaren Portobriefen war stets der Absender für die Zahlung des Portos haftbar zu halten.

Dieser wird den Baslern aber etwas erzählt haben, denn sie hätten ja den Brief gar nicht in die Pfalz, sondern nach Steyr in Oberösterreich schicken sollten. Daher ergänzte man oben "Steyr Oboesterreich". Nachdem man das geklärt hatte, schrieb man oben rechts in Rötel frech "pro 6" (Kreuzer) auf den Brief, wollte also nach den ersten 3 Kr. mit Fehlleitung noch 3 weitere Kreuzer für die richtige Versendung vom Empfänger in Steyr haben. Aber das war natürlich falsch, denn man hatte insgesamt nur 3 Kr. anzusprechen, weshalb die falsche Notation "pro 6" gestrichen und durch die richtigen "3" in Rötel unten links ersetzt wurde.

Nun war zu beachten, dass die Schweiz ihre Briefe nach Österreich auf mehrfache Weise spedieren konnte:

1. Nach Bregenz direkt

Hierbei wäre das Problem entstanden, dass auch Österreich die 9 Kr. nach dem PV vom 1.11.1852 für sich in Anspruch genommen hätte, auf die ja schon Baden bestanden hatte.

2. Über Bayern nach Österreich via Lindau.

Hier hätte, nach Baden, auch Bayern auf einen Transit von 9 Kr. plädiert, also war auch diese Leitung nicht opportun.

3. Über Württemberg im geschlossenen Transit durch Bayern nach Österreich via Friedrichshafen.

Auch diese Leitung hätte das Problem verursacht, dass neben Baden nun Württemberg das Postvereinsporto von 9 Kr. angesprochen hätte und aus diesen Bayern für die Gewährung seines stillen Transits Neu-Ulm bis Passau 2 Kr. hätte abtreten müssen.

Es blieb also nur die Lösung Numero 4 - erneute Abgabe an die badische Bahnpost mit der Leitung des Briefpaketes im geschlossenen Transit via Württemberg und Bayern (Ulm - Passau) nach Österreich, wobei Baden hierfür ca. 1 Kr. an Württemberg und ca. 2 Kr. an Bayern zahlen musste.

Da Baden ja noch auf seinen 9 Kr. bestand, die es aus der falschen Hinsendung zu bekommen hatte, war auch keine Neuverrechnung nötig, denn diese 9 Kr. wurde nur in der Briefkarte von Basel zur badischen Bahnpost erneut vorgetragen und damit das Retourporto gelöscht.

Erneut hatte also die Schweiz 3 Kr. von Baden zu bekommen und Baden jetzt aber 9 Kr. CM von Österreich. Den geschlossenen Transit können wir anhand der fehlenden Stempel Württembergs und Bayerns gut nachvollziehen, denn der erste Stempel zeigt uns den von Linz vom 5.2.1855 und dann den von Steyr vom 6.2.1855. Steyr sah nun (hoffentlich!) die Rötel 12 oben links unter dem Absenderstempel und kassierte folglich 12 Kr. Conventionsmünze (CM) vom Empfänger, der nach einer rechten Odyssee endlich seinen Brief vom 24.1.1855 in Händen halten durfte.

Steyr kassierte also 12 Kr. CM, die paritätisch 14,4 Kr. rheinisch entsprachen und vergütete sie komplett an Baden zurück, welches ja von der Schweiz zuvor mit 12 Kr. rh. belastet worden war. Baden behielt davon alles, bis auf 3 Kr. rh., die man der Schweiz vergütete und befriedigte aus den restlichen 11,4 Kr. rh. mit 1 Kr. Württemberg und mit 2 Kr. Bayern für deren Transitgewährung, so dass man netto 8,4 Kr. rh. behalten durfte, dafür aber 2 "Überfahrten" zu machen hatte.

Lukrativ war sicher anders, aber am Ende waren alle (bis auf die Korrespondenten) froh, den Brief endlich physisch und rechnerisch sauber aus den Büchern bekommen zu haben.

