Neues Thema schreiben   Antworten     zurück Suche   Druckansicht  
Thema: Altdeutschland Bayern: Briefe erklären
Das Thema hat 969 Beiträge:
Gehe zu Seite:  1   2 3 4 5 6 7 8 9 10 11 21 31 39 oder alle Beiträge zeigen
 
dikoe Am: 06.08.2015 14:02:48 Gelesen: 333639# 1 @  
Brief Bayern - Frankreich / Frankenthal - Bischweiler, Stempel Strasbourg



Einige Fragen zu dem Briefbeleg:

Brief Frankenthal - Bischweiler, 1860

Welche Bedeutung/Funktion hat der rote Stempel "Baviere - Strasbourg? Als Grenzübergangsstempel wäre doch der von Weissenburg sinnvoll, oder?

Und warum keine Taxzahl?

Warum nach Bas-Rhin hier 12 Kreuzer und nicht 6 Kreuzer?

Warum keine Taxzahl?

Vielen Dank im Voraus für Hilfen bzw. Antworten!
 
bayern klassisch Am: 06.08.2015 16:00:21 Gelesen: 333622# 2 @  
@ dikoe [#46]

Hallo Dieter,

Einige Fragen zu dem Briefbeleg:

Brief Frankenthal - Bischweiler, 1860

Welche Bedeutung/Funktion hat der rote Stempel "Baviere - Strasbourg? Als Grenzübergangsstempel wäre doch der von Weissenburg sinnvoll, oder?

Und warum keine Taxzahl?

Warum nach Bas-Rhin hier 12 Kreuzer und nicht 6 Kreuzer?

Warum keine Taxzahl?


1. Der rote Stempel war ein Grenzübergangsstempel, der in Strasbourg auf den Brief kam. Über Wissembourg hätte er auch geleitet werden können, doch waren die Fahrpläne von Frankenthal dergestalt, dass die Leitung über Ludwigshafen am Rhein, Mannheim, Karlsruhe und Kehl schneller war.

2. Der Brief trägt einen roten P.D. - Stempel, auf dem der Stempel von Strasbourg abgeschlagen wurde. Damit galt er als voll frankiert und eine Nachtaxe war nicht notwendig.

3. Aus der Pfalz waren nur Briefe mit 6 Kreuzern zu frankieren, die in direkter Linie weniger als 30 Kilometer von einander entfernt lagen. Die Entfernung Frankenthal - Bischviller betrug/beträgt 93 Kilometer, somit war der vergünstigte Frankosatz nicht zu gewähren. Es war also ein ganz normaler Brief zu 12 Kreuzer, von denen Bayern 4,8 Kreuzer behielt und 7,2 Kreuzer an Frankreich intern vergüten musste.

4. Siehe Antwort zu 2).

Liebe Grüsse,
Ralph
 
bayern klassisch Am: 09.08.2015 09:05:00 Gelesen: 333539# 3 @  
@ dikoe [#46]

Hallo dikoe,

vielen Dank, dass ich dir den Brief erklären durfte. Mache ich gerne wieder!

Liebe Grüsse,
Ralph
 
dikoe Am: 10.08.2015 10:11:21 Gelesen: 333475# 4 @  
Hallo Ralph,

Dank ist von meiner Seite von Nöten. Ich erstarre immer in Ehrfurcht vor deiner geballten Ladung von Fachwissen. Freue mich auf unsere nächste Korrespondenz oder mal wieder eine Begegnung im Pfalzkreis.



Dieter
 
bayern klassisch Am: 22.08.2015 15:20:01 Gelesen: 333342# 5 @  
@ dikoe [#118]

Lieber Dieter,

nichts zu danken - man sieht sich oder spricht sich. :-)

Liebe Freunde,

manchmal prägt man sich ein Datum ein und sucht den passenden Brief dazu. Bei mir hat das 30 Jahre gedauert, aber ich bin fündig geworden und möchte mich bei einem netten Mitglied hier für seine Zurückhaltung bedanken, sonst wäre er noch teurer geworden, als er es wurde.

