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Thema: Abenteuer auf der Reise – Auge in Auge mit der örtlichen Postverwaltung
Bendix Gruenlich Am: 10.04.2021 21:03:00 Gelesen: 9532# 1 @  
Liebe Sammler,

Urlaub heißt Erholung, aber sicher auch Abenteuer. Und wer sammelt, der ist auch Jäger.

Was macht also der Sammler, wenn er in Urlaub ist?
Genau, er besucht die örtliche Post.

Einerseits in der Hoffnung auf einen guten Fang für die Sammlung, also auf Beute, ohne die man sich unmöglich zu Hause sehen lassen könnte. Und als Zeichen, dass man sich erfolgreich im Ausland durchgesetzt und zurechtgefunden hat, und welches deshalb für immer zum ewigen Ruhm als Trophäe in die Sammlung aufgenommen wird.

Natürlich muss auch was für die Urlaubsgrüße her, die man nach Hause schickt, und da hat man ja einen Ruf zu verlieren.
Dieser Tage erinnerte ich mich daran und schaute Karten durch, die überlebt haben.

Das älteste Exemplar – sozusagen die Nr. 1 - lade ich einmal hoch. Und das Ergebnis ist.....völlig trivial.

Tja, sieht so aus als, wäre man als ambitionierter Tiger gesprungen und als kastrierter Hauskater gelandet. So etwas kommt vor, wenn es dem bösen Postler nicht gefällt.



Was wäre hier nicht alles möglich gewesen? Praktisch alles ab 1936 – also von Franco (zum Gruseln) bis zu Kathedralen im Stichdruck (zum Niederknien schön). Aber seinerzeit (1990 – 21 Jahre alt – philatelistisch noch jung und dumm, ohne historische Bestände und Doubletten, und das Geld saß auch nicht so locker) gluckten ja alle auf ihren postfrischen Hortungsbeständen und das Preisniveau war ein anderes.

Gott sei Dank, habe ich damals noch in einem anderen Postamt eine Sonderausgabe gekriegt - das war ein Sechser-Zusammendruck historische Schmiedekunst in Stichdruck - und die wärmen mir bis heute noch immer das Herz, wenn ich im Album drüber stolpere.
 
buzones Am: 10.04.2021 21:27:14 Gelesen: 9518# 2 @  
Lieber Bendix,

da hast du eine klassische Erfahrung gemacht was den Briefmarkenkauf in Spanien angeht! Danke für den netten Text.

Die von dir erwähnten Sondermarken zur Schmiedekunst sind wirklich gelungen, nachfolgend ein Beispiel für die anderen Leser hier:



Noch eine kleine Anmerkung zur von dir erwähnten Drucktechnik: Es heißt "Stich tiefdruck", nicht "Stichdruck".

Die obige Abbildung stammt aus dem Onlinekatalog aller spanischen Briefmarken der FESOFI, dem spanischen Pendant zum BDPh. Einsehbar unter [1].

Mit philatelistischen Grüßen
Ralf

[1] http://catalogodesellos.fesofi.es/ - nur auf Spanisch verfügbar!
 
Bendix Gruenlich Am: 10.04.2021 21:52:52 Gelesen: 9499# 3 @  
Und hier noch alle sechs Kostbarkeiten, nicht optimal getrennt, aber wunderschön:


 
Bendix Gruenlich Am: 18.04.2021 21:22:01 Gelesen: 9370# 4 @  
Liebe Sammler,

ich teile heute einmal folgende Erfahrung mit Euch (für Freunde der Jagd, der Gegenwartsphilatelie oder des Sammelgebiets).

1992 fand ich mich im August in der Türkei. Also, wenn man schon mal auf Tour ist, gehört selbstverständlich ein Besuch des Postamtes in der nächsten größeren Stadt für den Philatelisten zum festen Teil des Besuchsprogramms.

Manavgat, mit 200.000 Einwohnern mittelgroße Stadt, befindet sich im Bezirk Antalya, nah an der Küste und in der Nachbarschaft zum antiken Side (Apollon-Tempel, griechisches Theater). Tourismus spielt eine entscheidende wirtschaftliche Rolle, internationale Besucher sind daher allgegenwärtig.

Als man in die Post reinkam, war vielversprechend, dass sich im Eingangsbereich der Post ein Rahmen mit verschiedenen Sondermarken befand, eine Präsentationsform die sich so ähnlich auch in den 1970er bis 1990er Jahren in den Postämtern Deutschlands finden lies.

Allerdings fielen die niedrigen Nominalen und die leichte Verblasstheit der Farben auf (typische Folge lang anhaltender Lichteinwirkung – nun ja, unter anderem wurde ein Block aus dem Jahr 1987 gezeigt, die Ausgaben waren daher ca. fünf Jahre alt).

So war denn auch festzustellen, dass die ausgestellten Marken, gar nicht verfügbar waren. Am Schalter habe ich dann nach „pul“ = Briefmarken und „filateli“ gefragt.

Nachdem der Tarif für Postkarten nach Deutschland klar war (TRL 1.500), habe ich aus den vorrätigen Marken eine Auswahl (siehe unten) mitgenommen. Herrlich, mal lässt sich Seite für Seite im Vorratsbuch zeigen, was da ist.
Vorfinden konnte man Marken aus den Jahren 1990-1992, insbesondere Freimarken – vorrätige Sondermarken waren Einzelwerte aus Sätzen. Ein Angebot vollständiger Sätze im Sinne einer philatelistischen Konfektion gab es nicht.

Daraus schließe ich
• Eine Limitierung des Verkauf von Marken nur satzweise fand daher in diesem Postamt nicht statt, obwohl die Auflagen der Sätze von zwei oder vier verschiedenen Nennwerten zu der Zeit einheitlich 0,6 Mio. Stück betrug
• Verfügbarkeit von Sondermarken = eine bedarfsmäßige Verwendung war einem breiten Publikum möglich

Andere Länder, andere Sitten – das macht das Reisen ja so spannend. So auch die Designs und Themen (siehe unten)

• Allgegenwärtig in der Türkei ist Kemal Atatürk, so auch auf den Freimarken. Er hat es wohl verdient:
- Kriegsheld des ersten Weltkrieges und des anschließenden Verteidigungskrieges gegen die schier maßlosen Annektionsaktivitäten der Ententemächte und ihrer Parteigänger
- Staatspräsident, radikaler Reformer, Schöpfer der modernen westlich orientierten Türkei – ihm haben wir es zu verdanken, dass wir die Beschriftung auf türkischen Briefmarken lesen können (in dem er das lateinische Alphabet eingeführt hat)
- Säkularisierer, aber auch autoritär. Dem Alkohol soll er auch zugetan gewesen sein, nun ja.
• Tiere (nicht mein bevorzugtes Motiv, aber hier mit lokalem Bezug was Tierwelt und Entwurf angeht, auch die Farbauswahl ist nicht kontinentaleuropäisch)
• Olympiade 92 – hier ist es schön zu sehen, dass die in der Türkei und in der Region allgemein populäre Sportart Ringen, es auf den Höchstwert gebracht hat
• Die Marken mit Postbezug (150 Jahre türkische Post und Mittelmeerkabel) haben eher Freimarkencharakter, man findet sie häufig in der Tagespost dieser Zeit.

Die unten gezeigte gestempelten Marken mit Normalstempel sind echt gelaufen und weisen den typischen türkischen Handstempel (am Schalter aufgelieferte Post). Die gezeigte Postkarte wurde hingegen in den Briefkasten geworfen und zeigt eine abweichende Stempelform.

Ebenfalls landestypisch ist der große Respekt und die Hilfsbereitschaft, die in der Türkei dem ausländischen Besucher entgegengebracht werden, was auch hier half, die Sprachbarriere zu überwinden (und da darf man sich nichts vormachen, was vermutlich im umgekehrten Fall schwerer wäre).

Bereits seinerzeit litt das Land an Inflation, die sich in den Folgejahren immer weiter emporschaukelte und 2004 zu Millionennominalen führte (weswegen die Mitnahme von Freimarken höherer Nomialwerte seinerzeit einfach nicht ratsam war).

Den unten gezeigten Block erwarb ich mit meinen letzten Banknoten (alles musste weg!) in einem Souvenir-Shop (dort lagen ca. 100 Blöcke lose übereinander, ich glaube zum Preis von TRL 12.000, was seinerzeit ca. DEM 2,40 entsprach. Die Nominale der prächtigen Atatürk-Ausgabe von 1981 beträgt immerhin TRL 500. Im Ausgabejahr entsprach das einem Gegenwert von ca. USD 4,00 bzw. DEM 7,50 oder dem Porto für rund 50 Inlandsbriefen.

Eine soweit gelungene Erfahrung, die Atatürk-Freimarken und die Sonderausgaben der 1970er blieben aber meine Favoriten.






 
Bendix Gruenlich Am: 08.05.2021 14:26:58 Gelesen: 9201# 5 @  
Abenteuer in Deutschland? Aber ja!

Erstens wird doch wohl jeder von uns seine Erfahrungen mit Postlern gemacht haben (viele gute, leider manchmal schlechte). So war es seinerzeit (wir schreiben das Jahr 1994) nicht selbstverständlich auf Service ausgerichtete Postmitarbeiter zu finden. Ich wache noch heute schweißgebadet auf, wenn mir im Traum der Giftzwerg begegnet, der mir als Dreizehnjährigen (1982) immer wieder gesagt hat „Haben wir nicht, kriegst du nicht, watt willste“ nur wenn ich mal eine Woche nach Ausgabetermin nach der Vorrätigkeit von irgendwelchen Neuheiten gefragt habe. Ich hätte es vielleicht vergessen, wenn es ein einmaliges Ereignis gewesen wäre, aber das Personal der Ämter meines hassgeliebten Heimatstädtchens, war darin spezialisiert, einen zu kujonieren.

Zweitens beginnt das Abenteuer doch schon immer bereits dann, wenn wir unsere Wohnhöhle verlassen. Wer weiß, was einen da erwartet? Vielleicht auch ein Grund, warum wir unsere Sammlung zu Hause lassen, wenn‘s rausgeht. Es soll ihr nichts passieren (oder sind wir da etwa übervorsichtig – erst geht es für die Marken über hunderte und tausende Kilometer vom Absender zum Empfänger -und dann, nichts mehr, Stillstand?). Wir sind da selbst mutiger; oder muten wir uns da mehr zu?

Wie dem auch sei, tatsächlich ging es seinerzeit auf Radtour (nix geplant, nix vorgebucht, nur die Richtung war klar, wo abends Schluss war – das war die Überraschung, ein paar Banknoten in der Tasche – Aus dem Leben eines Taugenichts).

Und es ist doch erstaunlich, kaum sind wir draußen und von zu Hause weg, schon wenden wir uns aus der Ferne (mit einem Kärtchen) nach Hause und lassen die anderen wissen: wir sind unterwegs, wir machen da was - aber an Euch, da haben wir gedacht.


 
Bendix Gruenlich Am: 15.05.2021 17:18:45 Gelesen: 9116# 6 @  
Wer das Abenteuer im Ausland sucht, kommt auch in Deutschland auf seine Kosten. Denn das ist doch eine Frage der Perspektive - wer von außen zu uns kommt, muss das Treiben hier ja auch als exotisch wahrnehmen (isses ja auch). Und Deutschland ist so verschieden. Man fährt 100 km und trifft die Sprache leicht verändert an, die Architektur wird anders, usw, usw. Ständen wir uns gegenüber, wir würden staunen.

Wem das nicht reicht und wer die Reise noch bunter haben will, kann ja auch von deutschem Boden aus, einen Abstecher ins Ausland machen, wir haben schließlich 3.758 km Außengrenze.

Z.B. kurz nach Frankreich. Da kam ich auf der Reise vorbei, und befand mich, ehe ich mich versah, ebenda und habe zielgerichtet anno 1994 die Post in Lauterbourg angesteuert. Dort wurde ich mit den unten gezeigten Marken belohnt. Nun sind Motive immer eine Geschmacksfrage - ich war von der Qualität der Marken jedenfalls schwer begeistert.



Und war das jetzt ein gutes Geschäft und die richtige Entscheidung?

Mir gefallen die Marken immer noch, und es ist erstaunlich. Sehe ich die, sind die immer mit der Reise und der verkaufenden Postlerin verbunden (da fand ich bemerkenswert, dass die 1 km hinter der deutschen Grenze, im Elsass, vorgab kein Deutsch zu verstehen – habe ich halt in rostiges Französisch gewechselt. Und natürlich wollte ich herausfinden, ob das jetzt Franzosen oder Deutsche sind. Was ist da dran an den Konflikten der Vergangenheit, die immer wieder zitiert werden, und was ist die kulturelle Realität? Also, wenn die Postlerin nicht aus Paris vom Geheimdienst geschickt wurde, um deutsche Reisende zu täuschen, dann dominiert das Französische).

Und wenn Ihr meinen vorherigen Beitrag gelesen habt, wo ich mal wieder über meine lokalen Postler in meiner Heimatstadt (50.000 Seelen) hergezogen bin. Was bekomm ich in einem französischen 3.000 Einwohner Städtchen? Ein tolles Markenheftchen Französisch-Schwedische Beziehungen (1,5 Mio. Auflage – was seinerzeit deutlich unterdurchschnittlich war) – na also, es geht doch.

Fazit: die Marken sind unbezahlbar.

Ach ja, und die Franzosen, die könnte ich immer noch verkleben, während es sich die Deutsche Post sich bei der Euro-Einführung nicht hat nehmen lassen, die ausgegebenen Marken zu devaluieren (mich ärgert vor allem, dass man sie nicht mehr benutzen kann - echt schade um die Fülle der tollen Motive).

Deswegen sage ich heute mal: Vive la France!
 
Bendix Gruenlich Am: 22.05.2021 23:39:35 Gelesen: 9017# 7 @  
Und manchmal kommt man bei der Reise unter die Räder – genau wie das unten gezeigte Stück, das Blessuren aufweist. Ich tippe auf einen Fehleinzug der Sortier- / Stempelmaschine.

Man sieht, dass das Reisen in Deutschland auch gefährlich sein kann.



Waldshut am Rhein, seinerzeit hatte ich das Postamt in Waldshut zum Depot gemacht, denn man konnte seinerzeit noch Pakete inländisch poste restante versenden, perfekt zum Wäschewechsel. Bei der Gelegenheit wurde noch ein Kärtchen nach Hause geschickt.

Völlig unbeschadet hingegen kamen die einen Tag zuvor in Basel beschafften Marken an. Denn die wurden auf der dortigen Hauptpost gekauft, dann im Gepäck verstaut und sicher nach Hause transportiert.

Werfen wir mal einen Blick auf die Schweizer (die nach der Heimkehr natürlich im Triumpfzug begleitet mit einem festlichen Essen und geistigen Getränken, in die Sammlung eingefügt wurden):



- Kunstwerke von Frauen – die 60er und der Höchstwert gefallen mit gut (Wer hätte daran gezweifelt, dass Frauen gute Designer sind? Denk ich an meine Schulzeit zurück, waren meine Mitschülerinnen in dem Bereich in der Mehrzahl einfach deutlich leistungsfähiger. Also: uns liegt hier eine politisch geprägte Ausgabe vor, und ich habe eine Vorliebe für gute Propaganda)
- die Jahrestage – so kennt man die Schweizer: nüchterne Designs. Interessant ist die Idee, vier unterschiedliche Themen in einem Satz zu packen. Also Formate gleich, Gestaltung und Gedenkanlass heterogen.
- Buchdruck - für meinen heutigen Geschmack bieder designte Ausgabe – andererseits die Qualität, für die Schweizer Marken in der Sammlerschaft geschätzt werden. Pralle Farben, ja wir sind in den 90ern.

So, eine Laudatio haben die guten Stücke heute also auch noch bekommen.

Da können wir schon nicht mehr von Gebrauchsgegenständen sprechen, sondern müssen wohl den Begriff des Kultgegenstandes verwenden – also damit höchsten Weihen, nämlich in unsere Sammlung aufgenommen worden zu sein.

Und was für Zeiten, kosteten damals nicht CHF 100,-- noch DEM 120,--? Das entspräche 1 EUR = CHF 1,62. Da soll noch einer sagen, das Sammeln von Briefmarken sei ein Verlustgeschäft.
 
Bendix Gruenlich Am: 29.05.2021 23:43:27 Gelesen: 8932# 8 @  
Jede Reise geht einmal zu Ende (denn wir gehen ja auch auf die Reise um wieder glücklich – sprich unversehrt – nach Hause zu kommen). Die letzten Etappen gingen vom Bodensee nach München. 1.000 km Deutschland + Besuch bei den Nachbarn. Phantastisch vielseitig – wie unsere Markenwelt.

Auf der Hälfte der Strecke ging noch mal eine Karte nach Hause, aus Schongau. Drehte man sich nach Süden um, sah man die Alpen.

Also noch einmal auf die Post – und toll wieder eine andere Marke zum Postkartentarif.

Gestempelt im Stil der Zeit – lesbar, mit Ortsbezeichnung. Maschinenstempel mit Werbezudruck, damals für Philatelisten nicht die bevorzugte Form der Entwertung.

Wie wurde anno 1994 gesammelt: überwiegend saubere Normalstempel. Und die Zeiten ändern sich, heutzutage soll es doch der Vollstempel sein, der Ort und Zeitpunkt angibt. Dann noch echt gelaufen und Bedarf, am besten noch als Beleg – soviel Platz muss man erst einmal haben, denn da kommt über die Jahre einiges zusammen.


 
Cantus Am: 29.05.2021 23:56:19 Gelesen: 8927# 9 @  
@ Bendix Gruenlich [#8]

Wir sind vor Jahren einmal über Luxemburg gekommen. Meine Frau sammelte damals Münzen und in einem kleinen Ort suchten wir eine Bank und trugen unsere Wünsche nach Sonder- und Gebrauchsmünzen vor. Daraufhin ging der Bankbeamte extra in den Tresorraum und holte frische Münzrollen für uns heraus. In Deutschland undenkbar.

Viele Grüße
Ingo
 
Bendix Gruenlich Am: 13.06.2021 00:19:31 Gelesen: 8828# 10 @  
Höchste Zeit mal gen Osten aufzubrechen. So im Jahr 1995, als man Deutschland wiedervereinigt vorfand (jetzt schon seit 31 Jahren – sensationell, wer hätte das, sagen wir einmal 1988, gedacht).

Bin Westler, wäre aber 1989/90 gerne nach Ostdeutschland und Berlin gefahren, Atmosphäre schnuppern. Dank meines seinerzeitigen zwangsweisen 15-Monats-Aufenthalt im Staatsdienst (mit Reiseverbot für das Warschauer Pakt-Gebiet und lausiger Bezahlung unter Grundsicherungsniveau, war ans Reisen nicht zu denken). Mann, war ich froh, als ich am 30.06.90 meine persönliche Freiheit wiedergewann (deshalb ist 1990 auch das Jahr der Befreiung, jawohl).

Also, sagen wir der Repression Ade. Und erinnern wir uns des Preises der Freiheit: es wurden leider die DDR-Marken und wohl als notwendige politische Konzession in diesem Zuge auch die Berlin-Marken ungültig (schade, schade - aber seien wir mal froh, dass die bundesrepublikanischen Marken bis zum 30.06.2002 gültig blieben). Wir Deutschen glauben ja immer, wir seien Weltmeister in allem - bei der Gültigkeit von Postwertzeichen sind wir das jedenfalls nicht und mit Blick auf die Vielzahl der Teilgebiete kann man uns wohl nur als Raubstaat bezeichnen.