Wem das jetzt alles zu kompliziert erscheint, der darf sich mal ausmalen, was passiert wäre, wenn der Absender zwischenzeitlich nach Italien oder Frankreich abgereist wäre und man ihm seinen Retourbrief nach dorthin hätte nachsenden müssen. Alternativ hätte er auch den Firmenstempel vergessen haben können und die Post in Basel hätte erst einmal den Absender zu ermitteln gehabt.

Man sieht also, dass nach kompliziert noch komplizierter kommt und wenn so einer mal auftaucht, werde ich nicht zögern, ihn euch hier vorzustellen.

Liebe Grüsse von bayern klassisch
 
stampmix Am: 16.08.2015 09:44:18 Gelesen: 89016# 102 @  
@ bayern klassisch [#101]

Ein herrlicher Brief zum Sonntag-Morgen, den du wieder perfekt präsentiert hast und bei dem ich viel über Taxierungen lerne. Als Anfänger bei den Taxierungen der damaligen Zeit stellt sich mir die Frage, warum bei der Fehlleitung nach Speyer die bayrische Post für den Transport nach Speyer kein Porto erhielt? Die 12x gingen wurden doch schon von Baden beansprucht.

... in Heidelberg war, aber so weit war unser Brief nicht gelaufen, denn er wurde in Mannheim zuvor ausgeladen ...

Von Basel kommend lag (und liegt) Mannheim hinter Heidelberg. Anbei die Karte des Eisenbahnstreckennetzes von 1855, die auch zeigt, welchen Umweg der Brief auf dem Weg nach Steyr über Basel-Karlsruhe-Stuttgart-Ulm-Friedrichshafen im geschlossenen Transit genommen hat.

http://www.ieg-maps.uni-mainz.de/gif/e855d_a3.htm

mit bestem Gruß
stampmix
 
Saguarojo Am: 16.08.2015 09:55:52 Gelesen: 89014# 103 @  
@ bayern klassisch [#101]

Lieber bayern klassisch,

meine Hochachtung für diese "kriminologische Entschlüsselung". Phantastisch, ich bin begeistert.

Viele Grüße
Joachim
 
bayern klassisch Am: 16.08.2015 10:52:19 Gelesen: 89005# 104 @  
@ stampmix [#102]

Hallo stampmix,

danke für die netten Worte. Mit Heidelberg habe ich das unglücklich formuliert - ich meinte, dass er dort nicht behandelt wurde, sondern nach Mannheim durchgereicht wurde. Ich werde das zu korrigieren versuchen.

Korrektur ging leider nicht - die Korrekturzeiten sind hier sehr kurz und weniger für Postgeschichtler geeignet, die komplexe Sachverhalte aufzeigen.

Liebe Grüsse von bayern klassisch

@ Saguarojo [#103]

Lieber Joachim,

ich freue mich, wenn du dich freust. :-)

War auch ein ganz schönes Stück Arbeit, ihn so zu beschreiben, dass alle "drin" ist, was seine Besonderheiten ausmacht.

Liebe Grüsse,
Ralph
 
Heinz 7 Am: 19.08.2015 23:09:44 Gelesen: 88819# 105 @  
@ bayern klassisch [#93]

Lieber Ralph,

Dein "Forwarder"-Brief über die Landesgrenze hinaus hat mir sehr gut gefallen. Ich habe ihn gestern im Verein als "Stück des Abends" präsentiert. Dabei werden den Mitgliedern 2-3 Fragen gestellt zu einem gezeigten Brief oder einer Briefmarke. Nicht alle Mitglieder haben erkannt, was für einen interessanten Brief Du da entdeckt hast. Gratulation!

Heinz
 
bayern klassisch Am: 20.08.2015 10:19:21 Gelesen: 88777# 106 @  
@ Heinz 7 [#105]

Lieber Heinz,

ich finde es klasse, dass du auf diese Weise die Postgeschichte zum Leben erweckst und ihr über besondere Briefe diskutiert und euch Gedanken macht. Würden das nur mehr Sammler tun!

Liebe Grüsse,
Ralph
 

Das Thema hat 181 Beiträge:
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