Das magische Datum im Krieg 1870/71 ist der 19.7.1870. Nicht der 18.7., nicht der 20.7. - nein, es musste schon der 19.7.1870 sein und kein anderer Tag. Aber warum? Was unterschied einen Brief vom 17.7. oder 18.7. von einem des 19.7.1870? Nun ja, eine ganze Menge!

Mit Verfügung vom 19.7.1870 wurden alle bayerischen Poststellen angewiesen, ihre Post nach und über Frankreich nicht mehr direkt dorthin zu kartieren. Demzufolge gab es mit dem 19.7. nicht mehr, was es von 1822, dem 1. bayerisch - französischen Postvertrag, bis zum 18.7.1870 gegeben hatte, nämlich den direkten Austausch der Briefpakete über Strasbourg, Forbach, Wissembourg oder Saargemünd - das alles war am 19.7. ein für alle Mal vorbei und sollte nie wieder kommen.



Vor dem Auftauchen dieses Briefes galt in Insiderkreisen als fraglich, ob man es seitens der bayerischen Postverwaltung überhaupt schaffen würde, rechtzeitig alle Poststellen (und das waren ca. 1.000, davon zu informieren, dass sich nun alles geändert hatte.

Der Brief aus dem beschaulichen Baiersdorf zeigt uns aber, dass es genau so gewesen sein musste, denn er weist von der Hand des Absenders, und dergleichen hätte ich nie für möglich gehalten, den Vermerk auf "durch die Schweiz". Es musste also bereits vor dem Verfassen dieses Briefes dem Absender klar gewesen sein, dass Briefe nach Frankreich ab sofort über die neutrale Schweiz zu leiten waren und daher entschloß er sich, diesen Vermerk anzubringen, damit ihm die Post keinen Strich durch die Rechnung machte und ihn an den mittlerweile für die Post geschlossenen Grenzen abprallen ließ.

Ich kann mir dies nur dadurch erklären, dass es in Zeitungen/Postzeitungen einen Trend zu dieser Vorgehensweise gab, als diese Maßnahme noch keiner wissen konnte.

Die zeitliche Enge der postalischen Behandlung weist für mich eindeutig darauf hin, dass die Poststellen in Bayern bereits vorab per Expresstelegrammen von dieser Vorgehensweise in Kenntnis gesetzt worden sein mussten, anders wäre dies nicht zu bewältigen gewesen.

Ausweislich der Siegelseite mit schlappen 11 Stempel Abschlägen wurde er über Erlangen 19.7. nach München 20.7. kartiert, was richtig war, weil ab dem 19.7. nur noch die Hauptbriefpostexpedition München mit ihrem Pendant in Paris Briefpakete austauschte und folglich alle Postsendungen Bayerns nach München, wie auch alle Postsendungen Frankreichs zentral nach Paris kartiert werden mussten.

Da diese Briefpakete die Schweiz geschlossen transitierten, finden wir natürlich keine Schweizer Stempel auf derlei Briefen (wenn gleich einer mir bekannt ist aus 1871, der tatsächlich einen schweizer Transitstempel aufweist!).

Vorderseitig sehen wir den Ankunftsstempel von Paris "Baviere Forbach 3", den es auf der Strecke von Forbach nach Paris nie gab (1 war die Tour, 2 die Retour und nur die Stempel - Nummer 3 lag in Paris).

Aber, oh Schreck, der deutsche Empfänger in Mirmande bei Loriol war bereits abgereist, denn er wollte sicher dem Alptraum entfliehen, als "Deutscher" in einen Krieg hinein zu schlittern, dessen Ausgang äußerst ungewiß war.

Folglich war der Brief zu retournieren und somit erneut nach Paris zu leiten. Siegelseitig sehen wir auch den Stempel von Paris mit der Bahnpostleitung nach Lyon, von wo aus der Brief über die Schweiz nach München lief. Entgegen der Vorschrift stempelte München nicht beim Eingang des Briefpakets auf Paris, sondern routete ihn gleich weiter nach Baiersdorf, wo er am 1.8.1870 ankam.

Jetzt fehlt mir nur noch das Pendant aus Frankreich nach Bayern vom 19.7.1870 ... aber weitere 30 Jahre werde ich wohl keine Zeit haben, um diesen Erfolg feiern zu können.