Die Marke habe ich in Eisenach gekauft und in Weimar verschickt. Das war die seinerzeit erhältliche Sondermarke für Postkarten. Motiv Regensburg, aber selbst von einem Philatelisten kann man nicht verlangen, dass er immer nur dahin fährt, wo sich bei der Post im Ausgabejahr eine spezifische passende Ausgabe finden lässt.

Die Post in Eisenach war seinerzeit noch unrenoviert und hatte den Charme eines höchstfunktionalen, seit Jahrzehnten im erfolgreichen Betrieb befindlichen Postamts. Bester Service im Bereich Marken und Pakete durch selbstbewusster Postlerinnen (die wussten, was sie taten).



Hier noch ein Beweis, dass ich seinerzeit auch wirklich in Thüringen war (von wegen alles nur vorgegaukelt, alles gefälligkeitsgestempelt, alles nur gefaked, das ist ja gar kein Bedarf, Du hast Dein Zuhause gar nicht verlassen, sondern bei Hermann E. Sieger bestellt usw. usw.): die Thüringer auf dem Domplatz in Erfurt kostete seinerzeit DEM 1,00 pro Stück, und ich habe drei davon verputzt. Na, überzeugt?

Vom Rheinland nach Thüringen, da ist doch auch was dazwischen. Aber was? Also gut, musste eh noch ein paar Neuzugänge wegsortieren, nahm mir daher die letzten 60 Seiten meiner Deutschland-Sammlung vor (Lücken, Lücken, Lücken – aber die DEM-Marken-Ungültigkeitserklärung zusammen mit der voraussichtlich nicht dauerhaften Aufbewahrungsfähigkeit selbstklebender Marken in postfrischer Qualität hat eben ihre dauerhaften seelischen Schaden hinterlassen).

Das Ziel: du findest irgendwas was zum Thema

Die Erkenntnis: es gibt Leben zwischen Düsseldorf und Weimar!

Untenstehend Beweise auf Briefmarke:

• Die innerdeutsche Grenze ist weg? Nein, sie besteht immer noch, nur ist sie heute ein Naturschutzgebiet und ein Wanderweg. Kaum zu glauben (tolle Farbwahl)
• Tradition: im preußischen Teil des Weges galten mal Marken des Norddeutschen Postbezirks – die deutsche Post würdigt das mit einer Sonderausgabe – zu Recht
• Wer auf der Reise Hunger kriegt, für den gibt es deutsche Spezialitäten. Deutsches Brot – ich war schon an vielen Orten, sage aber mit voller Inbrunst: hier gibt es das Beste! Für einen Marke zu Ehre des deutschen Brots wurde es höchste Zeit
• Frankenberg / Eder – fantastische Fachwerkstädte lassen sich in Hessen entdecken. Hier Fachwerk mit Ziegelornamenten. Prachtvolles Deutschland!
• Die Wartburg – mit ein Idealbild für die Burg im deutschen Mittelgebirge – ich war da seinerzeit Essen (ja, wir sind halt Republik)
• Gehört zum Thema: Reformer oder je nach Perspektive mitteldeutscher Aufrührer und Populist – Martin Luther – Design der Marke: Zitat einer bekannten ikonographischen Darstellung
• Gotha – noch ein Schloss, aber in Thüringen gab es ja auch genug Fürstenhäuser
• Auf der Strecke allgegenwärtig: deutscher Wald (kaum Autobahn, kaum Eisenbahn, alles ist Mittelgebirge, kleine Städte – Deutschland Land der Romantik) und mittendrin satter grüner Wald und dünn befahrene Landstraßen
• Gebrüder Grimm – legendäre Sprachwissenschaftlicher, die kennt in Deutschland jedes Kind. Hessen vermarktet sich touristisch als Märchenland und die Waldgegenden, die wirken an manchen Stellen auch so wunderbar verwunschen.
• Prachtvolle Bauten – allerorten zu finden, hier ein Beispiel vor der Styroporisierung deutscher Fassaden



Na, Lust bekommen auf die Gegend? Ich hab es ja vor kurzem im „Luxusgut-Artikel“ in diesem Forum gesagt: Briefmarken sind sinnliche Inspiration auf kleinstem Raum.

Sinnliche Inspiration? Wie wäre es zum Schluss mit zusätzlich was zu Essen. Habe just diese Reise (bzw. die zweite Etappe von Morsbach nach Biedenkopf) vor ca. zwei Monaten kulinarisch mit Gästen geehrt:

• Spargelsuppe
• Gebackene Forelle, Kartoffeln, Salat – dazu grüne Sauce
• Paprikaschnitzel mir Fritten und Krautsalat
• Apfelpfannekuchen
• Getränke: Quellwasser, lokale Biere, Wein vom Rhein, Doppelwacholder

Danach singt Ihr die Nationalhyme, also die deutsche, wenn das Essen gelungen ist!

Denn folgendes: das Anfeuchten von Briefmarkengummierung alleine macht nicht satt!

Und das waren Inspirationen (wenn auch von Hölzken auf Stöcksken) aus acht, auch noch unvollständigen sechs Jahrgängen deutscher Briefmarken.

Und da ist noch viel, viel mehr in unseren Alben, das es zu entdecken und wiederentdecken gibt.
 
Bendix Gruenlich Am: 26.06.2021 18:37:41 Gelesen: 8708# 11 @  
Abenteuer? Hier vielleicht noch eine von der Distanz (5.200 km) her wirklich abenteuerliche Destination.

Wir wäre es denn mal mit St. Pierre & Miquelon (Archipel vor der kanadischen Küste, letzte französische Kolonialbesitzung in Nordamerika, ehemals ein Fisch-Dorado – bis der Kabeljau ausblieb).

Erst einmal, wie kommt man dahin?

Bus 790 der Rheinbahn, dann S-Bahn nach Leverkusen, dort in die Regionalbahn – umsteigen in Koblenz. Dann nach Frankfurt, dann hopp, in den Flieger nach Halifax (dann ist man schon mal in Kanada). Von da geht ein Flieger der Air St. Pierre nach St. Pierre (und das hab ich mir nicht ausgedacht, sondern 2019 wirklich so gemacht).



Das Postamt auf St. Pierre ist ein prägnanter Bau am Hafen.



Am Nachmittag kam ich auf St. Pierre an – erst einmal Postkarten besorgen (beim Fotografen Michael Briand wurde ich fündig). Abends ins Restaurant, bei der Gelegenheit schon mal Karten geschrieben und Frankaturen angebracht.

Zugegeben, diese Aktion hatte ich detailliert vorbereitet (Tarif erfragt, bei der Post die Gültigkeit der Marken abgefragt, schon zu Hause die Frankaturen vorgedacht, mögliche Dimensionen vorgeplant), denn hier durfte man wohl nichts dem Zufall überlassen. Wann ist man schon auf dem Archipel?

Die freundliche Antworten von dort (ich erhielt gleich zwei): alle Marken seien noch gültig, wenn sie die Bezeichnung „St. Pierre & Miquelon“ bzw. SPM tragen. Darunter alte Franc, CFA-Franc (entspricht dem alten Franc), neue Franc und Euro.


 
Bendix Gruenlich Am: 03.07.2021 19:48:38 Gelesen: 8615# 12 @  
Es gab auch einmal eine Periode (1976-1985), wo die Inseln als französisches Departement geführt wurden und Marken des Mutterlandes ohne Aufdruck benutzt wurden.

Bis heute sind für SPM über 1200 Michel-Nrn. verzeichnet.

Unfassbar, es sind also auch noch die Marken in den Kolonialzeichnungen gültig, deren Kleinstwerte sich in unterschiedlichster Erhaltung in vielen Anfängersammlungen finden.

Beim Katalogpreisniveau fällt auf. Dass die Marken bis 1976 zum Teil sehr hohe Katalogwerte aufweisen, z.B. Nominale FRF 4,00 – Katalogwert EUR 24,00 postfrisch. Das Niveau ändert sich, nach der Wiederaufnahme der Emission eigener Marken in 1986, z.B. FRF 5,00 - Katalogwert EUR 3,40 postfrisch.

Auflagen nennt der Michel für die Marken bis ca. 2015 keine, erst danach werden sie vereinzelt verzeichnet, z.B. 50.000 für eine Sondermarke mit gängiger Nominale, 40.000 für einen Block.

Die Einwohnerzahl des Archipels beträgt ca. 6.000 (90% auf der kleineren Insel St. Pierre mit 26 km², nur 10% auf der 10mal größeren Insel Miquelon/Langlade). Gehen wir also davon aus, dass das Interesse von nicht auf SPM ansässigen Sammler hoch ist.



Über den Sinn eigener Briefmarken für ein Gebiet mit 6.000 Menschen kann man streiten. Gehen wir aber davon aus, dass es nicht nur Lokalpatriotismus ist, sondern konkrete wirtschaftliche Vorteile Motive gibt.

Die Nennwerte erscheinen im Vergleich mit denen des Mutterlandes hoch, dafür weisen die Marken die gleiche hervorragende Qualität wie die des Mutterlandes aus.

Und sie sind dauerhaft gültig.......das ist einfach stark! Also man hält sein Versprechen, ohne dass es der Post weh tut, denn selbstverständlich hat die Inflation, die Nominalwerte devaluieren lassen.

Günstig war, dass ich kurz vor meinem Aufenthalt, eine Partie Marken aus den Jahren 1990 bis 2002 für einen Bruchteil (ca. 35%) ihrer Nominale erstehen konnte, ca. 300 Stück, so dass ich aus ich aus dem Vollen schöpfen konnte.

Zeit für einen Beleg



Und zwei Impressionen - Blick auf Saint Pierre und auf das menschenleere Langlade (subarktische Wildnis) von der Ostseite der Insel St. Pierre aus.



(wird fortgesetzt)
 
Bendix Gruenlich Am: 11.07.2021 19:39:11 Gelesen: 8529# 13 @  
SPM / Teil 3

Als ich das Postamt am folgenden Tag betrat, schlug mir das Herz, denn das war doch wirklich unglaublich.

Ich ging dann erst einmal zum Schalter, dort lagen unter Glas die vorrätigen Marken. Habe Kleinstwerte erworben und alles was mir gefiel (es waren ungefähr die Ausgaben der letzten drei Jahre vorrätig). Bedienung war bestens, allerdings war es vorteilhaft, noch etwas Schulfranzösisch sprechen zu können.

Als Appetitanreger ein Blick auf einen Teil der Beute



Ich zog mich dann zurück, gegenüber vom Schalter konnte man sich setzen (ca. drei Sitzplätze) und in Ruhe die Karten vervollständigen, einen A4-Umschlag an Sammlerfreunde hatte ich auch dabei.

Es war ganz schön Betrieb, viele Einheimische waren vor Ort (insbesondere Paketdienst). Wer auf St. Pierre seine Briefpost haben will, muss übrigens auch die Post besuchen, denn es gibt nur Postfächer, keine Hauszustellung (wobei das wirklich kein Problem wäre, so groß ist die Insel nicht).

Dann alles bestückt und mit klopfenden Herzen zurück an den Schalter und um Handstempelung gebeten. Hatte darauf hingewiesen, dass ich alles EUR-cent-genau vorgerechnet habe, habe auch noch einmal den Betrag erläutert.



Der Postler war aber völlig aufgeräumt, professionell und nicht überrascht. Er sagte mir die gewünschte Entwertung zu (und hat Wort gehalten - einfach hervorragende Arbeit!). Habe mir bei der Gelegenheit noch historische Kleinstwerte abstempeln lassen (was für ein Souvenir!).

Und da schauen wir mal gemeinsam drauf.

• Mi-Nr 73 von 1909: Auf SPM dreht sich alles um die See und die Fischerei. Mit einem Seemann / Fischer wurde daher ein treffendes lokales Motiv gefunden. Typische erste Kolonialzeichnung, die es für jedes französische Gebiet im einheitlichen Format zweifarbig gibt. Das Nominal beträgt alte Franc 0,01. Seinerzeit bestand Goldstandard, so gelingt eine Umrechnung, das entsprach 0,82 Pfennig. Und da die Marke bis zur Entwertung 110 (!) Jahre später gültig war, gucken wir mal auf den Wert in EUR. Das waren EUR 0,0000152449.
• Mi-Nr 134 von 1932: Die nächste Serie der Kolonialzeichnung, Franc 0,02 - Hügel mit Leuchtturm.
• Mi-Nr 170 von 1938 – mit alten Franc 0,02 ebenfalls der Kleinstwert. Bedenkt man, dass zu der Zeit ein Inlandbrief in Frankreich 0,75 Franc kostete, spürt man, dass dieser Wert keine große kommerzielle Bedeutung gehabt haben kann. Man sieht Schlittenhunde, weil es dort im Nordatlantik mit 120 Frosttagen pro Jahr eher frisch ist
• Mi-Nr 381 von 1957 – jetzt in CFA-Franc, der dem alten Franc entspricht. Nominal Franc 0,40. Ein Inlandsbrief in Frankreich kostete seinerzeit alleine schon 15,00. Man sieht einen Kabeljau, der Reichtum des Gebietes (und übrigens auch Neufundlands) und die wirtschaftliche Grundlage der Inseln zu dieser Zeit. Tragisch, dass man ihn massiv überfischt zu haben scheint. Moratorium / Fangverbot in 1992 – bis heute immer noch keine Erholung.
• Mi-Nr 375 von 1955 – für meinen Geschmack toll gezeichnet, im Stichtiefdruck der Refrigerateur, also das Kühlhaus. Das steht noch, wenn es auch nicht mehr im Betrieb gewesen zu sein schien, es liegt außerhalb der Siedlung, die Straße endet dort. Dort findet man das Ding, zusammen mit Infrastruktur (Öltanks etc., typisch Überseegebiet). Nominal CFA-Franc 0,40.
• Mi-Nr 347 von 1947: ein Fels vor Langlade, Marke ebenfalls in hervorragender Qualität ausgeführt.



Das sind die Marken, die wir in vielen Anfängersammlungen finden (sei es von SPM oder anderen französischen Überseegebieten). Das lässt den Schluss zu, dass diese Werte vor allem hergestellt zu sein scheinen, um an Sammler verkauft zu werden, zum kleinen Preis, daher die niedrigen Nominalen (mich würde mal interessieren, wie seinerzeit der Vermarktungsmechanismus war und wieviel die Post mit den ganzen Kolonialzeichnungen eingenommen hat). So sind mir diese Stücke über die Jahre auch in die Hände gefallen, sozusagen als Beifang.

Teilweise fehlte die Gummierung. der älteste Wert wies Spuren von ca. vier Falzen auf, auch bei den Werten aus den Fünfziger war noch Falz festzustellen. Was lag also näher als, wo ich schon mal da war, die Marken zu veredeln. Auch weil gestempelte Marken mir seltener erscheinen, als postfrische. Also alles Spielerei? Also mir hat das wahnsinnigen Spaß gemacht, die sind Bestandteil meiner Sammlung, und ich freue mich und schmunzle, wenn die sehe und ich daran erinnert werde, dass ich wirklich vor Ort war. Auch das Datum des Aufenthalts kann ich jetzt nicht mehr vergessen. Waschechte Trophäen also!

Einen Wert in CFA-Franc immerhin konnte ich noch sinnvoll nutzen.



Ich bin anschließend noch für ein paar Wochen nach Kanada gefahren (es gibt Fährverkehr von SPM nach Kanada, der Fähranleger – ist ja klar – legt direkt hinter der Post), aber von Freunden hörte ich, die Post sei rasch angekommen.



Es wäre auch möglich gewesen nach Miquelon überzusetzen, dort gibt es ebenfalls eine Poststelle, aber die Fähren fahren nicht täglich und es war leider, leider nicht wirksam mit Kanada zu synchronisieren (das muss alles sehr detailliert geplant werden, Unterkünfte sind rar und man muss schauen, wo man über Nacht bleibt).

Übrigens SPM-Tourismus weist auf ihrer website darauf hin, dass eine Anreise auch mit dem eigenen Boot möglich ist, Ankerplätze gibt es südlich der Post im Segelschulhafen. Meiner Meinung nach der am besten auf den Aufenthalt vorbereitende Anreiseweg (7 Tage auf See und dann in den sicheren Hafen einlaufen – das wäre doch was, da stimme ich sofort ein Seemannslied an...)

Also Leute, Anker auf!
 
Bendix Gruenlich Am: 28.11.2021 12:11:20 Gelesen: 8205# 14 @  
Reise? Dann schauen wir doch einmal was da geht (siehe Foto, oben beginnen - von links nach rechts)



1. Als erstes brauchts da mal Ferien - Gott sei Dank haben wir Deutschen einige Tage an Urlaub im Jahr, darum beneidet uns die Welt. Um das zu feiern gab‘s von der Post eine Marke - natürlich für den Postkartentarif, denn kein Urlaub ohne Urlaubsgrüße

2. Begeben wir uns also auf die Reise, die in meinem Fall (meinem Wohnort) immer in Deutschland beginnen muss. Schwarz-Rot-Gold sind unsere aktuellen Farben. Also gut, bleiben wir doch erst einmal in Deutschland

3. In 1996 war Ostdeutschland für einen Westdeutschen noch exotisch – denn der friedliche Umbruch war nur wenige Jahre alt. Unglaublich, wie schnell das damals ging, und unblutig – seien wir da froh.

4. Also los geht’s...mit der Eisenbahn...in wenigen Stunden ist man weit weg....und kommt in Mecklenburg an

5. Mecklenburg, also „Ostzone“ wie mein von dort stammender Großvater immer gesagt hat. Und was ist eine der größten Errungenschaften der DDR? Genau, es ist das Sandmännchen, denn nach einer guten Geschichte schläfts sich einfach besser. Gönnen wir unseren Jüngsten dieses Vergnügen der letzten leisen Aufregung vor einem tiefen, erholsamen Schlaf.

6. Früher Sommer in Norddeutschland, da kann man solche Felder und Alleen antreffen wie auf der Marke.

7. Norddeutschland, da hat die Hanse ihre bis heute sichtbaren Spuren hinterlassen, bis sie von der Kriegsmaschinerie des 30 jährigen Krieges zermalmt wurde

8. ...und dann bewegen wir uns der Küstenlinie lang von West nach Ost – Wismar – so schön, dass es Weltkulturerbe wurde

9. Rostock – Stadt mit architektonischem Licht und Schatten

10. Rügen und seine Steilküsten

11. Nochmal Rügen diesmal im DDR-60er-Jahre Design (pastellfarben, gefällig fürs Auge)

12. Stralsund – Tor zu Insel Rügen – hier Rathaus der Weltkulturerbestadt

13. Ostseeküste: mit der einzigartigen Mischung von Kiefernwäldern und Sandstränden

14. Sassnitz – Fährhafen für Schweden. Also, setzen wir über......und schauen im kommenden Beitrag, was da zu finden war.
 
Bendix Gruenlich Am: 11.12.2021 17:38:09 Gelesen: 8060# 15 @  
Es wurde höchste Zeit, das jetzt auch einmal fortzusetzen. Etwaig zwischenzeitlich aufgekommene Gerüchte, das Schiff – also die Fähre nach Schweden – sei vermutlich seinerzeit gesunken, und daher könne der Bericht nicht fortgeführt werden, sind natürlich falsch.

Nein, die Überfahrt war unkompliziert und nach wenigen Stunden landete ich in Ystad an.

