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Thema: (?) (30) Realauktionen: Dokumentation von Fälschungen und unzulässigen Angeboten
Das Thema hat 32 Beiträge:
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doktorstamp Am: 20.08.2018 19:21:48 Gelesen: 15969# 1 @  
Heute erhielt ich einige Auktionskataloge der Firma Cavendish. [1]

Zwei davon waren mir uninteressant und wurden gleich in die Rundablage entsorgt.

Beim dritten Katalog habe ich reingeschaut, ein Los fiel mir auf, und zwar Los #2406. Die Auktion ist für den 26. 9.2018 angekündigt. Laut Beschreibung;

Lot 2406
GERMANY - SCARCE INFLATION PERIOD COVER: Oct 1923 env(elope). Gottingen-Hamburg with scarce single franking of 800,000m on 200m carmine SG 296 Cat. 750eu on cover. (1 item)
Estimate: £180 [2]

Folglich Mi303 als EF auf Brief. Abbildung auf der Webseite.



Eine Abbildung der Rückseite ist nicht vorhanden, und diese Tatsache erübrigt sich beim Betrachten des Belegs. Der Stempel ist grottenfalsch. Datum 7.10.23. (PP19) Für den einfachen Fernbrief war 2.000.000 Mk erforderlich. Ortsbriefe konnten für 800.000 Mk verschickt werden, es handelt sich aber wie ersichtlich um keinen Ortsbrief sondern um einen angeblichen Fernbrief.

Ich habe noch heute Nachmittag der Firma angerufen und ihnen alles erklärt. Er meinte vorläufig der Beleg könne unter Vorbehalt noch angeboten werden. Zitat, "Wir werden künftige Bieter darauf auf die mögliche Fälschung hinweisen". Worauf ich ganz klar ein, Nein, der Beleg wird zurückgezogen, und kommt nicht zum Verkauf erwiderte. Was er letzten Endes zustimmte. Bleibt abzuwarten ob er tatsächlich entfernt wird, immerhin kann man den Kataloginhalt online verfolgen.

Verantwortlich u.a. für den Kataloginhalt ist ein Ben Palmer, der neulich in den Reihen der A.I.E.P aufgenommen wurde.

mfG

Nigel

[1]http://www.cavendish-auctions.com
[2]http://www.cavendish-auctions.com/catalogue_search.asp
 
bayern klassisch Am: 20.08.2018 19:37:52 Gelesen: 15950# 2 @  
@ doktorstamp [#1]

Lieber Nigel,

ich bin Lichtjahre vom Infla - Experten entfernt, aber selbst ich hätte das als miese Fälschung enttarnt. Es ist sehr schade, wenn solche Gurken den Weg in Auktionskataloge finden.

Die Widerrede des Auktionators spricht auch nicht gerade für ihn und sein Haus. Ich befürchte, dass das "gute Stück" bald woanders auftaucht und dort einen Dummen sucht.

Liebe Grüsse,
Ralph
 
Fips002 Am: 18.07.2019 19:38:59 Gelesen: 15323# 3 @  
Heute erhielt ich den Katalog vom Auktionshaus Karl Pfannkuch & Co.

Unter der Losnummer 2196 wird für die Auktion am 8.8.19 folgendes Los, Deutsche Kolonien Marianen, angeboten [1]:

Prachtbrief mit Mi.Nr. 1II bis 6II mit Stempel "DEUTSCHE SEEPOST AUSTRALISCHE HAUPTLINIE f-3.2.01" nach Hamburg-Hohenfelde gelaufen mit Ankunftstempel 8.3..01", Ausruf 120 Euro.

Dieser Stempel wurde auf dem Postdampfer "GROSSER KURFÜRST" verwendet. Dieser angebotene Brief ist eine Fälschung.

Eine echte Verwendung unter diesem Datum gibt es nicht, denn das Datum beinhaltet die 191. Heimreise vom GROSSER KURFÜRST zwischen Fremantle und Colombo.