Liebe Grüsse von bayern klassisch
 
bayern klassisch Am: 25.08.2015 13:02:57 Gelesen: 333289# 6 @  
Liebe Freunde,

mal sehen, ob sich einer an diesen Brief vom 17.9.1854 aus Gefrees nach Amsterdam traut.

Ganz einfach ist er nämlich in der Beschreibung nicht.



Liebe Grüsse von bayern klassisch
 
hajo22 Am: 25.08.2015 13:53:34 Gelesen: 333277# 7 @  
@ bayern klassisch [#120]

Der Brief ist auf jeden Fall um 1xer unterfrankiert. Es hätten 16 Kreuzer frankiert werden müssen.

Mehr kann ich nicht dazu sagen. Das überlasse ich den "echten" Postgeschichtlern.

BG, hajo22
 
bayern klassisch Am: 25.08.2015 14:23:44 Gelesen: 333268# 8 @  
@ hajo22 [#121]

Hallo hajo22,

so ist es - 9 Kr. für Bayern und 7 Kr. für die Niederlande machten 16 Kr., nicht die frankierten 15 Kr. aus.

Mal sehen, wer weiß, warum das so passieren konnte und einen Kontext erstellt.

Liebe Grüsse von bayern klassisch
 
bayern klassisch Am: 27.08.2015 09:11:07 Gelesen: 333218# 9 @  
@ bayern klassisch [#120]

Liebe Freunde,

doch nicht so einfach ...

Der Postvertrag Preußens mit den Niederlanden vom 1.4.1851 bestimmte, dass Briefe 2 Anteile am Franko (wie hier) bzw. Porto aufzuweisen hatten: 1. den Anteil für den betreffenden Postvereinsstaat, hier Bayern und 2. den Anteil für die Niederlande.

Hierbei galten für den Postverein 3 Entfernungsstufen von bis 10, über 10 bis 20 und über 20 Meilen, bei den Niederlanden nur 2: Bis 30 niederländische Meilen ab der preußischen Grenze, oder darüber.

Demzufolge waren Briefe aus dem rechtsrheinischen Bayern über 20 Meilen mit 9 Kreuzer bis zur preußisch - niederländischen Grenze anzusetzen und für die Niederlande im 1. Fall 4 Kreuzer und im 2. Fall 7 Kreuzer zu taxieren bzw. zu zahlen.

Für die Niederlande übernahm Preußen die Weitergabe des dortigen Frankos, weshalb man in der Postgeschichte auch von einem Weiterfranko spricht. Da Preußen mit den Niederlanden nur in eigener Währung, dem Silbergroschen, abrechnen konnte, war das Weiterfranko logischerweise in Silbergroschen zu berechnen, denn Kreuzer kannte man in Preußen nicht.

Die Niederlande sollten 5 Cents = 1 Silbergroschen für Briefe des 1. Rayons bekommen und 10 Cents = 2 Silbergroschen für Briefe nach weiter weg. Da Amsterdam über 30 niederländische Meilen von Preußens Ausgangsgrenze entfernt lag, waren also 2 Silbergroschen Weiterfranko vom Absender in Bayern zu vergüten.

Nur für den Postverein galt eine vereinfachte Reduktion von Silbergroschen zu Kreuzern mit einem Kurs von 1 zu 3, also 1 Silbergroschen kam 3 Kreuzern gleich. Die tatsächliche Währungsparität zwischen Groschen und Kreuzer war aber 1 zu 3,5! Diese Brüche hätten bei paritätischer Verrechnung auf Postvereinsbriefen zu einem heillosen Durcheinander geführt, so dass man zu Recht sagte, dass im Postverein 1 Sgr. nur mit 3 Kreuzern anzusetzen war und alle Taxierungen somit leicht nachvollziehbar waren.

Musste Preußen aber Gelder für das Ausland als Weiterfranko vergüten, so benötigte man natürlich die tatsächlichen Gebühren, in denen ja auch der Postvertrag abgeschlossen worden war und auf deren entsprechender Höhe die Saldierung erfolgte.