Ach ja, Schweden und Skandinavien – deutsche Sehnsuchtsorte, deswegen sind auch die Gebiete bei uns Sammlern ungewöhnlich beliebt. Woran liegt das? Vermutlich eine Form von „Ewig singen die Wälder“-Romantik – da finden völkerwandernde Deutsche bevorzugt im Wald, immer ganz plötzlich und überraschend freundliche, junge, blonde Mädchen vor, die seit einigen Jahren auf einen warten. Schön, dass sie eine Hütte an einem See hat, in der ihr bleiben könnt, bevor ihr sie auf Euer weißes Pferd hebt und sie nach Wolfsburg, Leverkusen oder Gelsenkirchen, wo ihr als Diplom-Ingenieur arbeitet, mitnehmen könnt.

Märchenhaft schön jedenfalls sind die Briefmarken des Landes, insbesondere ab Beginn der 1970er Jahre. Bis dahin waren die Marken von erstaunlich nüchternen, meist ein- / zweifarbigen Designs im Stichtiefdruck geprägt.

Auch danach noch haben die Schweden einen Großteil ihrer Marken gestochen, übrigens bis heute, auch wenn zunehmend mehr Offset eingesetzt wird.

Ganz typisch sind die Verkaufsformen in Schweden. Freimarken werden in den Poststellen von großen Rollen verkauft, Sondermarken in der Regel im Heftchen (also im Zusammendruck, mit einem i.d.R. leichten Karton außen herum – was sehr angenehm ist, weil man die ins Album stecken kann, ohne dass das ausbeult. Dazu gibt es einen erläuternden Text, seinerzeit nur auf schwedisch – das aber für uns Germanen nicht schwer zu verstehen ist.

Dabei muss man vor allem den Gebrauchswert eines Heftchens schätzen: die Briefmarken wirksam schützend, mehrere Exemplare bevorratend, gut in Brief- oder Handtasche aufbewahrbar, damit leicht zu transportieren und immer zur Hand.

Ich bin in Schweden keinen sprachlichen Barrieren begegnet, die nicht leicht zu überwinden gewesen wären. Englisch war unproblematisch, Deutsch erstaunlich weit verbreitet.

Nach der Anlandung habe ich Westkurs eingeschlagen - und schon ist man in wenigen Kilometern in der schwedischen Großstadt Malmö. Da bin ich dann in der Innenstadt auf die Post.

Auf der Post gab es eine große Auswahl an Ausgaben. Die gingen - wir schreiben das Jahr 1996 - bis 1992 zurück. Die letzten beiden Jahrgänge waren vollständig da, viel auch aus Vorjahren. Insgesamt eine sehr erfreuliche Ausbeute, da freut sich der Sammler.

Hier zwei Beispiele

a. Damit Ihr Euch in Schweden einfühlen könnt: schwedische Häuser zum Inlandstarif
b. Einer meiner absoluten Favoriten: Design des frühen 20. Jahrhundert – diese phantastischen Muster und prachtvollen Gegenstände! Bereit, auch heute noch aufgestellt zu werden. Ich liebe das blaue Tapetenmuster. Sagenhaft!



Und weil die Beute so reichhaltig war noch eine Stichprobe

a. Passte wunderbar zur Überfahrt mit der Fähre: historische Segler
b. Goldschmuck – ebenfalls im Stichtiefdruck



Und dass Briefmarken auch einen Zweck haben, sieht man mal wieder hier. Natürlich echt gelaufen - sieht gut aus, macht neugierig, was für eine schöne Überraschung für den Empfänger.



Und man kann so ziemlich jede Marke seit 1920 noch benutzen – allerdings ist die Nominale einer Marke aus den 1950ern (SEK 0,05 bzw. 5 Öre kaum nutzbringend zu gebrauchen). Übrigens habe ich seinerzeit noch Kleinstwerte kaufen können. Die niedrigste Wertstufe war SEK 0,05, also EUR 0,005 bzw. DEM 0,01.

Ich bin hier als Sammler voll auf meine Kosten gekommen. Wenn Ihr also sagt, dieser Beitrag ist hier wie ja eine Werbesendung für das Sammeln schwedischer Briefmarken, dann ist das schon richtig. Hier hat einfach alles gestimmt.

Ich bin noch ein paar Tage die Küste entlangetourt – und in Halsingborg nach Dänemark übergesetzt. Aber das ist dann eine andere Geschichte.
 
bignell Am: 11.12.2021 18:35:24 Gelesen: 8046# 16 @  
@ Bendix Gruenlich [#15]

Hallo Bendix,

weil Du "Ewig singen die Wälder" erwähnt hast: Für alle die nur den Film kennen, unbedingt die Bücher von Trygve Gulbranssen: "Und ewig singen die Wälder", "Das Erbe von Björndal" und "Heimkehr nach Björndal" lesen. Auch wenn die Filme gut sind (ähnlich wie "Die Geier-Wally" von W.v.Hillern), die Bücher sind aussergewöhnlich. Und witzigerweise sehr unterhaltsam auch für jemanden wie mich, der sonst eher auf Fantasy, Science Fiction und Horror steht.

Liebe Grüße,
harald
 
Bendix Gruenlich Am: 09.01.2022 11:26:45 Gelesen: 7897# 17 @  
Kommen wir zum Ende der Reise und würdigen Dänemark philatelistisch.

Leider ist aus Dänemark seinerzeit (1996) keine Karte erhalten geblieben bzw. die Empfänger haben nicht abgeliefert (das kann man halt nicht immer erzwingen), aber ein Besuch auf der Post in Helsingör war erfolgreich.

Ein vollständiger Satz aus 1994 Schlösser war zu bekommen (in Prestigeverpackung, die auch noch erhalten geblieben ist - auf der Innenseite mit ETB-ähnlichen Erläuterungen - das ist ja ganz schön, aber in der Masse so platzeinnehmend), ein paar Sondermarken aus 1996 (Einzelverkauf der Marken eines Satzes fand statt) Segelboot und Ergänzungsmarken zum Auffrankieren auf Postkarten für den seinerzeitigen Deutschland-Tarif.



Insbesondere die Freimarke ist eine Würdigung wert. Immerhin 54 (Stand 2020) verschiedene gibt es, dann noch 35 mit zugedruckten zusätzlichen kleinen heraldischen Herzen. Dieses Design ist 1921 zum ersten Mal erschienen und wurde bis heute beibehalten. Diese Marken sind immer Öre-nominiert.



Ich finde die Schlichtheit des Entwurfs passt ganz gut zum Land, in dem ich es schwierig fand, einmal einen geöffneten Laden vorzufinden oder ein Restaurant (gut, ich habe zugegebenermaßen seinerzeit Kopenhagen umfahren und bin über Land gereist, aber das war schon augenfällig).

Selbst die Banknoten zu dieser Zeit waren auffällig unauffällig gestaltet.

Diese Schlichtheit zog sich auch durch meine seinerzeitigen Briefmarkenbestände des Landes, dass offenbar die Tatsache, dass man Marken auch vielfarbig und in frischen Farben drucken kann, ca. 30 Jahre nach anderen europäischen Ländern entdeckt hat.

Als Folge meiner Eindrücke habe ich dem Land, Dänemark-Freunde mögen mir verzeihen, den Titel des langweiligsten Landes der Welt verliehen.

Da nützen auch Olsen-Bande-Filme (die dänische Antwort auf James Bond?) oder die Tatsache, dass Dänemark in den frühen Siebzigern der Weltmarktführer des pornographischen Films war (bisher philatelistisch ungewürdigt), nichts.

Immerhin, die wenigen erschienen Marken sind häufig, preiswert und einfach zu bekommen. Auch wenn sich der Reiz häufig erst auf dem zweiten Blick erschließen mag, druckqualitativ gibt es nichts zu bemängeln. Ich erwarb über zwanzig Jahre später eine postfrische Sammlung 1970-1987 für übersichtliche EUR 40 (= 4 Abende beste Unterhaltung im Corona-Lockdown). Die Marken sind noch gültig (alles seit 1933 noch verwendbar) die Preise für Postdienstleistungen sind aber so unglaublich teuer geworden (Porto der Postkarte 1996 DKK 4,00 - heute (2022) wären DKK 36,00 ! fällig = ja, das sind ca. EUR 4,80), so dass eine wirtschaftlich sinnvolle Verwendung von Altnominalen schwierig ist (auf einer Karte wäre wohl nicht mal mehr Platz für ein Empfängerangabe).

Trotzdem, es macht einfach Spaß mal beim Nachbarland nachzuschauen, was da so vor sich geht.

Wer also irgendwo Dänemark-Marken liegen hat, sollte die mal herauskramen, durcharbeiten, sich eine eigene Meinung bilden und seinen Sammelhorizont erweitern. Den Impuls wollte ich heute einfach einmal geben.

Denn wer weiß, vielleicht sehe ich nur ein hässliches Entlein, und tatsächlich handelt es sich um einen prächtigen Schwan.
 
Bendix Gruenlich Am: 13.02.2022 11:45:04 Gelesen: 7719# 18 @  
Nach der Reise ist ja bekanntlich vor der Reise, hat doch Sepp Herberger so oder so ähnlich gesagt.

Aber wo könnte man da hinfahren? Da unterscheiden wie doch einmal drei Typen

1. Den, der immer woanders hinfahren muss. Entweder weil das eine Konsumerwartung ist oder weil ihn die Ruhelosigkeit (sei es aus Neugier, Eroberungswillen oder Todessehnsucht) von Kulturkreis zu Kulturkreis treibt. Solche Typen begegnen uns Sammlern in der Gestalt unbelehrbarer Alle-Welt-Sammler.

2. Dann gibt es den, der zwar das eigene Land verlässt und auch mal den Urlaubsort wechselt, aber immer in einen bestimmten Kulturkreis fährt, z.B. nach Frankreich, das bekanntlich groß ist - weil er Französisch spricht - oder in die Alpen, weil da immer gut Klettern ist. Das wäre der Typ Deutschland-Sammler zuzüglich eines spezifischen anderen Sammelgebiets.

3. Typ drei pendelt immer zwischen seinem Heimatort und dem traditionellen Urlaubsort (Wohnort Köln, Urlaub Gran Canaria - oder in extremer Ausprägung, wie mir kürzlich begegnet, Urlaub 30 Jahre lang immer an einem bestimmten Ort an der Nordsee.

Das liest sich vielleicht erst einmal trivial, kann aber durchaus Konflikte bergen:

• Typ 1 wird von Typ 3 für nicht ernstnehmbar, labil, per se verdächtig und letztlich auch gefährlich gehalten (weil er die Ordnung bedroht und den Horizont sprengt).

• Typ 2 ist der des limitierten, gut übersehbaren, weil ihn nicht überfordernden, Risikos.

• Typ 3 zeichnet sich in seiner Extremform durch eine überreinliche (keine Eckstücke, Versandstellenstempel)-Sammlung Deutschland unter Vordrucken aus. Etwas anderes käme auch nicht ins Haus, weil das nicht verstanden werden würde.

Wenn diese Typen interagieren, dann kommt es häufig zum Ausbruch von Wortscharmützeln entlang dieser Konfliktlinien - auch hier regelmäßig im Forum zu lesen. Das ist menschlich und gehört zu einer guten Diskussion.

So, wie kam ich noch darauf. Ach ja, ich ordne mich eher Typ 1 zu, aber nachdem ich im letzten Beitrag über Dänemark hergezogen bin (langweiligstes Land der Welt), wo bin ich da im nächsten Jahr hingefahren ?



Allerdings nur mit dem Ziel umgehend wieder nach Schweden überzusetzen. Ein Besuch der Post in Helsingör war allerdings wieder möglich, wo ich vorstehende farbfrohe Auswahl treffen konnte.

Wo da jetzt der Abenteuerfaktor ist? Nun:
• Wann seid Ihr zum letzten Mal zum Briefmarkenkaufen 780 km gefahren (das ist die Distanz vom Rheinland nach Helsingör)?

• ...in einer nächtlichen Zugfahrt - irgendein Nachtzug von Düsseldorf nach Hamburg, der irgendwann um Mitternacht losfuhr. Die Gestalten, die sich um diese Zeiten rumtreiben, sind schon einmalig und eine Bedrohung für jede bürgerliche Existenz. Das Rattern des Zuges durch die Nacht. Übernächtigt Umsteigen in Hamburg, mit der Eisenbahn und der Eisenbahnfähre über die Vogelfluglinie über See nach Kopenhagen. Wieder in einer anderen Großstadt orientieren, umsteigen.

• Bei solchen Aktionen muss man einfach auf dem Quivive sein.

Vogelfluglinie? 1963 eingeweiht. Das ist eine Verkehrsverbindung seinerzeit auch mit Eisenbahnfähre (also der Zug kam in die Fähre) über Fehmarn nach Dänemark bzw. von Dänemark nach Deutschland. Mit der Eisenbahn kann man heute nicht mehr fahren, die Verbindung ist eingestellt worden. Fährverkehr gibt es natürlich noch, aber auf Personen und nicht-schienengebundene Fahrzeuge beschränkt.

Zur Einweihung gab es übrigens seitens Westdeutschlands und Dänemarks Sonderausgaben. Ich habe ja an den dänischen Ausgaben das letzte Mal Kritik geäußert (zu bescheiden, unspektakulär). Aber bitte, urteilt selbst...



Na? Wie auch immer Euer Urteil ausgefallen ist (bildet Euch doch einfach selbst Eure Meinung und habt Freude an der einen oder anderen Gestaltung oder an beiden), ich wollte noch kurz erwähnen, dass die dänische Marke von Meister Slania gestochen wurde.

Mir gefallen beide

• Die deutsche Marke ist informativer, hier kommt schneller rüber was gemeint wird. Deutlich vielfarbiger und frischer. Thema und Vogelflugmotiv meiner Meinung gut verknüpft.

• Die dänische Marke ist ein erhabener Stichtiefdruck in grün und weiß. Man muss schon genauer hinschauen, um zu erkennen, was gemeint ist (oben Eisenbahn, in der Mitte eine Reifenspur = Straßenverkehr, der Fluss wohl für das Element Wasser und die See. Die Marke ist ornamentaler (und dafür habe ich eine Schwäche).

Michelwert ca. EUR 0,60 und damit unwürdig besprochen zu werden? Ich denke doch, die beiden Marken haben uns für 10 Minuten gut unterhalten. Ich rate davon ab, zu versuchen Kultur in Geldeinheiten zu messen.

Auch immer wieder faszinierend: Festzustellen, dass man die Infrastruktur, die hier auf Briefmarke gewürdigt wurde, auch einmal selbst benutzt hat.
 
Bendix Gruenlich Am: 01.03.2022 22:51:27 Gelesen: 7606# 19 @  
Ja, in der Ukraine war ich auch mal.

In 2014, kurz nach der Maidan-Revolution ging es nach Kiew, mit dem Ziel weiter nach Minsk zu touren.

Eigentlich gäbe es hier alleine von der ersten Etappe schon viel zu erzählen, aber wir alle sehen heute Bilder, die wir vor wenigen Tagen nicht für möglich gehalten hätten. Seinerzeit ging es nördlich aus Kiew raus, auf die Straße P02, durch Iwanow, an Tschernobyl vorbei, nach Owrutsch.

Kaum zu glauben, dass das in diesen Momenten eine Aufmarschstraße für russische Truppen zur Führung eines offenbar von langer Hand geplanten Angriffskriegs ist (wohl mit dem Ziel, das es in der Ukraine so schön bleiern zugeht, wie in Russland – also: man geht da auf die Straße, klappt das falsche Logo auf und schon ist man im Lager. Einfach die miesesten Tscheka-Methoden!).

Wenn es doch so toll in Russland ist, warum fliehen seit Jahrhunderten alle Nachbarn aus der eisigen Umarmung?

Widerlich! Geht nach Hause, ihr Drecksäcke! Was für eine Schande für alle Russen, die an daran teilnehmen!


 
fdoell Am: 03.03.2022 09:10:55 Gelesen: 7530# 20 @  
@ Bendix Gruenlich [#13]

In SPM gibt es auch mehrere Philatelisten. Einer hat einen Katalog herausgegeben und betreibt einen Briefmarkenhandel: Jean-Jacques Tillard [1]. Ich lernte ihn zufällig bei der ESTONIA 2020 am Frühstückstisch kennen (bevor ich wusste, wer er war). Er gewann dort den Grand Prix.[2]. Ein feiner Mensch! Und wenn ein Leser dieser Zeilen mal nach SPM kommt - Jean-Jacques spricht auch Englisch!

1 https://tillard-spm-philatelie.fr/
2 https://arge-baltikum.de/archiv_1-de.shtml (-> 2020, auf dem breiten Titelbild ist er im Gespräch mit dem Juror Thomas Höpfner)
 
Bendix Gruenlich Am: 27.03.2022 22:34:51 Gelesen: 7366# 21 @  
Dann schaue ich mal in das Jahr 2014 zurück. Ich wollte nach Weißrussland, die haben seinerzeit die Eishockey-WM ausgerichtet, und das war die einmalige (!) Gelegenheit mit einer Eishockeyeintrittskarte (für EUR 6,--, und zwar zum Spiel Deutschland vs. Kasachstan am 10.05.) visafrei und ohne bizarre bürokratische Prozeduren einzureisen.

Bei der Gelegenheit habe ich darüber gegrübelt, wie man am besten da einreist. Und siehe da, ab Dortmund (100 km von mir weg) konnte man mittels Wizz-Air direkt nach Kiew in die Ukraine fliegen. Das war nah dran und eine prima Gelegenheit die dortige Hauptpost zu plündern, so dachte ich.

Als ich am Flughafen ankam, wurde mir klar, dass ich ab hier „lost in translation“ sein werde, denn Englisch sprach kaum jemand. Also galt es mit 100 Vokabeln und einem auswendig gelernten kyrillischen Alphabet durch die Sowjetunion-Nachfolgestaaten zu touren. Dawaitsche!

Das ging schon beim Zoll los, ich hatte ein Fahrrad im Karton mit, das erregte Aufmerksamkeit. Der Taxi-Fahrer war ebenfalls nicht auf internationalen Besuch eingestellt. Aber natürlich, irgendwie geht das immer.

Auch auf der Post auf dem Maidan (die Maidan-Revolution war erst drei Monate her, es stand noch alles voll Barrikaden, irgendwelche uniformierten Gruppierungen standen noch wegen Spenden herum), hat die resolute (wie sind in der Ex-SU) Vorsteherin der Hauptpost mir zwar das verschafft, was ich wollte (Marken für Postkarten nach Deutschland), aber leider keine Sondermarken.

Eine Marke habe ich noch übrig und die ist noch immer gültig. Sie repräsentiert USD 0,70 (Auslandstarife werden in USD bepreist und zum Tageskurs abgerechnet).



Ich fuhr gegen die Zeit und wollte auch - wenn möglich - am 10.05. tatsächlich in Minsk sein, da wollte ich nicht zwei Tage verlieren, um die Öffnung des Philatelieschalters abzuwarten.

Also aufsitzen (auf den Fahrradsattel) und los! Die prestigeträchtigste Straße (und auch die optimalste Distanz) ging über die P02 an Tschnernobyl (Atomkraftwerkhavarie) vorbei. Ich habe mich im Hotel erkundigt, ob die Straße frei wäre. Das wurde bestätigt. Also bei bestem Wetter raus aus Kiew, hinein in die ukrainische Provinz, Atmosphäre schnuppern. Als ich aus Kiew raus war, wurde klar, mit Unterkünften wird das nicht einfach. Und dann zog es mich Kilometer um Kilometer in die Etappe hinein. Je weiter man vordrang, desto ländlicher und spärlicher besiedelt wurde es, aber auf Tour gilt: kein zurück.