Dampfer der Linie AUSTRALISCHE HAUPTLINIE haben nicht die Marianen angelaufen. Saipan/Marianen wurde 1901 nur von den Schiffen der DEUTSCHEN SEEPOST/NEU/GUINEA/ZWEIGLINIE/HONGKONG angelaufen.

Fahrtverlauf vom GROSSER KURFÜRST: Sydney 15.01.01, Melbourne 171.01, Adelaide 22.1.01, Fremantle 26.1.01, Colombo 4.2.01, Aden 11.2.01, Suez 15.2.01, Port Said 16.2.01, Neapel 19.2.01, Genua 21.2.01, Southampton 28.2.01, Antwerpen 1.3.01, Bremerhaven 4.3.01.

Der Stempel wurde unter Missbrauch des Seepoststempels und Veränderung des Datums auf dem nicht beförderten Brief im Heimathafen des Schiffes vorgenommen und zusätzlich noch mit missbräuchlich angebrachten Eingangsstempel von Hamburg 8.3.01 versehen.

Auf diesen wertlosen Seepoststempel wird im Band 2 - Die Postwertzeichen und Entwertungen der deutschen Postanstalten in den Schutzgebieten und im Ausland hingewiesen- Friedemann/Wittmann.

Das Auktionshaus werde ich informieren.

Dieter



[1] https://katalog.karl-pfankuch.de/de/i_9241_40019/210_Deutsche_Kolonien_Marianen/A220-2196.html?set_sprache=de&set_gesetz_bestaetigt_jn=J&gesetz_bestaetigt_neu=J&pos_von=2196&pos_bis=2196&breadcrumbId=1563475257.4049
 
umdhlebe Am: 26.07.2019 19:27:57 Gelesen: 15120# 4 @  
Ein weiterer guter Name mit einem bedauerlichen Angebot:

Am 6. August 2019 bietet Cherrystone in New York angeblich einen grünen Souvenirblock aus Theresienstadt [1]. Davon gibt es nur noch sehr wenige, da viele davon nach dem Sieg über den Faschismus zerschnitten wurden und heute als "ungezähnte" Theresienstadtmarken angeboten werden (eBay und die Auktionskataloge sind voll davon).

Doch man sehe sich dieses seltene Exemplar an:



Es ist gummiert und gezähnt, und nicht nummeriert. Prof. Gilbert, der diese Blocks nach Auskunft von Theodor Möbs ("Theressientadt - Eine philatelistische Studie", Frankfurt a.M, ohne Jahr) nicht selbst besessen und wiederholt falsch beschrieben hat, soll 1978 ein Zertifikat dazu geliefert haben (das nirgends abgebildet ist).

Die Souvenirblocks waren jedoch allesamt ungummiert, ungezähnt (um eine spätere Verwendung als Marken zu verhindern, denn die Nationaloszialisten waren an einer strikten Beschränkung der Paketzustellung an ihre Opfer interessiert) und nummeriert (die grünen Blocks in roter Farbe). Es gab auch Probedrucke, aber nur in 5x5 Bögen, wie die eigentlichen Marken.

Von den echten Marken wurden 100.000 gedruckt und 78.000 ausgegeben, von den Souvenirblocks gab es in drei Farben jeweils 1000.

Das Auktionshaus habe ich freilich informiert, und die Antwort war: Das ist ein Spezial-Bogen - nicht im Michel-Katalog gelistet. Er ist sehr selten und wir haben schon früher einige davon verkauft ("This is a special sheet - not listed in the Michel catalog. It is very rare and we have sold several before.")

Nun hatte ich ja in meiner E-Mail alle möglichen Formen dieser Marke - mit Ausnahme weiterer Probedrucke, die in schwarzer Farbe erstellt wurden - genannt, und habe deshalb zurück gefragt: 1. aus welchem Druckvorgang diese Spezial Bögen stammen, 2. wann dieser stattfand, und 3. was eigentlich in dem Zertifikat von Gilbert steht. Im Auktionskatalog ist diese Marke wohlgemerkt als "#Mi.1" präsentiert. Eine Antwort steht noch aus.