Daher waren die 2 Silbergroschen, die Bayern hier als Weiterfranko an Preußen für die Niederlande zu kassieren hatten, in 7 Kreuzer umzurechnen (2 mal 3,5 = 7 Kreuzer)und nicht, wie im Postverein, in 6 Kreuzer.

Da Bayern aber 9 Kreuzer für sich bis zur Grenze Preußens - Niederlande kassierte, hätte man 7 Kreuzer als Weiterfranko ab 1.4.1854 mit Marken frankieren müssen. Das ist unterblieben. Statt dessen hat die Aufgabepost auf der Siegelseite eine falsche Addition mit 15 Kreuzern notiert und folglich auch nur 15 Kreuzer in Marken geklebt (bis 31.3.1854 war das Weiterfranko für die Niederlande nicht in Marken frankierbar, sondern musste siegelseitig als bar kassiert aufgeschrieben werden).

Wie wir vorn (rote 2) und hinten (blaue 2 von Preußen und blaue 10 Cents = 2 Silbergroschen auch von Preußen) sehen, hat man tatsächlich 2 Silbergroschen an Preußen für die Niederlande vergütet, weshalb Bayern nun keine 9 Kreuzer von den verklebten 15 Kreuzern verblieben, sondern nur noch deren 8.

Die Aufgabepost (nicht der Absender!) sorgte also dafür, dass Bayern einen Kreuzer zu wenig erhielt und es würde mich nicht wundern, wenn man bei einer Innenrevision (die gab es auch noch Jahre später, weil Bayern nur wenige Revisoren hatte) festgestellt hätte, dass ein Kreuzer zu wenig in der Kasse war und man den Expeditor von Gefrees um eben diesen Betrag im Nachhinein erleichterte.

Liebe Grüsse von bayern klassisch
 
bayern klassisch Am: 27.08.2015 19:26:04 Gelesen: 333192# 10 @  
Liebe Freunde,

es gibt Briefe, bei denen man selbst nach längerer Betrachtung keinen einzigen Grund findet, sie zu mögen und andere, bei denen gleich mehrere Gründe einen Kauf nahe legen.

Letzteres trifft wohl (hoffentlich nicht nur meiner Meinung nach) auf den folgenden Brief zu, der am 27.5.1867 als sehr großes Kuvert mit folgender Adresse in Regensburg aufgegeben wurde:

"An Seine des Herrn k. b. Oberlieutnants, Flügeladjutanten Seiner Majestät des Königs Ludwig I von Bayern etc. etc. etc. k. Kämmerers Franz von Gmainer Hochwohlgeboren in München" f(ranco) M(arke).



Die kalligraphisch ansprechende Mischschrift (deutsche Currentschrift und den lateinisch geschriebenen Namen) gefiel mir auf Anhieb und der Flügeladjutant seiner Majestät wird nicht jeden Tag solch einen Brief bekommen haben, war er doch der Vertraute des Königs zum bayer. Militär und als solches in heraus gehobener Position.

Des weiteren sind Paare der Nr. 15 auf innerbayerischen Briefen genau 1 Jahr möglich - die Marke kam zum 1.1.1867 heraus (wenn gleich nicht an alle Schalter) und ab 1868 kosteten schwere Briefe über 1 - 15 Loth wie hier schon 7 Kreuzer. Aber schaut man sich das Paar genauer an, stellt man fest, dass es einen tiefen Schnitt im Zwischenraum aufweist, jedoch oben noch zusammen hängt. Ein Blick auf die rechte und linke obere Ecke beweist außerdem, dass der Postbeamte in Regensburg sicherlich waagrechte Streifen seiner Marken gefertigt und diese dann vorgeschnitten hat, so dass sie nur noch oben zusammen hingen.

Der Vorteil lag darin, dass er nun, ohne die Schere benutzen zu müssen, stets ganz einfach und ohne weitere Perforation, eine, oder mehrere Marken aus diesem waagrechten Streifen abreißen konnte, wie es nach der Frankostufe nötig war. Gab es mal eine schwache Zeit im Schalterdienst, konnte man so ein paar Bögen präparieren und hatte dann, in der Hektik des Tagesgeschäfts am Schalter, ruck zuck die passende Frankatur beinander.