Bei örtlichen „Produkty“ habe ich mich versorgt, da wurde kopekengenau herausgegeben, und dem schien auch ein wirtschaftlicher Wert beigemessen zu werden. Den „Fremden“ hat man mir angesehen und vor allem angehört. Irgendwie begegnete man ihm dabei mit einer gewissen Distanz, einer Art Schock, ein Stirnrunzeln, dass man nicht das örtliche Idiom sprach. Dabei stärker bei Frauen feststellbar als bei Männern, interessant. Aber so macht man das halt, man wirft sich ins Alltagsleben im fremden Land und irgendwie gehts immer. Da sind dann beide Seiten, so meine Wahrnehmung, hinterher positiv überrascht.

Nachdem ich in Iwanow, als einzige Herberge eine kleine Zimmervermietung neben einer Tankstelle gesehen hatte, beschloss ich einfach weiterzufahren.
Dann kam es wie es kommen musste: 40 km nach der letzten kleinen Stadt tauschte eine Schranke, ein Gebäude und eine schwer bewaffnete Wachmannschaft auf. Die Schranke war geschlossen!

Kein Durchkommen ohne Sonderausweis. Einer aus der Mannschaft sprach ein paar Worte Englisch, die Dienstgerade und der Wachoffizier nicht. Ja, sagte ich, da müsste ich wohl im Wachgebäude schlafen, was natürlich abgelehnt wurde (hatte ich auch nicht ernstlich vor), aber irgendwie musste ich bedeuten, das etwas passieren müsste.

Nun, für alles gibt es eine Lösung, und die bestand hier aus.....nun ja, nennen wir es eine Bearbeitungsgebühr von UAH 200,00 bzw. EUR 12,50, welche verdeckt in einem Stück Papier übergeben werden mussten. Mein Propass (ein Stück Papier) wurde sodann ausgefertigt und ausgehändigt und mit der Ermahnung, nicht den Weg zu verlassen, öffnete, sich die Schranke und mit militärischer Ehrenbezeugung wurde ich auf den Weg geschickt. Ich will hier nicht richten, vielleicht hat man mir einen Gefallen getan, und tatsächlich hätte es sonst kein Durchkommmen gegeben. Die Leute waren sanft (hätte auch ganz anders laufen können).



(gezeigte Marke habe ich 2016 im Filatelia-Geschäft in Iwanko-Frankiwsk gekauft)

Der Gruselfaktor war natürlich gewaltig, auch wollte ich mich in dem Abschnitt nicht länger als nötig aufhalten. Mir wurde auch die Ermahnung klar, den Weg nicht zu verlassen, im Sperrgebiet gab es nämlich eine kleine Geisterstadt, aufgegeben nach dem Unglück, bei der die Natur im Begriff war, sich das Gelände wiederzuholen. Katastrophentouristen lockt das an. Den Weg soll man nicht verlassen, weil überall noch verstrahltes Graphit rumliegen kann, das hat sich nämlich seinerzeit unregelmäßig verteilt.

Nach ca. 12 km kam dann der Austritt aus dem Sperrgebiet, wieder eine Schranke, dort eine Wache mit Maschinenpistole, dort sprach man besser Englisch „I am Ukrainian Police, do you have a gift?“. Mein Gott! Der Preusse in mir war geschockt, der Rheinländer in mir sah sofort die Notwendigkeit zum Kompromiss (EUR 5,00), zumal die Sonne unterging.

Im Hinblick auf den aktuell, in diesem Moment stattfindenden Krieg ist es interessant, dass dieser Kontrollpunkt genau an einer Straßenkreuzung, lag, weswegen dort eine Sperre auch angebracht war (nach Osten ca. 50 km bis Tschernobyl, nach Norden ca. 20 km nach Weißrussland - genau hier sind die Russen vorgestoßen, aus einem radioaktiv kontaminierten Sperrgebiet von der Weißrussischen Seite heraus-, nach Westen ca. 40 km nach Owrutsch).

Die Straße nach Owrutsch haben die Russen nicht genommen, sie ist eng und geht durch die Prypjat-Sümpfe links und rechts. Perfekt für leichte Einheiten zum Angriff auf Kolonnen.

Nun, für mich hieß es damals volle Kraft voraus, da keine Unterkunft mehr kam, musste ich nach Owrutsch und dort was finden. Irgendwann um 22h00 kam ich in dem staubigen Städtchen an, Gott sei Dank habe ich das Gasthaus „Panska Kata“ gefunden. Die nahmen mich - trotz skeptischen Blicks meiner Wirtin - auch auf. Nachdem die Formalitäten und die Bezahlung klar waren, hat mich die Wirtin auch sofort ins Restaurant (mit gehaltvoller osteuropäischer Küche, nebenan feierten mit einer Karaokemaschine, schöne Stimmung) geschickt. Und dass ist es, was so wundervoll am Gastgewerbe ist: die schauen nach uns, kümmern sich um uns, versorgen uns gut. Das zeichnete die Wirtin aus – sie erkannte, was nötig war. Wo wären wir, wenn wir solche dienstbaren Geister nicht hätten.

Vor kurzem schaute ich mir aus aktuellem Anlass die Original-Reiseunterlagen an. Sogar eine handgeschriebene Restaurantrechnung von diesem Abend fiel mit in die Hände, bedient wurde ich von Anna.

Und darauf will ich hinaus – alle diese Menschen denen ich begegnet sind, haben einen Namen, ein Leben und sind in Gefahr. Durch den aktuellen Krieg. Mein Gasthaus liegt in der besetzten Zone und wird beschlagnahmt sein, wenn es überhaupt noch steht, vermutlich werden da Soldaten ihr Unwesen treiben. Das ist unglaublich und auch ungeheuerlich.

Für was, Leute, für was?

Damit man die beherrschen kann, für nichts anderes. Damit man die als freier Mensch nicht mehr besuchen kann.

Und wem nützt das, man hat doch schon 144 Mio. Menschen, die man schikanieren und einschüchtern kann. Denn ein materieller Nutzen besteht doch nicht. Keinem wird es dadurch besser gehen. Nicht den 144 Mio. Russen (die mit Ihren Erdöl-Milliarden doch die Ernte der Ukraine einfach kaufen könnten), nicht den 40 Mio. Ukrainern.

Gut, man kann die Ukraine ausbeuten. Aber es ist doch eine Illusion zu glauben, dass käme den 144 Mio. in irgendeiner Form zu gute. Bleibt die Elite, dann fallen also ein paar Milliarden mehr den ca. 1.000 Profiteuren des Putin-Systems zu. Wertschöpfung, die die nicht ausgeben können, und damit auch keinen Zusatznutzen darstellen kann.

Das macht mich so wütend. Ich sehe die Zerstörung, die Toten, Menschen in Angst, die durch eine unberechenbare Soldateska bedroht werden. Kafkaesker Terror um des Terrors willen.

Ansonsten eigentlich ein tolles Abenteuer, ein irre Anekdote, die mit der einen nominallosen Marke verbunden ist. Also, Briefmarkensammeln soll langweilig sein?

Nur schade, dass der Krieg einen so unübersehbaren Schatten wirft, was ich hier nicht ignorieren konnte, weil mich das bewegt.
 
Bendix Gruenlich Am: 03.05.2022 22:47:52 Gelesen: 7108# 22 @  
Dann mal wieder zurück nach Skandinavien und zu einem für den äußeren Betrachter idyllischen und völlig friedlichen Ort, nach Schweden. Es war diese spürbare Ruhe und Unbeschwertheit, die mich dazu bewog, das Land nochmals, aber an anderen Orten zu bereisen.

Dabei wirkte das Land so erstaunlich entspannt, wohlhabend und frei (und ja, auch das sei erwähnt - die Frauen waren schön und selbstbewusst), dass mir die Zeit als eine ganz unbeschwerte in Erinnerung ist. Mein vorher zu Rate gezogener Reiseführer meinte zu Land und Leuten, dass man sich darauf einstellen müsse, dass es in Schweden kühl und distanziert zugehe.

Tatsächlich wurde ich überall freundlich aufgenommen und habe bei der Unterkunftssuche tätige Unterstützung und viel Freundlichkeit erfahren, wie selten in einem Land.

So auch nicht anders auf der Post in Göteborg, wo ich den seinerzeit unterhaltenen Philatelieschalter ausfindig machen konnte (schließlich braucht jede Reise einen kleinen philatelistischen Höhepunkt - abgesehen davon, man kann ja nicht unterwegs sein, ohne ein paar Marken bei der Hand zu haben, oder? Wenn möglich natürlich die schönsten, die man finden kann). Hier war man noch besser sortiert als im Vorjahr in Malmö, die Auswahl ging gar bis in Jahr 1990 zurück.

Dann zeig ich mal einen Auszug aus der Beute:

Wie wär es denn mit schwedischem Film - oben rechts „Wilde Erdbeeren“ dürfte der international bekannteste sein (habe ich das letzte Mal vor 25 Jahren gesehen, seitdem in Giftschrank).



Passend zum sommerlichen Ausflug: der Sommer in der Kunst.



Außerdem war Inflation auch ein schon damals bekanntes Problem. Das Porto war gegenüber dem Vorjahr - meiner Treu! – um 7,7% gestiegen.



Freundlicherweise überließ man mir zum Einkauf die nachstehende Karte als Souvenir. Ihr seht, sie hat die Läufe der Zeit überlebt.

Und auf der Rückseite wurde für den Service geworben („vackra“ heißt übrigens „wunderschön“ und nicht „wacker“ oder „mutig“. Etwa weich geworden, die Wikinger?). Außerdem erfreulich lange Öffnungszeiten, 9-19h00.



Und war das damals nicht in einem Traditionsgebäude untergebracht? Hm, ich zweifle, also versuche ich, den aktuellen Standort zu finden. Gut, Post in Nordstan habe ich gefunden. Die ist jetzt im Einkaufszentrum untergebracht. Dies ist das Bild, das google dazu zeigt (und ja, es ist wirklich unglaublich - es zeigt die öffentlichen Toiletten!).



Also, eine Telefonnummer war auf der Karte auch angegeben (Vorinternetzeitalter). Gut, dachte ich, dann ruf ich jetzt mal an und klär das. Es klingelt....eine Stimme.... (warum nehmen die immer Frauen, mit Stimmen, die verlockend wie odysseusche Sirenen klingen, ich hab gleich zweimal angerufen) ...die sagt mir auf schwedisch, dass unter der Nummer niemand erreichbar sei.... Gut, also, tempi passati.

Aber es hätte wirklich schlimmer kommen können: stellt Euch vor, die Aufsicht über die Toiletten hätte den Hörer abgenommen..
 
Bendix Gruenlich Am: 03.06.2022 19:33:35 Gelesen: 6931# 23 @  
Wenn man schon mal in Schweden ist, was liegt da nahe? Genau: ein Besuch Norwegens. Also auf nach Oslo, der unaufgeregten Hauptstadt Norwegens.
Hauptstadt = Hauptpost = Philatelieschalter = beste Bedienung für Sammler, so die Gleichung, die ich im Kopf hatte. Schauen wir also, ob die Erwartung aufging.

Norwegen weist eine erstaunliche Kontinuität aus, nämlich die eine der am längsten laufenden Freimarken-Zeichnungen der Welt zu nutzen - das norwegische Posthorn. Die erste Ausgabe erschien 1872, in neuer Dezimalwährung 1877 .....und die NOK-Ausgaben sind bis heute gültig. Ja, die allermeisten Marken dieses Landes sind noch oder wieder verwendbar. Ein gnädiger Gesetzgeber hat sogar verschiedene Altausgaben von 1945 und davor 1981 wieder für gültig erklärt. Halleluja!

Für alle die bisher nicht an Wunder geglaubt haben, hier eine Auswahl aus 100 Jahren Posthorn....und die 0,30er, die habe ich seinerzeit in Oslo gekauft.



Was erstaunlich an Norwegen ist, ist der Wandel vom armen Agrar- / Seefahrerstaat zum superreichen Wohlfahrtsstaat – durch, na was wohl: durch Öl und Gas. Meiner Meinung nach der Rohstoff, der am schnellsten reich macht, und zwar vorurteilsfrei: unabhängig von Rasse, Geschlecht, religiöser Orientierung oder Intelligenz. Man muss nur das Glück haben auf einer Gas- / Ölblase zu leben.

Aus der Beute vom Postbesuch zwei bemerkenswerte Heftchen (Auflagen ca. 1,2 Mio).

Erst einmal etwas mit - für meinen Geschmack - sehr konventioneller Zeichnung: 350 Jahre Postdienst in Norwegen. Mir gefallen die Zitate der Postbeförderung: ob per Läufer, Zug, Rad, Flugzeug, die Post bringt‘s - über Berge, das Meer, auch an ferne Orte. Eine tolle logistische Leistung – die Post überwindet alle Hindernisse und verbindet Menschen.



Höhepunkte der norwegischen Nachkriegsgeschichte - künstlerisch für meinen Geschmack schon ansprechender. Darunter 1971: Eröffnung des ersten Ölfeldes: Ekofisk (müsste eigentlich auf Echtgoldfolie gedruckt sein). Also acht Marken für 40 Jahre Landesgeschichte. Information noch kompakter? Geht kaum.



Folge dieses Reichtums ist ein - selbst für skandinavische Verhältnisse - atemberaubendes Preisniveau. So schafft es Oslo kontinuierlich zusammen mit Tokio und Zürich auf die vordersten Plätze der Städte mit den teuersten Lebenshaltungskosten der Welt.

Es kommen gar nicht so viele Marken pro Jahr heraus, ca. 25 habe ich in 1997 gezählt. In Oslos Frimerkerketj (also dem Philatelieschalter) gab es die Marken der letzten beiden Jahre.

So, ich habe aus dem Gedächtnis gearbeitet, aber siehe da, die Kaufquittung hat überlebt:



Ich wollte eigentlich noch über das Hardangervidda nach Bergen, habe das aber verworfen und auf später verschoben, weil meine Reisekasse wie Schnee unter norwegischer Sommersonne an einem Südhang dahinschmolz (kein Getränk, keine einfache Speise unter DEM 10,--. Da war ich im Restaurant - es geht auch ohne Alkohol, dachte ich – bestellte ein alkoholfreies Bier. Das kostete dann eine Mark weniger als das mit Alkohol, nämlich DEM 12,00. Hammer!). Zurück mit der Fähre nach Deutschland, Kiel.

Aber vorher noch ein Kärtchen nach Hause…. (wäre doch kein Beitrag ohne was Echtgelaufenes)



Und hier kurz mal ein Aspekt zur Auflage: Der König wurde 6,374 Mio. mal gedruckt. Deutschland hat 14,8 mal so viele Einwohner wie Norwegen. Dann rechnen wir das mal hoch - das entspräche einer Auflage in Deutschland von ca. 89 Mio. Stück (in Deutschland üblich waren seinerzeit ca. 30 Mio, für Sondermarken ohne Zuschlag). Selten ist die Marke also nicht – aber Sie passte wunderbar auf den sommerlichen Kartengruß (als ob man selbst von der Yacht herunter jovial grüßen würde).

Die Rückkehr nach Deutschland war hart - weil die Menschen hier hart und gnadenlos sein können (da nehme ich mich selber nicht aus). 15 Minuten am Kieler Bahnhof an einem Sonntagmorgen und ich war wieder in der deutschen Realität angekommen (in Teilen rücksichtslos, im Vergleich zu Skandinavien schmuddelig und lieblos, jede Menge Angetrunkene - am Vormittag. Ich hab geschluckt!).
 
Bendix Gruenlich Am: 03.07.2022 21:02:30 Gelesen: 6684# 24 @  
Also auf zur nächsten Reise, warum nicht mal nach Österreich, für mich als Rheinländer nicht um die Ecke, aber kaum zu glauben, die Alpen kannte ich (mit 29 Jahren) noch nicht.

Also Anschauengehen.

Das Ganze fand 1998 statt und altgedienten Philatelisten sagt diese Jahreszahl etwas.

Großes warf seine Schatten voraus, nämlich die Euro-Einführung in 1999 (Geldzeichen gab es erst 2002, aber als Buchgeld wurde das schon 1999 eingeführt).

Der Schrecken für uns Sammler war ja seinerzeit die Frage, was wird aus unseren gehorteten ungebrauchten / postfrischen Beständen, und Österreichs Antwort war die Außerkurssetzung von ATS-nominierten-Marken in 2002.

Wer jetzt in Tränen ausbricht, braucht sich dessen nicht zu schämen, ein todtrauriges Ereignis. Ruhet in Frieden ihr vom 10.12.1947 bis 30.06.2002 gültigen Schilling-Marken. 18 Jahre später fiel mir für eine handvoll Euro eine Teilsammlung Österreich in die Hände, mit dabei mindestens 100 gefalzte, verschiedene Neue Schilling-Marken darunter die 1948er Wiederaufbau-Marken Wien und Salzburger Dom (wo wart ihr, als ich Euch gebraucht hätte). Fantastische Kunstwerke im Stichtiefdruck. Ach wie gern, würde ich Euch nutzen und auf meiner Post als Botschafter der Kultur und der eigenen Sache um die Welt senden. Aber ach - es ist vorbei.



Wenn ich das richtig erinnere, war dieses kommende Unglück 1998 bereits bekannt oder zumindest mit hoher Wahrscheinlichkeit zu befürchten. Also, alles musste raus.

So habe ich denn vor meiner Reise geschaut, was weg kann, ja, was weg musste. Das habe ich gefunden….

In Landeck ging ich aufs Amt und suchte um saubere Handstempelung nach, und das ist leider ganz schön schiefgegangen, denn die Christel von der Post hatte keinen guten Tag (und wie ich es erinnere, auch wenig Lust, ja ich hatte auch den Eindruck, dass sie mein Ansinnen gar nicht verstand - erst war es zu wenig Farbe, dann wurde einfach lieblos irgendwie nach dem Fassen neuer Farbe nachgestempelt und auch das war dann nicht lesbar). Schade, das ist aber nun einmal manchmal Postalltag. Nicht jeder Stempel gelingt, dann haben die Österreicher auch einiges an Stichdruckmarken, die nehmen die Entwertungen nicht so glasklar auf.



Und Neues wurde von der Reise nicht mitgebracht, die drohende Außerkurssetzung hat mein Herz hart werden lassen. Nichts mitbringen, das fällt mir eigentlich schwer, aber der Groll gegen die anstehende Enteignung (und den Entzug von tausenden wundervollen Motiven zur Frankaturgestaltung) wog schwerer. Ein Blick in die Katalognotierungen der 60er Jahre bei Bund für postfrisches Material hat für mich den Weg gewiesen. Mein Fazit: das bekommst Du nächstens deutlich günstiger, und das ist ja auch in einer Intensität wahr geworden, die ich damals nicht für möglich gehalten hätte.

Für uns Flachländer (wohne auf 40 Meter über dem Meeresspiegel) sind ja die Alpen etwas ganz Besonderes - ein tolles Panorama (zurück mit der Bahn über die phantastische Arlbergstrecke) - und das Wetter war auch der Hammer, im September war von Fön bis 20 cm Neuschnee alles dabei, und so sehe ich mich für die Verstempelung angemessen entschädigt.

Apropos „Christel von der Post“, ich kann gar nicht erklären, warum ich auf die Bezeichnung verfallen bin und weibliches Postpersonal grundsätzlich so bezeichne und. Also kurz das Internet befragt: das ist eine Figur aus einer Zeller-Operette und zwar einer Postlerin aus Tirol – na, das passt doch hervorragend - mehr Österreich geht nicht.