Es ein weiteres bedauerliches Beispiel dafür, dass selbst manche renommierte Auktionshäuser ihrer Sorgfaltpflicht nicht einmal mehr ansatzweise nachkommen. Aber mal eben eine Fälschung für 4.500 US-$ ausrufen und 15 Prozent Kommission kassieren - null Problemo.

Und es ist ein weiteres Beispiel dafür, dass einen weder Renommee der Verkäufer noch Prüfzertifikate gesichert vor Schaden bewahren, sondern allein philatelistisches Wissen.

umdhlebe

[1] https://www.cherrystoneauctions.com/_auction/results.asp?auction=&country=GERMAN+WORLD+WAR+II+OCCUPATION+ISSUES+Bohemia+%26+Moravia+%2D+Theresienstadt
 
GSFreak Am: 10.08.2019 18:23:57 Gelesen: 14853# 5 @  
Vor ein paar Tagen habe ich erreicht, dass folgender Beleg von einer Auktion (22.08.) zurückgezogen wird.



Es ist eine am 17.09.1945 (blanko) gestempelte Ganzsache (Aufbrauchausgabe Amerik. Zone, Wertaufdruck A, P A609), die offensichtlich nachträglich beschriftet worden ist (häufig typisch bei so etwas ist der Einsatz einer Schreibmaschine), um einen echten Bedarf vorzutäuschen. Aber:

1. Der Interzonen-Postverkehr aus der RPD Nürnberg (hier Ochsenfurt) nach der französischen Zone (hier Saarbrücken) war erst ab 29.10.1945 zugelassen.

2. Der Sprachvermerk fehlt.

Im Übrigen ist der Text recht "läppisch" und Gruß/Unterschrift in Tinte wirken zudem sehr gekünstelt.

Gruß Ulrich
 
Heinz 7 Am: 10.08.2019 23:11:49 Gelesen: 14744# 6 @  
@ doktorstamp [#1]
@ bayern klassisch [#27]

Ich komme recht spät auf diese zwei Beiträge zurück, weil ich sie vor knapp einem Jahr nicht kommentieren wollte. Nun aber möchte ich doch Folgendes zu bedenken geben.

1. Cavendish ist ein renommiertes britisches Auktionshaus, das schon mehrere Dutzend von guten Auktionen veranstaltet hat. Ich persönlich finde es sehr schade, Auktionskataloge dieser Firma wegzuwerfen, denn die meisten davon sind interessant. Eine Alternative zu "wegwerfen" wäre, die Kataloge einer Bibliothek zu überlassen. Ich sende Euch gerne Adressen von solchen Bibliotheken.

2. Los 2406 der erwähnten Auktion ist eine gut gelungene Fälschung, offenbar. Dass dies erkannt und anerkannt wurde, ist ja grundsätzlich positiv. Bravo Nigel. Dass der Stempel aber "grottenfalsch" sei, impliziert, dass der Beschreiber des Loses dies ohne Weiteres hätte selber feststellen müssen. Dies finde ich nun sehr anspruchsvoll. Viele Betrachter des Briefes würden wohl den Stempel nicht als falsch erkennen, er gleich meines Wissens doch ähnlichen (echten) Stempeln.

3. Ben Palmer ist ein hervorragender Philatelist. Auch als solcher kann er nicht jedes von Hunderten, ja Tausenden von Losen fehlerfrei beschreiben (bzw. beschreiben lassen/ das ist Teamarbeit). Dies umso mehr, als es sich um einen geringwertigen Beleg handelt (Estimate lediglich £ 180).

Warum nehme ich hier Cavendish & Ben Palmer in Schutz?