An losen Marken und auch an waagrechten Streifen konnte ich das bisher erahnen, hier kann ich es festmachen. Somit haben wir hier eine elegante Lösung bei geschnittenen Marken vor uns, denn erst zum 1.7.1870 kamen in Bayern gezähnte Bögen in Umlauf und bis dahin war es noch eine Weile.

Siegelseitig hat man sich nicht verewigt - nur 2 Siegel deuten auf einen "besseren" Absender hin, aber mir genügt das vollkommen.

Liebe Grüsse von bayern klassisch
 
bayern klassisch Am: 09.09.2015 10:11:05 Gelesen: 333087# 11 @  
Liebe Freunde,

heute möchte ich einen simplen innerbayerischen Brief vorstellen, der durch Güte befördert wurde (von wem auch immer ist nicht zu eruieren), aber der eben nicht diesen bekannten Vermerk aufwies, sondern uns mit dem französischen "p(ar) bonté" erfreut, was das selbe bedeutet.





Der Absender schrieb in München 1m 25.4.1838 einen sehr wichtigen Brief an den Gerichtshalter Otto in Regensburg, in dem es um viel Geld, Probleme, gerichtliche Streitigkeiten et cetera ging.

Der Brief weist weder einen Stempel, noch sonst eine postalische Behandlung auf, so dass der Vermerk "durch Güte" sicherlich zur Versendungsweise passt.

Der Empfänger notierte innen oben rechts "praes: den 27. April 38", womit wir wissen, dass er innerhalb von 2 Tagen dort angekommen war. Schneller war die Post damals auch nicht, denn das vorherrschende Transportmedium war noch immer die Kutsche und von München nach Regensburg waren es immerhin 105 km Luftlinie und ca. 140 km damals zu fahren. Postalisch hätte der Brief bei über 12 - 18 Meilen übrigens 6x Franko/Porto gekostet, die man sich schon mal gespart hat, wenn die Dienste des Gütigen denn kostenlos gewesen sein sollten.

Der Brief war gesiegelt und wie wir wissen lag der Transport versiegelter Briefe allein der bayerischen Staatspost ob. Es handelte sich also ganz klar um einen Verstoß gegen das Postgesetz, aber da ich leider keine Contraventionen der Vormarkenzeit (VMZ) sammle, wandert er in die Mini - Sammlung der Kuvertierungen und Gütebeförderungen, wo er sich auch wohl fühlen dürfte.

Liebe Grüsse von bayern klassisch
 
bayern klassisch Am: 01.10.2015 15:14:04 Gelesen: 332960# 12 @  
Liebe Freunde,

auch simple Briefe können gefallen - wo wie der hier vom 27.12.1865 aus dem württembergischen Ulm via Neu-Ulm in Bayern nach Dietmannsried aus der bekannten Streng - Korrespondenz.



Es ist einer der eher wenigen Briefe, bei denen wohl eher nichts gespart wurde, denn von Ulm sind es 78 km bis Dietmannsried, womit wir bei der damals amtsbekannt großzügigen Berechnungsweise noch den 1. Rayon mit 10 Meilen unterstellen können (jedenfalls bis mir einer einen Brief aus Ulm nach Dietmannsried zeigt, der mit 6 Kreuzer frankiert wurde).

Innerbayerisch war ab dem 1.8.1865 eh jede Entfernungszone gefallen, so dass die 3 Kreuzer auf jeden Fall bis zu 1 Loth genügten.

Liebe Grüsse von bayern klassisch
 
bayern klassisch Am: 02.11.2015 14:32:18 Gelesen: 332753# 13 @  
Liebe Freunde,

heute zeige ich meinen besten Fang in Sifi, den ich hier vollständig zu interpretieren versuche. Für die Länge des Beitrages bitte ich jetzt schon um Nachsicht.



Uli Schmitt vermerkt in seinem Attest vom 8.10.2015 als Aufgabetag den 29.5.1864. Der einzige Stempel mit einer Jahreszahl ist der siegelseitige von Buffalo AUG 8 186?.

Da er keinen Inhalt mehr hat, müssen wir das Zeitfenster so gering wie möglich halten.



Die 3 Marken Nr. 8, 9 und 13 kamen am 1.10.1862 an die Schalter. Unser Brief vom Mai kann also nur aus der Zeit von 1863 - 1867 stammen.