Für (Post-)Nostalgiker daher folgendes

https://www.youtube.com/watch?v=XG-5Ozo0c7I

(herrlich: im Liedtext macht man sich auch über Postlaufzeiten lustig…am besten begleitet mit einem Glas Sekt anschauen / anhören...oder das ganze Stück, da würde dann aber eine Flasche fällig werden, dazu empfehle ich die Durchsicht der Jahrgänge der 60er Jahre)

Na, dann sag ich für heute mal Servus.
 
bignell Am: 03.07.2022 21:50:55 Gelesen: 6660# 25 @  
@ Bendix Gruenlich [#24]

Hallo Bendix,

von der Dame in violett (und allen anderen Farben) gab es zwei Ausgaben, eine 1948/52 auf graustichigem bis gelblichgrauem Papier, eine 1958 auf gelblichweissem bis weissem Papier - Deine Damen hier kommen recht hell daher scheint mir, also wohl eher von 1958.

Liebe Grüße,
harald
 
achim11-76 Am: 04.07.2022 19:18:53 Gelesen: 6550# 26 @  
@ Bendix Gruenlich [#24]

Ich bin mal gespannt, ob die Bundesdeutschen Euro Marken ohne Matrixcode jetzt auch sehr kurzfristig ausser Kurs gesetzt werden, wenn sich das System mal gefestigt hat.

Siehe England, kurz nach Einführung der Datamatrixmarken wurde angekündigt, das die alten Marken nur noch 6 Monate gültig sind.
 
Bendix Gruenlich Am: 04.08.2022 22:01:24 Gelesen: 6273# 27 @  
Nicht nur die Österreicher mussten sich von ihren Vor-Euromarken verabschieden, auch wir in Deutschland.

Von einer kleinen Tagesausfahrt ist dies erhalten geblieben.



Abgestempelt von einem der kleinsten Postämter in Bad Neuenahr, dem Postamt 11, wahrscheinlich schon seit Jahren geschlossen.

Ruhig ging es zu, eine Postangestellte vor Ort, die meinen Stempelauftrag nach möglichst vollen Stempeln sehr geflissentlich ausgeführt hat.

Natürlich sind die Briefmarken nicht ganz zeitgemäß verwendet worden und auch nicht vom Postamt vor Ort verkauft worden.

Das kam so: weil ich erst 1981 den Kauf postfrischen Materials aufgenommen hatte, fehlten mir immer die ersten Jahrgänge der noch gültigen Marken ab 1969. Durch die drohende Euroeinführung 2002 kamen auf einmal (nach meiner Wahrnehmung ab 1995) gehortete Marken auf dem Markt. Bin im Sommer 1998 einfach mal bei einem Briefmarkenhändler in Köln ins Geschäft gegangen und habe frech nach fünfmal den Jahrgängen 1969-1974 gefragt (die bis dato für mich immer unerreichbar waren, denn da sind alle Ausgaben enthalten, die in den 1970-er und 1980-er Jahren Wahnsinnsspekulationsobjekte waren und einzelne Marken zwischen dem 10-20-fachen ihres Postpreises gehandelt wurden)….und auch bekommen, ohne Zuschläge, zu 80%! Ich war sehr zufrieden.

Ab diesem Zeitpunkt wurde meine Post deutlich bunter.

Es hat einfach Spaß gemacht, sich hinzusetzen und bunte Kombinationen für ein Poststück zusammenzustellen und sicher viele Empfänger glücklich zu machen.

Auch ich habe mich immer gefreut, wenn sich Kunden mal Mühe bei der Frankatur gemacht haben. Gerne habe ich die Freundlichkeit, wann immer möglich, erwidert. Mit dem Material ging dann was.

Eine kleine, feine Reise. Von Euskirchen (150 Meter über NN) geht es direkt ins Mittelgebirge (immer eine der die schönsten Seiten Deutschlands, 400 Meter über NN) einem Teil der Eifel über kurvige Straßen über die Berge, auf und ab, bis man am Nürburgring vorbeifährt, ins Ahrtal eintritt, zum Rhein wo man von Sinzig bis Bonn etwas Rheinromantik schnuppern kann bis, bis man nördlich von Bonn ins industrialisierte Rheinland eintaucht, um in Köln in die Domstadt einzureiten (Radtour). Am besten mit ein paar Bier und einer deftigen rheinischen Mahlzeit den Tag ausklingen lassen.
 
Bendix Gruenlich Am: 01.11.2022 20:10:23 Gelesen: 5679# 28 @  
Ich bin ja vom Nordrhein. Gehe ich aus der Tür und wende mich nach Westen, dann sind es so fünf Kilometer, da ich stehe am Rhein, auf der rechten Rheinseite. Jetzt einfach nur kurz auf die Fließrichtung schauen und dem Fluss rheinabwärts folgen. Ich wohn genau auf der kurkölnischen / niederrheinischen Kulturgrenze. Dann geht’s 100 km stromabwärts durch die Landschaft des Niederrheins. Wenn der Fluss sich teilt, sind wir da - bei unseren Nachbarn, den Niederlanden.

Einst formell Teil des Deutschen Reiches wurde man 1648 - nachdem man dort 80 Jahre für die Unabhängigkeit von Spanien, dem seinerzeitigen tatsächlichen Territorialherrn, gekämpft hat, unabhängig. Es war letztlich ein Religions- / Kulturkrieg (Calvinisten vs. Katholiken – ethnische Spanier gegen Niederländer…und ums Geld gings natürlich auch).

Seitdem protestantisch geprägt, dabei wirtschaftlich, in Handel und Kultur bemerkenswert erfolgreich. Extrem wirtschaftsstark und wirtschaftskulturell irgendwo in der Mitte zwischen Briten und Deutschen anzusiedeln. Hervorragende Kaufleute!

Eigenes Land - eigene Kultur - eigene Briefmarken (wobei man sprachlich nicht wirklich weit auseinander liegt. Guckt Euch mal die Mitgliederkarte der Philaseiten an, dann wisst Ihr Bescheid - auch wo die Sprachgrenze in Belgien verläuft, kann man auch gut sehen).

Und bei den Briefmarken sind die Niederlande beim Design auffällig. Stets modern, mit grafisch (heraus-)fordernden Designs (Collagen und Abstraktem), da schaut man zwei oder dreimal hin und staunt.

1999 bin ich da getourt, unter anderem um Amsterdam zu sehen. Da das in die Phase der Euro-Einführung fiel, habe ich Dubletten und zweite Wahl aufgebraucht.



Das mag auf den ersten Blick unspektakulär wirken, aber folgendes:

• Die Sondermarke: Auf den ersten Blick erkannte ich eine historische Zeichnung und den beigen und roten Hintergrund. Nun, das hätte alles würdigen könne (irgendein historisches Ereignis). Dann habe ich den Ausgabeanlass gelesen. Aha, botanischer Garten in Leiden. Dann wunderte ich mich, Garten? Da hätte ich eigentlich Pflanzen erwartet. Und da erst erkannte ich: dass sind keine einfachen Hintergrundfarben, sondern die ganze Marke ist eine Tulpenblüte. Die erstreckt sich über die gesamte Marke einschließlich der Zähnung. Man hat hier also optisch getäuscht (die Herrschaften sind klein und die Tulpenblüte überrascht, weil Sie gegenüber den Herrschaften überdimensioniert ist. Auch besteht ein Garten aus Anlagen, Beeten und Bäumen, aber hier zitiert man nur die Blüte einer Pflanze, die im Frühjahr im Übrigen zu tausenden zu sehen ist. Dann ist das auch noch die Pflanze, die uns typisch für die Niederlande scheint). Also, das ist doch eine starke Grafik! Und so geht es mit vielen niederländischen Briefmarkendesigns.

• Zufrankiert wurde die Freimarkenserie Ziffern, die klassische Ergänzungsmarke

• Ferner sehen wir das Juliane-Design aus den 1950ern. Diese waren aber seit 1985 bereits ungültig. Da hab ich mir also seinerzeit die Beförderung erschlichen. Nun ja, die Welt ist schlecht. Das Todesurteil für den Beleg? Das wäre schade - zitiert wird nämlich auch noch das Porträt der Königin. Das zieht sich durch die Jahrzehnte und ist ganz typisch für Post aus den Niederlanden. Das versuche ich mal hiermit zu beweisen.



Ich behaupte, bei den meisten klingelt es – die Formate erkennt man sofort wieder, während sich die Designs modernisieren / erneuern. Und um diesen Wiedererkennungswert des Gebrauchsgegenstands Briefmarke geht es doch für alle Nutzer.

Wer jetzt nach diesen Ausführungen erschöpft ist und sich stärken muss, dem empfehle ich zum Schluss die lokale Spezialität Fritten-Special. Fritten mit Mayonnaise kriegt man natürlich auch hier im Rheinland. Das „speciale“ sind gehackte rohe weiße Zwiebeln dazu (ein bis zwei Esslöffel).

Nur Mut (zum Sammelgebiet und zur Mahlzeit)!
 
muemmel Am: 01.11.2022 21:38:04 Gelesen: 5665# 29 @  
@ Bendix Gruenlich [#28]

Danke für den Ausflug ins Nachbarland, markenmäßig, aber auch was die speziellen Pommes betrifft.

Grüßle
Mümmel
 
Bendix Gruenlich Am: 01.12.2022 19:55:45 Gelesen: 5410# 30 @  
Ich lege in Sachen Niederlande noch einmal nach. Denn, wenn wir schon mal da sind, wäre es doch unverzeihlich, nicht mal kurz an der See vorbeizuschauen. Von Amsterdam sind es weniger als 50 km bis zur Küste.

Für alle Freunde des Mondänen sei Scheveningen empfohlen, wenn ich mich richtig erinnere, kann man mit der Straßenbahn nach Den Haag hineinfahren. Folgt man der Küste, geht es über das Rhein- / Schelde-Delta nach Zeeland, praktisch die Badewanne des Niederrheins und des Ruhrgebiets, weswegen mit Blick auf die seit Jahrzehnten ausgegeben deutschen Touristen-Euro, der breite Sandstrand eigentlich aus Goldstaub bestehen sollte.

Einem Briefkasten in Domburg vertraute ich Nachstehendes an



Schrott? Massenware? Moment mal!
• In der Kombination sicher nicht so häufig zu finden
• Mit Dezembermarke - Gestaltung in ungewöhnlicher Form, nämlich der eines Rhombus. Gelocht (amtlich) sind die Marken auch. Die Marke ist gespickt mit Motiven zum Jahreswechsel / zu Weihnachten. Ich habe alleine fünf Motivzitate gesehen. Das sieht zwar wie eine Sondermarke aus, ist von der Auflage her (105 Mio.!) aber eher freimarkenähnlich.
• Mit einem fürs Auge gefälligen Viererblock der Ziffern-Ausgabe
• Zum Stempel: Habe ich nicht gerade behauptet, das in Zeeland eingeworfen zu haben? Und was sehen wir in der Entwertung? Rotterdam! Also: die Post muss gesammelt und dann in einem Briefzentrum in Rotterdam maschinengestempelt worden sein. Und das nimmt mir als Postkartenromantiker so einiges bei der Wirkung der Karte. Wir schicken ja etwas nach Hause, um zu zeigen, wo wir waren. Das sind in der Regel Orte, die uns als besonders in Erinnerung geblieben sind und auf die wir aufmerksam machen wollen. Karte, Marken, Text, Stempel bilden da eine Einheit, die am besten gemeinschaftlich wirkt. Und dieser Wirkung ist das jetzt beraubt. Heimatbelegsammler werden wissen, was ich meine.

Nun, die Ziffern - noch eine Besonderheit der Niederlande. Habe ich das letzte Mal die Königinnen hervorgehoben, mache ich das jetzt einmal mit den Ergänzungsmarken, den Ziffernausgaben.

Jetzt nehmen wir die typische Form der Königinnen und drehen sie um 90 Grad, dann haben wir: genau, das Ergänzungsmarkenformat! Auch dieses Format hat Tradition. Schaut mal hier - hundert Jahre Gebrauchsgegenstandsdesign:



Mein Favorit ist die orangefarbene 5 cent-Marke im Stil der Fünfziger (minimalistisches Gebrauchsdesign - nichts kommerziell Wertvolles - trotzdem faszinierend und Wert gewürdigt zu werden).

Ach ja, die See, die breiten Sandstrände, die graue und rauhe Nordsee. Baut eine Sandburg, geht Baden, spaziert am Strand, atmet diese wunderbare Seeluft ein. Nachdem der Wind an Euch gezerrt hat, geht in ein Strandcafe und trinkt einen starken Kaffee oder ein kleines helles Bier. Unbezahlbar. Vielleicht der beste Moment einen Gruß nach zu Hause zu verfassen.

Hartlijke Groeten!
 
Bendix Gruenlich Am: 31.12.2022 16:58:41 Gelesen: 5062# 31 @  
Ach ja, von Holland muss man auch wieder zurückkommen. Also, machen wir uns auf den Rückweg….über Belgien (war doch klar, dass ich mir den Besuch dieses bedeutenden Briefmarkenlandes nicht entgehen lasse).

Mal zum historischen Hintergrund: Belgien, das sind die ehemals spanischen Niederlande. Sind die Niederlande protestantisch geworden, ist Belgien katholisch und bis zur napoleonischen Zeit habsburgisch geblieben. Wer das jetzt als unrelevant abtut, sei darauf hingewiesen, dass die Niederlande und Belgien kurz vereint waren. Man hat sich nicht verstanden - die Niederlande haben Belgien (wirtschaftlich und politisch) zu sehr dominiert. Folge: Bürgerkrieg und Unabhängigkeit Belgiens.

Ich habe 50% protestantischen Familienhintergrund, 50% katholischen. Meine evangelischen Verwandten fahren nach Holland (oder an die mecklenburgische Ostsee), meine katholischen fühlen sich in Belgien wohler. Kein Scherz!

Auch zwischen den Briefmarkendesigns der Belgier und der Niederländer liegen Welten. Die belgischen Ausgaben sind barocker und gegenständlicher. Oft großformatig, häufig im Stichtiefdruck und auch zahlreicher. Ich habe als Stichprobe (vom Anfang des Sammelgebietes bis 1990) mal ca. 60% mehr Michel-Nrn. gezählt als für die Niederlande. Blöcke sind häufig (und beliebt!).

Das mit dem Katholischen / Evangelischen kann man belächeln. Aber die Angst vorm Fegefeuer ist bei den Katholiken höher. Das führt zum Paradoxon, dass es eine größere Tendenz zu Sinnesfreuden gibt (wenn schon Sünde, dann richtig!). Essen kann man daher meiner Erfahrung nach in Belgien besser (im Vergleich zu den Niederlanden).

Sinnesfreudig, das gilt auch im Hinblick auf die bildlichen Darstellungen (man bedenke folgendes: im Katholizismus gibt es Bilderverehrung - im Protestantischen liebt man es eher nüchtern).

Nun, wie dem auch sei - mein Weg führte über Gent. Fehlende Marken habe ich mir dort bei der Post gekauft, in diesem Gebäude - schaut Euch den link an, es lohnt sich. Das ist keine Post, sondern ein philatelistischer Sakralbau. Hat die bpost mittlerweile zu Geld gemacht. Ist jetzt ein Einkaufszentrum mit Hotel.

https://nl.wikipedia.org/wiki/Oud_Postgebouw_(Gent)

Und wie siehst's sonst so in Gent aus? Na so zum Beispiel....



Etappe in Brüssel. Ab die Post, Karte nach Hause! Abends noch Zeit den Großen Platz zu besuchen. Auf dem Weg dorthin bin ich auf einem Kilometer an drei Briefmarkengeschäften vorbeigekommen. Allerdings war das 1999.



In Belgien sind Marken ohne Zuschlag seit 1952 und Zuschlagsmarken ab 1961 unbegrenzt frankaturgültig (sei es in BEF, EUR oder nach dem aktuellen - von mir wenig geschätzten - Nummernsystem).

Alleine schon im Hinblick auf diese Auswahl, sollte sich eine Reise nach Belgien lohnen!
 
preussen362 Am: 31.12.2022 20:06:19 Gelesen: 5038# 32 @  
Danke für den kurzen Ausflug in mein Lieblings-Ausland (warum wohl? bin übrigens sogar auch katholisch) ! Ich musste über die tolle Beschreibung der (nicht nur sprachlich durchaus konfus wirkenden) Art und Weise unseres nahen Nachbarlandes reichlich schmunzeln.

Und doch hat Belgien für mich auch wegen der Stilblüten der Regional- und Sprachpolitik immer etwas mysteriöses, unverständliches - aber ebenfalls immer etwas Neues und Herausforderndes.

Ein Abstecher dahin lohnt sich - in die aufgeräumten und funktionierenden Niederlande kann doch jeder. :-D
 
Bendix Gruenlich Am: 31.01.2023 12:56:25 Gelesen: 4808# 33 @  
Da hatte ich noch eine Woche Urlaub und keine Termine. Was macht man da? Man begibt sich auf eine Reise. Um mal rauszukommen, um mal was anderes zu sehen, ja das befreit. Also, die Satteltaschen gepackt und auf den Weg gemacht.

Eine der schönsten Eisenbahnstrecken Deutschlands ist die Eifelstrecke von Köln nach Trier (aktuell wegen Hochwasserschäden zwischen Kall und Kyllburg leider immer noch unterbrochen). Da steigt man auf halber Strecke (nach Überschreitung der Kulturgrenze Aachen+Kurköln / Rheinland-Pfalz) aus und kann sich mit der Durchquerung der Eifel und Luxemburgs einem prima Bergtraining unterziehen, denn das Höhenprofil, dieses windigen und hügeligen Landstrichs ist nicht ohne.

Wer das an einem Sonntag tut – wie ich seinerzeit -, steht natürlich in Luxemburg vor geschlossenen Postamtstüren. Gut, greifen wir also zur Verdeutlichung auf historisches Material zurück und ehren das durchfahrene Vianden / Luxemburg kurz in einzelnen Aspekten philatelistisch:

• Blutjung und bildhübsch: Großherzogin Marie-Adelheid, die leider zwischen die Fronten geriet. Frankreich, Belgien und Deutschland rütteln ständig an den Grenzen des kleinen Pufferstaates (Luxemburgs sehr effektive Rache: das kontinuierliche Unterbieten der Verbrauchssteuern und Kapitalertragssteuern der großen Nachbarn). Vorwurf an die Großherzogin: zu deutschfreundlich – schwer das nicht zu sein, wenn man mal wieder besetzt ist, hier: 1914/18 durch Deutschland – , dazu noch Versorgungskrisen, Aufstände, letztendlich zur Abdankung gezwungen. Damit leider auch von Briefmarken verschwunden. Schade, ein echter Blickfang (ich bleibe da beim Durchblättern der Sammlung immer hängen)

• Vianden-Ansichten: aus den 1920ern und eine Ausgabe aus den Fünfzigern mit dem Hinweis auf Aufenthalte des Exilanten Victor Hugo

• hält fit: Radfahren in Luxemburg - allerdings empfehle ich als Straßenfahrer / Touristiker auf den Sattel zu steigen



Am Abend kommt man in Belgien, in Arlon, an (schließlich hatte ich noch ein paar minderwertige belgische Marken, die mussten aufgebraucht werden).

Als Briefmarkensammler zieht einen die Post immer magisch an. Vermutlich ist das Reisen nur ein Vorwand, um mal im Ausland auf die Post zu gehen.

Enttäuscht von anonymen Briefzentrumsstempeln bin ich dazu übergegangen, persönlich am Schalter vorzusprechen, wenn irgend möglich.



Hier hat man meinem Wunsch auch entsprochen. Es wurde eine wilde Stempelei, insgesamt fünf Stempel wurden abgeschlagen.