Ich finde, wir erfahrenen Philatelisten sollten nicht "Wunderdinge" erwarten/verlangen von Verkäufern/Philatelisten/Händlern/Auktionatoren oder auch Prüfern und wir sollten nicht negative Annahmen äussern, wenn wir dafür nicht einen wirklich triftigen Grund haben. Ben Palmer (oder Cavendish) zu verdächtigen, er würde Fälschungen wissentlich zum Schaden von gutgläubigen Sammlern verkaufen (lassen), halte ich für abwegig und rufschädigend. Ben Palmer, Mitglied der A.I.E.P., hat dies meines Erachtens nicht verdient. Ich bitte um Fairness.

Übrigens: zur A.I.E.P. (zum Teil heute kopiert aus der Homepage der AIEP):
The “International Association of Philatelic Experts” is a non-profit organisation founded in Merano-Meran, Italy, on 10 October 1954.

Ben Palmer ist Experte für:
Australian States Postal History (to 1912)
Expert since: 2013 · AIEP member since: 2017

In der A.I.E.P. arbeiten viele hoch verdienten Philatelisten mit; einer, der hier bekannt ist, ist Lars Böttger. Man muss viel leisten, bevor man Mitglied wird in einer solchen Organisation.

Heinz
 
umdhlebe Am: 11.08.2019 11:54:36 Gelesen: 14696# 7 @  
@ Heinz 7 [#6]

Dass der Stempel aber "grottenfalsch" sei, impliziert, dass der Beschreiber des Loses dies ohne Weiteres hätte selber feststellen müssen. Dies finde ich nun sehr anspruchsvoll. ... Ich finde, wir erfahrenen Philatelisten sollten nicht "Wunderdinge" erwarten/verlangen von Verkäufern/Philatelisten/Händlern/Auktionatoren oder auch Prüfern und wir sollten nicht negative Annahmen äussern, wenn wir dafür nicht einen wirklich triftigen Grund haben.

Dem möchte ich ganz entschieden widersprechen, aus zwei Gründen:

1. Auktionsfirmen berechnen Aufschläge zwischen 15 und 25 Prozent des Zuschlagpreises, und sie wälzen alle Zusatzkosten wie Verpackung, Porto und Versicherung ebenfalls auf die Käufer ab. Da bleibt - gerade angesichts der Existenz von internet-basierten Möglichkeiten wie eBay und Delcampe - die Frage: Wofür kassieren Auktionshäuser eigentlich eine solch enorme Profitmarge? Eine Antwort, die mich überzeugen würde, wäre: Sie tun alles Erdenkliche, um die Käufer vor Schaden und Betrug zu schützen. Wenn jedoch philaseiten-Mitglieder mit ihrem privat erworbenen Wissen wiederholt Fälschungen schon beim bloßen Anblick der Kataloge erkennen, dann wird in den Auktionshäusern offenkundig auch hier an Kosten gespart.

2. In den letzten Monaten wurden hier wiederholt nicht nur (Ver-)Fälschungen identifiziert, sondern die Auktionshäuser auch darauf aufmerksam gemacht. In den allermeisten Fällen wurden die Verkäufe trotzdem durchgeführt.

Der Verkauf von zweifelhaftem Material ist eine der größten Gefahren für die Zukunft der Philatelie, denn kaum etwas schreckt Sammler mehr von diesem Hobby ab, als Geld für Fälschungen auszugeben. Doch sehr viele Auktionshäuser sind offenkundig allein auf ihren augenblicklichen Umsatz fixiert und machen lieber den schnellen Euro als in den langfristigen Schutz der Philatelie zu investieren - selbst wenn das Ergebnis ist, dass sich ihre Käufer erschreckt vom Hobby abwenden.

Ich finde es absolut richtig und wichtig, hier jedes zweifelhafte Los öffentlich zu diskutieren, und im Falle von identifizierten Fälschungen klare Warnungen gegen die Auktionshäuser auszusprechen, damit die Sammler wissen, dass sie interessante Lose selbst intensiv prüfen müssen. Aber das heißt auch, dass diese Auktionshäuser qualitativ nicht besser sind als eBay, sondern nur viel teurer.

umdhlebe
 

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