Für die Stempeldatenbank hätte ich den Arlon-Stempel gerne hinterlegt. Doch ich lade mal dazu ein, genau hinzuschauen. Kaum zu glauben, aber keiner der Stempelabschläge ist vollständig (mal fehlen Buchstaben des Ortes, mal der Unterscheidungsbuchstabe, mal ist das Datum unvollständig….).

Ja, das ist halt Postalltag - aber das beweist für mich ein ums andere Mal, wie schwierig es in Wirklichkeit ist, Belege mit hervorragender Stempelqualität zu finden.

Ich stelle fest, dass doch von den Sachen, die man in Ausstellungen sieht / unter Sammlern kursieren, doch mindestens 80 % „gemacht“ sind. Zeppelin-Briefe mit seltenen Flugpostmarken und glasklaren Stempeln von X-Postverwaltungen? Das ist einfach unglaubwürdig. Die philatelistische Welt dreht sich um sich selbst.

Deshalb wünsche ich mir von allen Qualitäts-Fundamentalisten mehr Respekt und mehr Sympathie auch für das Unvollkommene, als das ehrlichere Material.
 
filunski Am: 31.01.2023 13:19:04 Gelesen: 4803# 34 @  
@ Bendix Gruenlich [#33]

"Deshalb wünsche ich mir von allen Qualitäts-Fundamentalisten mehr Respekt und mehr Sympathie auch für das Unvollkommene, als das ehrlichere Material."

Hallo Bendix,

wie wahr, und wie immer sehr erfrischend deine aus dem wahren Leben gegriffenen Beiträge zu lesen! ;-)

Von mir etwas dazu aus Sicht der Stempeldatenbank und ein Tipp deine Stempel aus Arlon durchaus datenbanktauglich aufzubereiten. Gerade weil die 1 A Musterabschläge im täglichen Postalltag nicht oft vorkommen und heutzutage erst recht immer rarer werden, bevorzugen wir für die Datenbank eben echte Abschläge aus dem Postalltag, nicht "aufgehübscht" oder gar frei gestellt oder retuschiert. Es sollten halt nur die wichtigsten Daten (Ortsname, PA Ziffern, UB, Datum, PLZ) erkennbar oder ohne viel Phantasie rekonstruierbar sein.

Auch aus deiner üppigen Stempelauswahl auf der gezeigten [#33] Karte, lässt sich etwas datenbanktaugliches basteln, so wie hier:



ARLON 1 / w / 6700
vom 20.09.99

So ist der Stempel auch jederzeit in der Datenbank willkommen.

Viele Grüße,
Peter
 
Bendix Gruenlich Am: 28.02.2023 22:40:33 Gelesen: 4593# 35 @  
Übrigens, wenn Deutsche sich die über die Eifel anschleichen und das neutrale Luxemburg und Belgien durchqueren….dann heißt das für Frankreich nichts Gutes. Zumindest galt das für die erste Hälfte des 20. Jahrhunderts.

Ich hab das Muster jedenfalls kopiert…und bin vom neutralen Belgien aus in Frankreich eingefallen. Verdun ist dann noch am gleichen Tag gefallen. Allerdings habe ich mir nicht die Schlüssel der Stadt aushändigen lassen, sondern nur die zu einem Hotelzimmer.

Dort habe ich folgenden Beleg aus allerhand Resten angefertigt, den ich für gelungen halte und besonders liebe, und ihn am Morgen auf die Post gebracht.



Une obliteration extraordinaire! Was für eine nette Überraschung. Es war mir ein Vergnügen, diesen ornamentalen Stempel unter Nr. 395029 in der philastempel-Datenbank zu hinterlegen (Details dort).

Frankreich hat ja die angenehme Eigenheit (Vive la France!), dass da praktisch alle Marken von Beginn an (mit Ausnahme weniger Kollaborations-Ausgaben) noch verklebt werden können (wer also noch Marken mit Napoleon dem Dritten drauf übrig hat, nur zu, der benutze sie doch einfach).

Tragisch: Philippe Petain wurde einst zum Kommandeur der Truppen zur Verteidigung Verduns 1916 ernannt und für den dortigen Sieg (seiner Einheiten) gefeiert, hat sich dann aber 1940 an die Spitze des Kollaborationsregimes stellen lassen. Und mit Verlierern wird selten gnädig umgegangen. Marken mit seinem Porträt sind daher nicht mehr zur Frankatur zugelassen.



Das Porto auf der Karte stimmt jedenfalls centime-genau, auch in alten Franc. Viel Spaß beim Nachrechnen. Und seinerzeit galt noch der günstige Europatarif (Porto in die Europäische Union entsprach dem Inlandsporto). Interessantes historisches Detail; der rechts oben zitierte Vertrag von Verdun war eine Erbfolgeregelung. Drei Söhne Karls des Großen teilten das Reich in ein West- (Gallien), Mittel- (Burgund / Lothringen) und Ostteil (Deutschland) auf. Um den Mittelteil wurde dann 1.000 Jahre lang gekämpft (eine echte Erbauseinandersetzung halt).

Gereist bin ich bei herbstlichem Wetter, hin durch das Maastal, zurück dann Richtung Metz.

Es fallen einem die vielen, vielen Friedhöfe am Wegesrand auf. Abertausende tote Soldaten…nun, c’est la guerre...trotzdem ist das bitter, bitter.

Da lernt man Europa-Marken zu schätzen (mit ihrer wichtigen politischen Botschaft), die sind mir nämlich lieber als Feldpost.

Das wäre eigentlich ein guter Schlusssatz gewesen, ich lege aber noch etwas Bildliches nach, denn ich ahne, dass uns Sammlern nach Markenansichten verlangt.

Von links nach rechts

• Souvenir, Souvenir: 1 centime in alten Franc, also FRF 0,0001 aus einer Freimarkenausgabe aus den 1930ern. Ich dachte, das wäre ein Betrag, den ich zur Dokumentation meines Aufenthalts aufwenden habe aufwenden dürfen, ohne unvernünftig zu erscheinen.

• Metz: die Kathedrale - hatte ein Hotel direkt am Platz

• Willkommen zurück in Deutschland: Tourende im Saarland. Jedenfalls habe ich ein Gespräch zwischen zwei einheimischen Damen am Bahnhof aufgeschnappt. Meiner Treu, ich hab nicht verstanden, was die geschwatzt haben und gerade deswegen die Ohren gespitzt. Ob das Saarland deswegen mal eigene Marken hatte?


 
Bendix Gruenlich Am: 31.03.2023 21:40:54 Gelesen: 4388# 36 @  
In 1999 hatte ich mir ein altes, neues Auto angeschafft. Eine Zufallsbekanntschaft, wir trafen uns gar gar nicht weit von meiner Wohnhöhle entfernt auf der Straße, wo das Fahrzeug einem neuen Herrn zum Kauf angeboten wurde. Dieses 1.000,-- DEM-Fahrzeug (ein feuerroter Ford Sierra Kombi – sehr praktisch und zuverlässig – weswegen aus einer anfänglichen reinen Arbeitsbeziehung im Laufe der Zeit echte Zuneigung wurde) wollte auch einmal bewegt werden.

Also auf zur Wochenendausfahrt – mal was anderes sehen, mal rauskommen. Die DBZ informierte mich über eine bevorstehende große Briefmarkenmesse / -ausstellung in Brüssel. Man schaut noch einmal auf den Ölstand, tankt voll, bestückt die Brieftasche mit einer paar Banknoten, packt eine Zahnbürste ein und los gehts. Ach ja, das war vor der Zeit, wo man sich blind kleinen Navigationsgeräten anvertraute. Also habe ich am Vorabend noch die Karte studiert und mir signifikante Punkte eingeprägt (für grafikliebende Briefmarkensammler kein Problem).

Nach einer Stunde Fahrt kommt die Grenze, man überquert sie und schon ist man im Ausland. Landschaft, Verkehrsschilder, Autos, Menschen alles ändert sich und das ist ja das Spannende, weswegen man sich auf die Reise macht. Ob auch in der Fremde alles gut geht? Man verspürt die Lust sich an dieser Aufgabe zu messen und zu bewähren, vielleicht etwas Neues zu entdecken und zu erproben, wie man damit zurechtkommt (Do or die!).

Schon der Eintritt auf belgische Autobahnen (Marke links) löst dieses Kribbeln aus. Das sind Bauwerke der sechziger und siebziger Jahre, jahrzehntelang mit dem gelblichen Licht der frankophonen Autowelt beleuchtet, eine Kette, der man folgen muss und die einen immer weiter ins Land zieht.

Das Ziel waren die Messegelände im Brüsseler Norden. Der würdige Anlass der Ausstellung der 150. Jahrestag der Erstausgabe belgischer Briefmarken (Marke Mitte: eine Nr. 4b im historischen Erstdesign).

Am Abend kann man noch in die Innenstadt fahren. Seinerzeit fand ich – kaum zu glauben, da recht prominent gelegen – unmittelbar vor dem Königspalast (Marke rechts) eine günstige Parkmöglichkeit.



Natürlich war beim Ausstellungsgeschehen auch die Belgische Post vor Ort. Ich sandte seinerzeit einen Gruß nach Hause.

Und nachdem wir in Beitrag Nr. [#31] einen einfachen Maschinenstempel gesehen haben, in Beitrag Nr. [#33] das Ergebnis eines zwar bereitwilligen, aber einen in Fragen philatelistischer Stempelung nicht wirklich erfahrenen Postangestellten betrachten konnten, haben natürlich die Philatelieprofis der Post auf der Ausstellung eine sehr gute Qualität geliefert.



Das hat natürlich – auch wenn echt gelaufen – wieder einmal den Charakter des „gemachten“ Belegs, wie so häufig anzutreffen in der Welt der Philatelie, ist aber durch das Arrangement der Marken (eben als graphisches Muster, die Stempel mussten ja korrespondierend angebracht werden, sie verstärken das Muster und erlauben eine Gliederung des Textes), wie ich finde, schön anzusehen.

Seitdem sind Jahrzehnte vergangen. In der Zwischenzeit habe ich einfach mal ein paar belgische Restsammlungen für einen Appel und ein Ei erworben (EUR 40,00 und EUR 80,00 aus einem Auktionsnachverkauf für tausende Marken). Unfassbar günstig, gültig wären die meisten Marken auch noch. Auch auf den ppa-Auktionen werden kleine Lots für viel Spaß angeboten.

Falls jetzt noch nicht alles zu Belgien gesagt sein sollte, die Bundeszentrale für politische Aufklärung (genau, wofür zahlen wir eigentlich Steuern) hat auf 340 Seiten alles zum Land mal kurz zusammengefasst. Stilistisch für meinen persönlichen Geschmack manchmal zu jovial – die Zeiten halt – aber alles solide auf engstem Raum zusammengefasst und mit Grafiken angereichert.

https://www.bpb.de/system/files/dokument_pdf/Pocket%20Belgien%20-%206183%20-komplett.pdf

Eh ich es vergesse, falls Ihr Appetit auf Belgien entwickelt haben solltet (schließlich habe ich doch für die jetzt wirklich ordentlich die Werbetrommel gerührt), bevor Ihr im nächsten Herbst ans Sortieren / Durchschauen Eurer (neuen?) Belgien-Sammlung herangeht - Stärkung nicht vergessen. Hier ein Vorschlag der Belgischen Post aus 2001: „Triumph der Muschel“.



Mahlzeit!
 
Cantus Am: 31.03.2023 23:47:07 Gelesen: 4372# 37 @  
Hallo Bendix,

so weit brauchst du gar nicht zu reisen. Versuche einmal, in kleinen Orten in Mecklenburg-Vorpommern oder in etwas abgelegenen Gegenden in Brandenburg saubere Poststempel zu bekommen, du wirst da manches Abenteuer erleben. Manche Mitarbeiter/innen der Post nehme ihre Aufgabe sehr genau und achten auf Korrektheit, aber es gibt auch diverse andere, die recht gleichgültig ihren Aufgaben gegenüberstehen, leider.

Aber mache bitte weiter mit deinen Reiseberichten, meine Erlebnisse passen hier nicht so recht hinein.

Viele Grüße
Ingo
 
Bendix Gruenlich Am: 29.04.2023 16:31:38 Gelesen: 4167# 38 @  
Keine Zeit für lange Reisen? Wie wäre es denn dann einmal mit der kleinsten bekannten Reise: dem Ausflug.

Jetzt muss man nur noch ein reizvolles Ziel finden. Was könnte für uns Briefmarkensammler da in Frage kommen? Genau, die lokale Briefmarkenausstellung in Eurer Nähe.

Ich wohne im rheinischen Ballungsgebiet, das kann Vorteile haben. So hat in Köln jahrzehntelang die „philatelia“ stattgefunden und zwar in den Messehallen in Köln-Deutz. Der Dom ist auf der anderen Rheinseite, das ist immer einen Blick wert. Eine gleichnamige Messe findet nunmehr in München statt.

Messetrubel macht natürlich Laune, auch wenn mir persönlich eigentlich der Ausstellungsteil mehr Freude macht. Das Messegeschehen ist halt stark kommerziell geprägt, und da Geld nun einmal als Kaufmann mein Beruf ist, braucht man davon und vom Geschacher auch mal gelegentlich eine Pause.
Die Ausstellungen sind doch eine tolle Sache - ich sag immer, liebe Sammer, „zeigt mal was“ und „sagt mal was dazu“. Das kann man in der Ausstellung erleben und selber Schwerpunkte setzen (das eine guckt man sich intensiver an, das andere weniger).

Dann will ich da mal selber was tun und da nicht hintenanstehen



Für mich ist das ein reines Souvenir, denn zwei Dinge könnten für meinen Geschmack besser sein:

• Die Dürer-Ehrung (1971) kann ich gut nachvollziehen (ein echter Meister der Grafik), aber die Bundesrepublik war da bei der Abbildung nur des Monogramms zu bescheiden
• Die Sonderstempel sind mir zu gegenwärtig, ohne mich vom Design her zu voll zu überzeugen – aber was soll man hier meckern, zur Entwertung taugten sie allemal.

Bleibt natürlich die Frage, wo da der Abenteuerfaktor ist? Nun, das kommt auf die Perspektive und die Anreisemethode an.

• Ich benutze ja gerne öffentlichen Nahverkehr. Und wenn ich einmal Rechenschaft ablegen muss, was ich mit meinem Leben angestellt habe, kommt nach Schlafen sicher bald das zweitzeitintensive, das Warten auf ein Verkehrsmittel. Übrigens, mein lokaler Bus 790 bringt einen nicht nur zur Atlantikinsel St. Pierre (Beitrag Nr. 8), sondern vor allem und zuerst zum Bahnhof meiner Heimatstadt (leider eher ein Beispiel für weniger vorteilhafte Gegenwartsarchitektur, da muss man ja zur Briefmarke greifen) und von da kann man dann bequem nach Köln fahren. Allerdings (jetzt kommt der Abenteuerfaktor) muss die Bahn dann fahren. Da wird gestreikt, monatelang gebaut, da fallen Bahnen aus (Personalmangel, technische Störungen, Personen auf der Fahrbahn, Polizeieinsatz, Notarzteinsätze (hier im Rheinland wird mehr in der S-Bahn gestorben, als in jedem anderen Ort Deutschlands, so scheint es– ich kann die faulen Ausreden singen). Kommt das Ding (also der Zug), kann ich mir allerdings eine entspanntere Reise nicht vorstellen (Landschaft gucken, Leute schauen, in der Presse / im Mobiltelefon blättern…)

• Und wessen Sammlers Herz schlägt nicht höher bei solch großen Veranstaltungen. Aus Vorfreude und Neugier. Zum Marken anschauen, zum schachern, zur Begegnung, zum schräge Vögel beobachten.

Aktuell (Frühjahr / Sommer 2023) stehen ja mit Essen und Trier größere Ereignisse an.

Also, gute Fahrt!
 
Bendix Gruenlich Am: 31.05.2023 23:35:31 Gelesen: 3858# 39 @  
Zeit ein neues Kapitel aufzuschlagen.



Genau, die Lusiaden, ein Heldengedicht (das aber die seefahrerischeren Erfolge Portugals verherrlicht, weniger meinen Aufenthalt).

Portugal hat mich einmal 1989 überaus freundlich empfangen, anlässlich eines kleinen Aufenthalts an der Algarve.

Dazu gehört – na klar – immer auch ein Besuch des lokalen Postamts, seinerzeit in Portimao. Dies war ein echter Höhepunkt. Man kam in die Post hinein und da befand sich doch tatsächlich zur linken ein ca. zwei Meter langer Sammlerschalter mit einer überaus bunten Auslage von Portugal, Madeira und Azoren-Ausgaben. Die Verkäuferin, eine propere, kleine ältere lusitanische Dame war vor Ort und Herrin dieses kleinen Standes. Links hinter ihr befand sich ein jahrzehntealter dunkler Geldschrank, und der war voller Sonderausgaben. Rasch war ich als Interessent wahrgenommen und meine Augen gingen gierig über die gezeigten Bestände: eine Vielzahl von Blöcken, viele Sondermarken in der für Portugal typischen Würdigung eines Themas mittels eines Satzes bestehend aus vier bis sechs Marken in einem Design, gerne ergänzt um einen Block mit einem Höchstwert. Ich wählte dies und das aus und die Dame nahm genau wahr, was ich aussuchte und fand im Tresor weitere passende Ausgaben oder Formen (z.B. Heftchen statt Einzelmarken). Die Ausgaben der Jahre 1986-1989 waren vorrätig. Geld war damals bei mir sehr knapp, aber für die für mich damals hohe Summe von DEM 50 / PTE 5.000 hab ich Material mitgenommen. Und sagte nicht der Michel aus der Stadtbücherei, die aktuellen Marken Portugals seinen unbeschränkt frankaturgültig?

Hier eine damals typische Ausgabe, in Markenheftchenform – oben und unten geschnitten und mit einer deutlich geringeren Auflage (60.000) als die voll gezähnten (600.000).



Ich habe das nie vergessen – wurde auch sonst freundlich aufgenommen, und habe für Portugal eine Sympathie entwickelt, die bis heute nicht abgekühlt ist.

Also, 2001 fand ich mich (nach einer privaten Baumaßnahme, die ich früher als geplant und unter Budget abschließen konnte) gut gelaunt, mit einem angemessenen Budget versehen und 10 Tagen unverbrauchten Urlaubs.

Kurz entschlossen habe ich einen Flug nach Faro gebucht, ein paar Sachen gepackt und los gings.

Allerdings Portugal-Sammler werden wissen, was mich für ein Schock erwartete, als ich in den dann aktuellen Michel schaute, bevor ich ein paar Briefmarken aus den 1989-Einkauf in mein Gepäck stecken wollte (um sie zu verbrauchen – die Euro-Einführung nahte). Die Briefmarken werden nämlich regelmäßig in unregelmäßigen Intervallen von drei bis acht Jahren für ungültig erklärt - egal, ob Freimarke oder Sondermarke. Oha, ein ziemlicher Schock, ich kam zu spät.

Auf meiner Rundreise kam ich auch an Portimao vorbei und besuchte die Post, aber der Verkaufsstand, an dem ich seinerzeit bestens bedient wurde, existierte zu meinem großen Bedauern nicht mehr.

Von Lagos sandte ich folgenden Kartengruß nach Hause.



Die Postlerin in Lagos (übrigens ein hübsches Ding und agil - wieder mal der Beweis, dass Briefmarkensammeln ein sinnliches Hobby ist) nahm meine Karte zur Abstempelung entgegen und fragte mich, warum ich denn so viele Marken verklebt hätte (worüber wir Sammler natürlich nur schmunzeln können, denn eine Buntfrankatur macht einfach Freude) und griff dann beherzt zum Stempel, der dann fast reliefartig und gut lesbar abgeschlagen wurde. Gute Arbeit - das korrespondiert schön mit Position der Frankatur, finde ich.

Zwei spannende Details

• Die Freimarken erwarb ich vor Ort, meiner Erinnerung nach in Portimao. Offizielle Gültigkeit noch drei Tage – kaum zu glauben, zumal zur neuesten Freimarkenserie Vögel noch gar keine Kleinstnominalen herausgekommen waren. Ich vermutete, die Marken wurden über ihre Gültigkeit hinaus akzeptiert wenn nicht gar verkauft worden sein (wer zur Praxis der portugiesischen Post diesbezüglich etwas beitragen kann, der tue das gerne)
• Der Stempel: der Ort wird nur in Klammern angegeben – der Schwerpunkt liegt auf der Angabe „Portas de Portugal“, also auf einer Funktion, nicht auf den Ort (Lagos, eigentlich ein Hauptort an der Algarve)
 
Bendix Gruenlich Am: 30.06.2023 18:39:59 Gelesen: 3432# 40 @  
Wo waren wir? Ach ja, in Portugal – kennt ihr nicht? Dann schaut mal hier (fünf von ca. zweihundert verschiedenen Varianten der sehr bekannten Ceres-Freimarken, bildgleiche Marken für die Kolonien kommen hinzu).



Algarve ist der touristisch am besten erschlossene Teil Portugals, es gibt umfangreichere Strände an der Südküste als an der Hauptküste.

Wem das zu rummelig ist, biegt hinter Sagres einfach auf der Küstenstraße nach Norden ab. Und mit einem Mal wird es ruhig.

Natürlich gibt es Küstenorte und auch Strände – aber Vorsicht die Strömung ist stark und zieht einen rasch ins Meer. Auch der Wellengang kann stark sein - es ist halt der Atlantik (auch im Süden, dort aber milder).

Am Ende eines langen Tages kam ich in einem kleinen Ort, Odeceixe, an. Und nach einem der schlechtesten Quartiere aller Zeiten in Lagos, freut man sich über eine bescheidene, saubere Pension mit umtriebiger, bienenfleißiger Chefin und ein ruhiges Dinner im Ortskern. In der Nacht geht ein schwerer Regen nieder, der draußen auf die in Portugal unvermeidlichen Kacheln klatscht, während man selber sicher und geschützt ruht. Dies nimmt man kurz war, fühlt Geborgen- und Sicherheit und fällt zurück in tiefen, erholsamen Schlaf.

Wer reist, der stürzt sich ganz natürlich ins Alltagsleben (zweite Frühstücke im Cafe – mit typischen Schinkenbroten und kleinen, wunderbar kräftigen schwarzen Kaffees, so stärkt man sich aufs Beste). Und seinerzeit musste man noch Geld tauschen. Meine Lieblingsbank (so etwas ist für mich als Kaufmann wichtig) war die Banco Nacional Ultramarino (die Nationale Überseebank, heute von der Caixa Geral – einer nationalen Sparkasse – absorbiert). Schon die Firmenbezeichnung verspricht Weltläufigkeit und weckt Lust auf Abenteuer, das wird durch das Firmensignet noch verstärkt – hier der Beweis.



In drei Etappen nach Lissabon. Dumm nur, wenn man am Samstagnachmittag ankommt (ist ähnlich schlau, wie einen Ruhetag am Montag einzulegen – da haben nämlich i.d.R. alle Museen geschlossen). Da befand sich meiner Erinnerung nach die Post mit Sammlerschalter am Praca do Comercio – und zwar im westlichen Turm dieses phantastischen Platzes. Heute gem. Internetrecherche dort nicht mehr vor Ort. Also seinerzeit dank Samstagsankunft keine Beute für mich.

Erstaunlich war, dass ich in der Großstadt Lissabon zufällig einen Mitreisenden aus dem Flieger von Deutschland nach Faro wiedertraf (…unglaublich, wie wahrscheinlich ist so etwas..). Der empfahl mir eine schräge Pension in einer tollen Altbauwohnung mit beeindruckenden Stuckdecken in einem lebendigen, aber nicht ganz koscheren Stadtteil Lissabons. Der Rezeptionist – der Sohn der Wirtin - konsumierte endlos Videobänder – die Mutter, ca. 45, schaute mit Ihrem ca. dreißigjährigen goldkettengeschmückten, schwarzen Gefährten, mit angolanischen Wurzeln würde ich tippen, am Abend auch mal rein. Abendessen in einem traditionellen portugiesischen Restaurant ausgekleidet mit Azulejos (Schmuckfliesen). Es gab Tanzsalons in der Nähe bei dem man sich die Partnerinnen hinzubuchen konnte (so etwas habe ich davor und danach nie mehr gesehen – erinnerte an die 40er oder 50er Jahre des letzten Jahrhunderts), Bars mir gemischten Publikum und echt schrägen Typen und kühlen portugiesischen Bieren, Clubs und und und. Kurz: ein bunter und sicher unkonventioneller Abend.

Und es wimmelt von Baudenkmälern in Portugal, am nächsten Tag durchquerte ich Lissabon und kam später an Sintra vorbei. Dort war es an meinem Besuchstag allerdings so neblig, dass es mir unmöglich war, weder die preisgekrönten Paläste noch die Altstadt zu finden. Unfassbar, ich frage mich bis heute, wie das möglich war.

Soviel zum Abenteuer-Teil, das muss doch mit Briefmarken anzureichern sein (also einfach mal zur Sammlung gegriffen, was hab ich da für Euch….)

• für alle Klassik-Sammler, die sich bisher zu kurz gekommen glauben: meine älteste Portugal-Marke (mit Lisboa-Stempel), eine 57ya von 1882 (Auflage 9.224.000). Übrigens war König Louis der I. Nachkomme eines Gastarbeiters (Vater war ein Deutscher aus dem Haus Sachsen-Coburg-Gotha). Deswegen als Bonus noch die 63b von 1887 (Auflage 90.975.000).

• der berühmte Turm von Belem in Lissabon

• einer der Paläste in Sintra, hier: der historische Stadtpalast. Die Türme sind die Schornsteine der Schlossküche





Auch schön als Reminiszenz an Lissabon - ein Europamarken-Block mit einer kompletten Ansicht Lissabons (bitte beachtet das sprachgewaltige Gedichtzitat, so wünsch ich mir Briefmarken - die Sinne reizend)



Immerhin, am Ende des Tages schlug ich zufällig in Mafra mit dem dortigen Palacio Nacional auf, eine wuchtige Mischung aus Palast und Kloster – wieder Weltkulturerbe. Zeit einen Kartengruß nach Hause zu schicken. Die Frankatur finde ich gelungen, sie ist portogerecht (um den Preis eines Kaffees in einer Bar zu jener Zeit), mit Marken, die man damals auf der Post auftreiben konnte. Meiner Erinnerung nach wurde von den Postlern vor Ort ein Handstempel abgelehnt, daher ist die Karte im Briefkasten gelandet. Habe nichts gegen Postbedarfsstempel, aber wir wissen, wie schnell da was (unter Sammleraspekten) schief gehen kann - hier: deutlich zu schwach gestempelt.



Soviel für heute - vejo voce em breve (bis bald)!
 
Bendix Gruenlich Am: 31.07.2023 18:52:45 Gelesen: 3004# 41 @  
Haben wir vor kurzem hier im Forum nicht die ungläubige Frage gelesen, wer denn noch schreibe?

Also, ich tue das. Weil ich gerne sammle, Briefmarken für mich Gebrauchsgegenstände sind, aus Freundschaft und Verbundenheit - auf der Reise erlebe ich zeitliche Freiheit. Warum da nicht einen Gedanken / eine Stimmung / eine Impression teilen (und dies dezent übermitteln).

Ich bin immer wieder überrascht, wie positiv das wirkt. Dem Empfänger des folgenden Poststücks schicke ich möglichst einmal im Jahr ein Kärtchen. Man ruft sich in Erinnerung und grüßt aus der Ferne (mit einem schönen Motiv, Frankatur die gefallen soll und einem individualisierten Text – weil wir Freude machen wollen). Mein Gott, wie oft ist er schon umgezogen – und was hat alle diese Umzüge über die Jahre überlebt: meine Karten, jawohl – weil die gefallen haben. Letztlich ist das nur ein Nachgeben, nämlich dem eines bereits vorhandenen, unterbewussten Sammeltriebs, dem wir Briefmarkensammler ja alle, aber offener, verfallen sind. Jetzt hat er die Karten digitalisiert und die Originale habe ich bekommen, darüber habe ich mich sehr gefreut. Ich teile das mal heute hier.



Auch einen anderen Bekannten, des Briefmarkensammelns garantiert unverdächtig, erwischte ich mal dabei, dass er anlässlich einer Reunion die zeitnah nach dem Eintreffen einer meiner Karten stattfand, er diese in die Luft hob und dann auf den Stapel (!) zu den anderen empfangenen legte.

Nazaré, das sagt Euch vielleicht was. Ja, das ist der Surfer-Hotspot in Portugal mit beeindruckenderen Wellen als auf Hawaii. Von der Szene Ende der 1990er entdeckt. Und ich war dabei, in 2001 war von einem Überrennen des netten Ortes durch Surfer noch nichts festzustellen. Aber ich kam abends an, hatte ein schönes strandnahes Quartier und fragte mich, ob ich noch kurz schwimmen gehen sollte. Ich mag den Atlantik und seine Wellen, aber ich kann nur sagen, das hätte absolute Lebensgefahr bedeutet. Die Dünung war heftig und hätte einen Menschen schlicht erschlagen. Aber auch schon ein Spaziergang am breiten, langen Strand war beeindruckend, die Kraft und Gewalt der Wellen, die Frische und Kühle des Ortes mit der durch Gischt versetzen Luft. Ein sehenswertes und erlebbares Spektakel.

Für diejenigen denen der Beitrag zu bunt und gegenwärtig war, also den Pietisten der Philatelie, zeige ich noch mal einen Klassiker zu deren Beruhigung.



Von 1892. Eine Nr. 66 – Auflage 15.880.000 und Nr. 70 – Auflage 50.702.000, daher keine Seltenheiten. Motiv: König Carlos I, der 1908 auf dem Praca do Comercio einem Attentat zum Opfer fiel – also, alle die nach der Krone streben, seien gewarnt, und mögen zur Kenntnis nehmen, wie das enden kann („Uneasy lies the head that wears the crown“ so Shakepeare). Links: prächtig – Sechseckstempel mit interessanten Schmuckelementen.

Wahrscheinlich kaum bekanntes historisches Detail: portugiesischer Staatsbankrott in 1891 – seitdem arbeiteten die Hauptgläubiger Großbritannien und Deutschland ernsthaft an Plänen zur Aufteilung des portugiesischen Kolonialreiches in Afrika (bis man sich 1914 selbst gegenseitig an die Kehle ging). Das Zeitalter des puren Imperialismus.
 
Bendix Gruenlich Am: 31.08.2023 17:08:01 Gelesen: 2629# 42 @  
Portugal: Es ist der 03.10.2001 – es sind noch 89 Tage bis zur Einführung des EUR-Bargelds.

Bis dahin musste man natürlich noch mit Escudos umgehen. Die portugiesische Post jedenfalls hatte bereits seit März 1999 doppelnominalige Briefmarken herausgegeben.

Alle rein PTE-nominierten Marken wurden am 30.09.2001 ungültig. Warum man nicht den 31.12.2001 genommen hat, ist für mich rätselhaft. Kleinnominalige EUR-Marken kamen erst am 02.01.2002 heraus (mit der Sonderausgabe Euro-Einführung, die die neu eingeführten Münzen zeigte – Briefmarken zum Nennwert der gezeigten Münzen, dabei auch Kleinwerte EUR 0,01, 0,02 und 0,05 in Millionenauflage).

Aus der Freimarkenserie Vögel kamen Kleinnominalen erst Februar 2002 und März 2003 hinaus. Kleinnominalen braucht es einfach, weil eigentlich jedes Jahr das Porto leicht erhöht wird. Ein Beispiel: Sondermarken zu PTE 100 aus 2000 brauchten in 2001 z.B. PTE 5 Zusatzfrankatur.

Ich habe jedenfalls nach dem 30.09.01 keine Kleinstwerte mehr bekommen, hatte in den von mir besuchten Postämtern auch keine Automaten wahrnehmen können, die einmal Kleinstwerte hätten ausgeben können, auch wenn mir einmal angeboten wurde (müsste in Nazaré gewesen sein), die Post bar bzw mittels Label freizumachen. Als Briefmarkensammler habe ich das abgelehnt.

So, die Post musste raus, da habe ich halt aus meinen Beständen überfrankiert und meinen Kleinbogen Entdecker, den ich eigentlich als Beute nach Hause führen wollte, kurzerhand seiner Bestimmung zugeführt. Allerdings, wie sich dann später herausstellte, waren die Marken eben schon ungültig (nämlich seit dem 01.10.2001). Aber die Post hat die durchrutschen lassen – meiner Meinung nach nur fair.



Jetzt zum Schluss mal was Modernes, dass es - vor Ort gekauft - nach Hause in die Sammlung geschafft hat: Eine Ausgabe zur Ehrung der Geografischen Gesellschaft, die sich um die Vermessung Angolas verdient gemacht hat. Denn Portugal hatte mit Angola und Mocambique überaus große und wirtschaftlich potente Kolonien. Aus 2000. Auflage 250.000.


 
Bendix Gruenlich Am: 30.09.2023 09:35:50 Gelesen: 2183# 43 @  
Heute vergleiche ich mal zu Beginn zwei Marken aus den Jahren 2000 / 2001. Links: eine selbstklebende Freimarke (nicht von mir gekauft, irgendwann zur Sammlung hinzugekommen – ich misstraue dieser Erhaltungsart), rechts eine gummierte Sonderausgabe, Tourbeute, also vor Ort gekauft. Bitte vergleicht die Markenbilder. Ich will auf die Schrumpfung der selbstklebenden Marke hinaus, wohingegen die gummierte Marke keine Veränderung erfahren hat.



Mein Urteil: die nassklebenden Marken sind haltbarer und auch nachhaltiger, und das streben wir ja angeblich alle an. Und wie läuft‘s? Die selbstzerstörende Verbundkomponente setzt sich durch. Das ist für mich so, als ob sich der nicht recylbare Tetra-Pak gegen die Glaspfandflasche durchsetzt, und das macht mich nachdenklich.

Hier die Tourendkarte von Porto nach Hause. Und damit man mir nicht nachsagt, ich würde mich grundsätzlich nur an weibliches Postpersonal erinnern (dass ich in der Tat bevorzuge - meine persönliche Statistik sagt, dass die die besseren Abstempelungen hinbekommen): ich war überhaupt froh, eine offene Post am Nationalfeiertag zu finden. Hier hat ein Mitdreißiger mit Vollbart entschlossen den mich überaus zufriedenstellenden Stempel angebracht und die seit fünf Tagen ungültigen Marken, Gott sei Dank, passieren lassen.



Zurück mittels Flug, am Flughafen gab es eine Post. Ich bin da nochmal schwach geworden. Block Nr. 24 von Madeira, Auflage 60.000. Diese Marken sind auch auf dem Festland erwerbbar und gültig. Das gezeigte Exemplar ist seit 2007 leider nicht mehr frankaturgültig.



Essen und Trinken sind bisher zu kurz gekommen. Dabei sind Briefmarken, die lokale Spezialitäten würdigen, zahlreich.
Portugiesische Weine sind gut, ich schätze insbesondere die Fruchtigkeit und Spritzigkeit der Weißweine (erhältlich bei Eurem Portugiesen). Auch Porto und das Duoro-Tal sind im Weinanbau bedeutend.



Ich könnte jetzt von verschiedenen Mahlzeiten schwärmen, z.B. einer Bar in Porto die ich besuchen durfte, die allerlei Sorten von Bacalao (Kabeljau) basierten Speisen anbot. Ich habe mit großem Appetit und zur Freude meines Wirtes einige gekostet. Oder die allgegenwärtigen gegrillten Sardinen, deren Duft einem früher oder später am Tag in die Nase steigt (diese vielleicht begleitet von einem Sagres oder Super Bock verzehren – das sind lokale Biere, auch das letztgenannte, es ist kein Aphrodisiakum, wie der Name Deutschsprachigen eventuell verheißen mag).

Aber ich hab hier zum Schluss etwas, das ganz typisch für die dortige Küche ist und letztlich überall auf den Speisekarten verzeichnet ist. Und das ist auch in diesem Forum nicht deplatziert denn es ist eine Briefmarke, die gleichzeitig ein Kochrezept ist.



So, diese Reise wäre nun zu Ende. Vielleicht habe ich Euch jetzt Appetit auf portugiesische Briefmarken gemacht, und das ist doch nichts Schlechtes. Mögen sie Euch gut bekommen!
 
Bendix Gruenlich Am: 31.10.2023 22:48:51 Gelesen: 1651# 44 @  
Auf geht’s - neue Reise.

Ihr habt es vielleicht bemerkt: es hat mir eigentlich ganz gut gefallen, da auf der iberischen Halbinsel. Und da entsteht doch tatsächlich jedes Jahr aufs Neue ein neuer Urlaubsanspruch.

Was es dort wohl noch so zu sehen gibt? Finden wir es raus. Es sind ja nur drei Flugstunden ab Düsseldorf (mit dem Regionalzug käme man damit von Düsseldorf nach Mainz) und schon ist man wieder in…Porto.

Nicht schon wieder Portugal, schließlich bin ich doch, weiß Gott, zuletzt genug auf dem Thema herumgeritten? Gehen wir doch nur kurz darauf ein. Das fällt mir auch insoweit leicht, weil ich von Porto aus konsequent nach Norden gereist bin und nach zwei Tagen Portugal bereits wieder verlassen habe, auch die Post war geschlossen - Maifeiertag.

Deshalb zeig ich noch mal einen Klassiker - die Königszeichnung von 1895 (gültig bis 1910, Auflage unbekannt, aber keine Seltenheiten). Genießt die Andersartigkeit der Designs und mir gefallen die ornamentalen Stempelformen….und Dank an Portugal für den seinerzeitigen angenehmen Aufenthalt dort. Auch interessant: ich habe ja in den vorherigen Beiträgen älteres in aufsteigender Reihenfolge gezeigt – jetzt kann man erkennen, wie sich die Designs modernisieren.



Ja, der englische Einfluss auf Portugal war in den letzten Jahrhunderten hoch und die Briten haben eine bedeutende Rolle gespielt (als Verteidiger gegen die spanische und napoleonische Invasion, als Großgläubiger und als Handelspartner). Jedenfalls war die Verständigung mittels dieser Handelssprache im Land kein Problem.

Aber schauen wir doch nach Vorne und das heißt in diesem Fall nach Norden und überschreiten die Grenze Portugals….nach Spanien….und das hieß dann von Knall auf Fall, mit Grenzübertritt für die kommenden zwei Wochen ein Schweigegelübde abzulegen und sich in dieser Zeit mit 100 Spanisch-Vokabeln und Gebärden durchs Land zu schlagen, denn die Spanier sprachen seinerzeit nur spanisch und sonst gar nichts. Dios mio!

Ach ja, Spanien – siehe Beitrag [#1] – nach den anstrengenden Erfahrungen eines massentouristischen Aufenthalts (der mich 1990 reichlich geschockt hatte) hatte ich ein privates Reiseverbot für Spanien verhängt, dass ich erst 2002 aufgehoben habe.

2002 = Euro-Einführung und Spanien war dabei. Das hieß für rein ESP-nominierte-Marken, dass diese bis 28.02.02 für Post verwendet werden konnten, danach konnte man sie nur noch umtauschen. Und die Bandbreite der bis 28.02.02 benutzbaren Marken war groß, weil die meisten Marken seit 1936 bis eben zum 28.02.2002 benutzbar blieben, das sind über 2.800 Michel-Nrn. In Deutschland wurden ca. 1.500 Michel-Nrn. ungültig.

Dramatisch jedenfalls hat die Einführung von Labeln / Automarkenmarken gewirkt (verstärkt ab ca. 1991), die die nassklebende Marke rasch verdrängte. Schon damals - 2002 - war es schwierig, einen Postler zu finden, der sich mal Richtung Tresor / Lagerbuch aufmachte, um einmal etwas anderes auszugeben als Label. Die Freimachung mit Labeln ist ablauforganisatorisch für die Postler schlicht einfacher (abends einfach einmal einen Knopf drücken, das Geld zählen – fertig und man kann nach Hause - ohne dass man die Briefmarkenbestände durchzählen muss). Dass es dadurch auch kulturell eintöniger wird, interessiert die spanischen Postler weniger. Jedenfalls hatte ich in den ersten Tagen kein Glück oder nicht das Durchsetzungsvermögen an gute Ware zu kommen.

Damit das hier kein Beitrag ohne Marken wird, mache ich jetzt mal einen Zeitsprung und zeige mal Marken aus 1983 (…wetten dass, es mir auf Anhieb gelingt, die Marken die ich als 14 jähriger auf Mallorca in einem Supermarkt für meine Sammlung gekauft habe, aus meiner Sammlung herauszupicken, aber natürlich - hat genau 5 Sekunden gedauert…). Und wie es der Zufall will: stark, das neue Staatswappen von 1981, das passt doch wunderbar als Intro zum Eintritt in ein neues Land. Natürlich schlägt mein Herz mehr für die Fahrradmarke, denn sie gibt die Design-Highlights eines Stahlrahmen-Rennrads sehr gut wieder. Elegant und sehr belastbar - ich habe so etwas noch in der Garage (von 1981 - eine Schönheit).



Und hier eine erste Postsendung aus 2002 von Spanien nach Deutschland. Leider nur mit Label / Automarkenmarke freigemacht - mehr war einfach nicht drin.



Und das ist spannend: Michel nennt die Auflage des Labels in der Zeichnung auf der Postkarte mit 62 Mio. - 13 verschiedene Zeichnungen in Labeln liefen in einem Jahr bei ähnlich hohen Auflagen parallel. Sonderausgaben aus 2002 hingegen haben in der Regel eine Auflage von lediglich 1,2 Mio.
 
Bendix Gruenlich Am: 30.11.2023 18:17:17 Gelesen: 1234# 45 @  
Galizien, das ist die wilde, hügelige, meerumtoste Landschaft im Norden Spaniens. Vom Massentourismus (wenn wir mal von Pilgerboom nach Santiago de Compostela absehen) im Vergleich zu Restspanien verschont. So reist man durch eine grüne, hügelige Landschaft, packt da aber besser einen Wollpullover extra ein, denn es kann im Mai sehr frisch sein.

Von Pontevedra ging es nach La Coruna. Auf und ab, durch Regen und Gegenwind. Dankbar ist man da für eine Herberge und ein Dach über den Kopf. Das verschlägt einen manchmal an die ungewöhnlichsten Orte. Concurbion, ein Städtchen seinerzeit mit Blick auf ein beachtliches Kraftwerk, damals wohl noch ohne Rußfilter als bedeutende Landmarke, das die Silhouette der Landschaft prägte wie ein Vulkan. In der Nähe der „Avenida Franco“ kam ich unter und hatte alsbald am Abend einen dampfenden Teller Meeresfrüchte vor mir. Waren das Seeschnecken? Jedenfalls Dinge, die man nicht alle Tage isst, ich musste mich instruieren lassen, wie man da an das Eiweiß kommt. Aber solche Fragestellungen gehören zu einer guten Reise, die muss kontrast- und lehrreich sein.

Hier mal ein paar Markenzitate zum Reiseziel. Gerne hebe ich die legendäre Provinzwappen-Serie hervor (1962-1966 – jeden Monat erschien eine) - eine Spanienreise in 57 Ausgaben mit einer Auflage von in der Regel je 4 Mio. Links typischer Bedarfsstempel – Maschinenstempel sind häufig, da schaue man sich nur die die eigenen empfangenen Karten an, wenn mal Post aus Spanien angekommen ist.



In Coruna konnte ich auf der Hauptpost auch mal endlich Briefmarken kaufen (ist doch dauerhaft kein Zustand, so ohne Marken). Allerhand Ausgaben von ca. November 2001 an waren vorhanden.

Außerdem habe ich der Banco Espana in Coruna einfach alle ESP-Münzen auf den Tisch geknallt, die sich in meinem Haushalt fanden. Das waren so zwanzig Stück aus allen Perioden nach 1970. Die Schalterbeamtin war natürlich erstaunt, dass sich ein Touri mit einem Kleinbetrag die Mühe machte, am Schalter vorzusprechen und war sehr misstrauisch. Sie hat die Münzen Stück für Stück untersucht, etwa fünf Stück waren nicht mehr umtauschfähig.

Zur Feier des Tages ein Lebenszeichen nach Hause…Briefkastenaufgabe und - ist ja klar - es ist schon wieder was schiefgegangen - es wurde gar nicht gestempelt. Regelmäßige Empfänger von Urlaubskarten aus Spanien werden das Phänomen vielleicht kennen. Immerhin erlaubt das jetzt einen vollen Blick auf die Motive. Die Militärakademie in Zaragossa (linke Marke) - dort hat im Oktober 2023 die Kronprinzessin ihren Fahneneid abgelegt, habe ich dieser Tage auf der Seite „Vermischtes“ in der Presse gelesen.



Nun, was kann man da tun? Und hier habe ich gute Nachrichten - also für alle, die jetzt nach La Coruna fahren, sie sieht so aus



Oh Wunder, es wird mal kein Service eingestellt, sondern es gibt etwas zu entdecken: die matasellos turisticos in Spanien (man wende sich an den Postschalter und verlange diese…).

Aufmerksam geworden bin ich darauf durch einen hier im Forum veröffentlichen Beleg. Das Angebot ist wunderbar vielfältig. Ich werde hierauf noch in einem separaten Thema hinweisen (damit das hier nicht untergeht und wiedergefunden werden kann).

Wenn ihr den gelesen habt, wisst Ihr Bescheid, was mit Eurer Post, wenn Ihr vor Ort seid, zu tun ist.

Hasta pronto!
 
bayern klassisch Am: 30.11.2023 18:38:24 Gelesen: 1227# 46 @  
Hallo in die Runde,

keine Ahnung, ob mein Beitrag hier herein passt, aber es wird nächstes Jahr 20 Jahre her sein, als die beste Ehefrau von Allen mit mir 8 Tage lang per Mietwagen die schöne Insel Irland bereisen durften.

Im Westen der Insel gefielen uns viele kleine Örtchen und wir wollten damals unseren Verwandten im In- und Ausland gerne hübsche Postkarten schicken, um ihnen die Schönheit Irlands zeigen zu können.

In einem Weiler mit vlt. 100 Einwohnern fand sich ein Tante-Emma-Laden, der auch Postkarten und Briefmarken feilbot. Wir gingen hinein - und niemand war da! Die Kasse war geöffnet, der Tresor (sicher 10 Zentner schwer und vor dem 2. Weltkrieg gebaut) stand ebenfalls offen mit all dem Inhalt von Geldscheinen, Briefmarken usw. - nur zu sehen war niemand. Nach ein paar Minuten (man wird in Irland auch entscheunigt, in Deutschland hätte ich nicht so lange gewartet), fing ich an ein Lied zu pfeifen und wenige Sekunden später erschallte eine ältliche Damenstimme aus dem "Back-Office" und wollte wissen, womit man dienen könnte.

Ich entgegnete, dass ich gerne ein Dutzend schöner Postkarten und die dazu gehörigen Briefmarken, möglichst Sondermarken, für Post ins Ausland kaufen wollte.

Die Dame blieb unsichtbar und verwies auf einen Kartenständer in einer dunklen Ecke ihres Ladens und auf den Tresor, in dem zahlreiche Marken bogenweise herumlagen und ich sollte mir doch bitte die passenden Marken selbst heraus suchen (die Nominale habe ich mittlerweile vergessen, sie kannte sie aber genau).

Ich suchte mir mit der Gattin ein Dutzend wundervoller Landschaftskarten heraus und holte aus dem Tresor ein Dutzend verschiedener Sondermarken in der von der Dame genannten Nominale und fragte die Stimme, was das alles kostet.

Sie rief mir schnell den frisch errechneten Preis zu und bat uns, den Betrag passend in die Kasse zu legen. Nachdem wir dies getan hatten, verabschiedeten wir uns von der unbekannten Besitzerin und sie wünschte uns noch einen schönen Tag.

Ob es das heute noch so gibt? Dort vielleicht, aber woanders wohl eher nicht (mehr) ...

Liebe Grüsse von bayern klassisch
 
Bendix Gruenlich Am: 31.12.2023 08:54:56 Gelesen: 983# 47 @  
Zuletzt hatten wir ein ganz klar unterstempeltes Poststück. Geben wir doch der spanischen Post noch eine Chance. 100 km östlich, an der Grenze zwischen Galizien und Asturien liegt das kleine Städtchen Ribadeo. Dort ist im Briefkasten die nachstehende Karte gelandet.

Und um die Nichtstempelung aus Coruna wieder gut zu machen, wurde jetzt doppelt gestempelt, einmal mittels Maschine + einmal Nachstempelung per Hand, weil die Maschine nicht alles erwischt hat. Mir gefällts. Die Marken stammen aus dem Beutezug auf der Post in La Coruna.



Ihr seht, wir bewegen uns entlang der Küste. Zeit die spanische Seefahrt zu ehren. Das hat die spanische Post hinsichtlich der landeseigenen Marine mit einer umfangreichen Serie im Jahr 1964 selbst aufwendig getan, wie mir anlässlich des Kaufs einer Restsammlung (EUR 80,-- für 25 Jahrgänge – ca. 1.500 postfrische Marken, also etwa 6 cent das Stück – ein Betrag, der nicht überfordert) bewusst wurde. Hervorragende Qualität im Stichtiefdruck.



Dabei haben die das nicht nur für Sammler getan. Mir fallen immer wieder augenscheinlich bedarfsgestempelte Sondermarken der 1960-er Jahre in die Hände. Sehr erfreulich. Die Auflagen der Sondermarkenserien dieser Zeit lagen häufig zwischen 4-6 Mio.

Weitere 200 km östlich, auf der Post in Ribadasella (6.000 Einwohner) gab es auch mal wieder modernes Futter. Die Postlerin hat mal nicht gemauert, sondern hervorgekramt, was die Lagerbücher hergaben und das Angebot war reichhaltiger als in der Großstadt La Coruna. Das reichte für den Rest der Reise und für eine Heimkehr mit vorzeigbarer Beute. Ein Beispiel:



Ein Block von vielen mit irgendwelchen Blaublütern drauf? Schon möglich, aber: man beachte den stoischen Ernst der männlichen Familienmitglieder und das huldvolle Lächeln der weiblichen. Klar verteilte Rollen und sehr spanisch, fand ich.

Ich kann übrigens genau sagen, für wie viel ich damals Marken gekauft habe, denn der Umschlag, in dem die Christel (von der Post) oder nennen wir sie doch „nuestra senora de la oficina de correos“ (und machen sie so zur Heiligen, denn so gut in Spanien mit Sondermarken versorgt zu werden ist ein Wunder) die Marken sorgsam verstaut hat, hat überlebt (da sind heute alle Reiseunterlagen von damals drin - erstmals seit über 20 Jahren wieder geöffnet). Ich zeige mal einen Ausschnitt der postinternen Ganzsache, denn mit A4 ist das Format groß.


 
Bendix Gruenlich Am: 31.01.2024 19:42:16 Gelesen: 747# 48 @  
Santillana del Mar, Kantabrien: als ich am Nachmittag Quartier machen wollte, kam ich in diesem kleinen historischen Städtchen an. Rappelvoll, voller Ausflügler – erinnerte an Rothenburg ob der Tauber. Nachdem ich ein Zimmer in einem historischen Gasthaus gesichert hatte und gegen Abend auf Beutezug zu einem Abendessen ziehen wollte, war die Stadt auf einmal vollkommen ruhig und leer, als ob die Leute weggezaubert worden wären.

Nun, bekannt ist die Stadt für die nahe Altamira-Höhle mit Höhlenzeichnungen, davon gibt es in der Gegend eine ganze Menge. Ich zeig das mal (praktischerweise hat die spanische Post in einer ihrer jährlichen „Tag der Briefmarke“-Serien lokale Künstler geehrt - auch die der Steinzeit).



Unseren Vorfahren war ein voller Bauch besonders wichtig. War ihnen das Jagdglück hold, hat man Rauschmittel genommen und jene kultischen Zeichnungen angefertigt, habe ich einmal einer Fernsehreportage entnommen. Ich kann das gut nachvollziehen, bin ich doch selber wie ein hungriger Wolf durch das Dorf gestreift. Abendessen in Spanien übrigens ab 21h00. Das habe ich auch bekommen, habe aber darauf verzichtet, mein Zimmer mit Bildern zur Verherrlichung des Verzehrten zu verzieren, auch wenn das Essen eine solche Würdigung wertgewesen wäre und der Wein für einen inspirierenden Rausch gesorgt hätte.

Besser wir melden uns mal jetzt zu Hause und verkleben eine der neu erworbenen Sondermarken. Übrigens, in Spanien gab es keinen Europa-Freundschaftstarif (im Sinne gleicher Preis wie Inlandsbrief), die Auslandspostkarte nach Deutschland (EUR 0,50) kostete das Doppelte des Inlandstarifs (EUR 0,25) - Tourismus ist halt Geschäft und das ist für Spanien ein zu wichtiger Industriezweig, um diese wichtigen Einnahmen politischen Gesten zu opfern.


 
Bendix Gruenlich Am: 29.02.2024 22:18:56 Gelesen: 475# 49 @  
Und schon sind wir im Baskenland, einem industrialisierten Wirtschafts-Schwergewicht in Spanien. Der Menschenschlag kam mir besonders vor und erschien mir ein Tick dunkler in Haar und Erscheinung als die Nachbarn.

Hier eine Ansicht aus Bilbao, das Guggenheim-Museum war eine gut sichtbare Landmarke.



Übrigens ist das Baskenland eine Region des Radsports, es wimmelt von Rennradfahrern. Auf die Nerven ging mir allerdings die Beschwörung des lokalen Nationalismus. An den Häusern fand ich manchmal seltsame Stiermänner aufgemalt, die ihre Feinde - ich meine in Schlangenform - vernichten / erwürgen, wenn ich es richtig interpretiert habe. Überall - auch in den Nachbarprovinzen - sieht man Schmierereien, wo behauptet wird, dies sei baskisch und das sei baskisch.

Quartier in einem kleinen baskischen Ort, Azpeitia, ein Wallfahrtsort - der Gründer des Jesuitenordens (Loyola) ist dort geboren. War allerdings eine kurze Nachtruhe, denn der Ort wimmelte von Federvieh. Und was machen die, wenn die Sonne aufgeht? Genau, die Hähne krähen, zehn verschiedene Stimmen haben ich rausgehört.



Ich bin übrigens der Meinung, neben einem kleinen Briefmarkenalbum sollte man auch immer etwas zu Lesen mithaben. Hatte ich auch im Gepäck. Freundliche Leihgabe meiner Bücherei. Das Buch steht heute - nach zwanzig Jahren - dort immer noch im Regal. Habe ich mir kurz für diesen Artikel noch einmal ausgeliehen. Spanische Erzähler aus fünf Jahrhunderten (640 Seiten, 14x9 cm passt in jede Reisetasche, ja sogar in jede Jacken- oder Hosentasche - Manesse Verlag, nur noch im Antiquariat oder der Bücherei zu finden,- der Rechteinhaber Bertelsmann ist der Meinung, dass sich das nicht mehr lohnt). Hier die Inhaltsangabe für Philatelisten (ja, war eine Wahnsinnstrefferquote - von 50% der Autoren fand ich ein Porträt in meiner Briefmarkensammlung, offenbar hat der Verleger das richtige Händchen gehabt).




Gerne hätte ich auch eine Marke mir der im Buch enthaltenen Geschichte des Lazarillo de Tormes philatelistisch gewürdigt, habe aber in meiner Sammlung leider nichts gefunden. Lazarillo ist der Held eines frühen Schelmenromans. Er gerät immer wieder in groteske Situationen durch Konfrontation mit seinen jeweiligen Herren: einem geizigen Bettler, einem ungnädigen Kirchenmann, einem bettelarmen Edelmann. Gehört zum Kanon spanischer Literatur, von 1554. Autor: anonym – viele Jahre von der Inquisition verboten.

Apropos alter Kram. Die spanische Post hat mehrere Zusammendrucke adressiert an Schüler herausgegeben, auf denen Geschichte mittels Karikaturen auf Briefmarken nähergebracht werden sollte. Hier einer der Blöcke - Tourbeute aus dem Fischzug auf der Post in Ribadeo. Zum Schmunzeln und Lernen - gute Unterhaltung, finde ich.


 
Bendix Gruenlich Am: 31.03.2024 08:28:07 Gelesen: 188# 50 @  
So, nächste Etappe - das könnte wo hin gehen? Ich geb mal einen Tipp.



Aus der phantastischen Serie „Stierkampf“ von 1960 – insgesamt 16 Werte. Der Wert in der Mitte stellt das Treiben der Stiere in Pamplona dar.

Ich überlass so etwas ja amerikanischen Touristen (recht berühmt: Ernest Hemingway, der seine Erlebnisse in seinem Roman „Fiesta“ verarbeitet haben soll). Ich habe stattdessen die Post besucht (ohne dass als langweilig empfunden zu haben).



Ausgezeichnete Stempelqualität? Bin da selbst tätig geworden (die Postlerin war so genervt, dass sie mir endlich den Handstempel in die Hand gedrückt hat).

Übrigens: Schon gewusst, dass Navarra und die umliegenden Provinzen echte Rebellennester sind? Es soll sich um die Heimat der Karlisten handeln, ein besonders konservativer Kreis (Religion + Familie stehen da an erster Stelle – liberales und sozialistisches Gedankengut werden abgelehnt), der im 19. Jahrhundert Spanien ordentlich destabilisiert hat. Die haben sich um einen Gegenkönig gescharrt, der immer Carlos hieß und salisches Erbrecht (ausschließlich männliche Erbfolge) bemüht, um ihr Handeln zu rechtfertigen. Bürgerkrieg der zu Gunsten der Republik bzw. der sich anschließenden wiederbelebten (konstitutionellen) Monarchie ausging.

Hier der Gewinner, Alfons der XII. (bitte nicht mit dem Viertel vor Zwölften verwechseln, das war der König von Lummerland aus den Jim Knopf-Büchern), der mit 28 Jahren von der Tuberkulose dahingerafft wurde. Marke von 1876, defekt ist sie auch noch. Wert EUR 0,05 – was soll’s, als Stichwortgeber hat sie heute ihren Dienst getan und uns, so hoffe ich, gut unterhalten.


 
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