Ab 6.1.1868 konnte keine 22 Kr. Frankatur wie hier mehr vorkommen bei der Leitung über Hamburg bzw. Bremen, so dass wir uns in den Jahren 1863 - 1867 befinden.

Der Stempeltyp 15 nach Winkler als Rahmenstempel von Donauwörth ist nur von 1864 ohne Jahreszahl bekannt. Aber vlt. kennen Heimatsammler heute weitere Verwendungsdaten über das Jahr 1864 hinaus.

Wichtiges Indiz ist der US - Eingangsstempel von New York vom 24.6.186? in roter Farbe als Zeichen der vollständigen Bezahlung des Frankos - hier 6 Kr. für Bayern und 16 Kr. Weiterfranko ( s. auch vorne 16 Kr. in Rötel, die 10 US - Cents entsprachen = PAID. 10 ).

Da wir hinten den Bremen - Stempel vom 1.8.186? sehen, suchen wir nach einem Schiff, dass zu dieser Zeit ausgelaufen sein musste.

Folgende Schiffe bieten sich an:

Norddeutscher Lloyd ( "North German Lloyd")

7.6.1863 ab Bremen, 10.6.1863 ab Southampton, 23.6.1863 an New York mit der BREMEN. Evtl. einen Tag später erst von der Post gestempelt.

7.6.1864 ab Bremen, 10.6.1864 ab Southampton, 23.6.1863 an New York mit der HANSA. Auch hier evtl. einen Tag später erst von der Post gestempelt.

9.6.1866 ab Bremen, 12.6.1866 ab Southampton, 24.6.1866 an New York mit der NEW YORK. Hier würde der 24.6. perfekt passen.

8.6.1867 ab Bremen, 11.6.1867 ab Southampton, 23.6.1867 an New York mit der UNION. Auch hier evtl. einen Tag später erst von der Post gestempelt.

Die anderen Jahre kommen nicht für den Brief in Betracht.

Die einzige Alternative wäre eine Leitung mit der HAPAG:

10.6.1866 ab Hamburg, 13.6.1866 ab Southampton, 24.6.1866 an New York mit der GERMANIA. Wie oben würde hier alles passen - und Briefe, die von Bremen nach Hamburg geschickt wurden, sind uns bekannt, so dass der Abgang Hamburg nicht dagegen spräche.

Zur Chronologie des Briefes: Mit 22 Kr. frankiert nach dem PV Bremen - USA vom 1.7.1857, wurde er am 8.8.186? in Buffalo siegelseitig gestempelt. Empfängerin war Frau Anna Kneitl, Metzgerswitwe, wohnhaft bei Herrn Georg Stock, Musiker und Hausbesitzer in Buffalo.

Über das Schicksal von Frau Kneitl und Herrn Georg Stock in Buffalo im Staate New York (Nordstaaten) ist mir leider nichts bekannt; auch das Internet schweigt sich hierüber aus.

Eine Zustellung dort dürfte aber nicht erfolgt sein, denn vorn sehen wir den Stempel "NOT CALLED FOR", also keine Nachfrage nach dem Brief, der wohl ausgesteckt worden war, um seine Empfängerin zu animieren, ihn abzuholen. Daher wurde er zurück geschickt (über GB und Belgien), denn der Stempel "Am Bestimmungsorte nicht abgefordert." kam in Aachen im Austausch mit der belg. Bahnpost auf Retourbriefe (vorne: "retour" in blau), s. van der Linden Nr. 110. Dort ab 1855 in rot, ab 1862 in schwarz, ab 1865 in blau und ab 1864 gar in violett bekannt, was uns hier aber nicht wirklich weiter bringt.

Interessant ist noch, dass der Absender die Adresse sicherheitshalber auch auf der Rückseite - jetzt aber in Englisch - notiert hatte.

Am 19.11186? kam er wieder nach Neuburg an der Donau zurück, jedoch war er keinem Absender zuzuordnen, weswegen er am 20.11.186? wieder über Donauwörth der Retourbrief - Commission in Augsburg zugeleitet wurde, welche allein das Recht hatte, unanbringliche Retourbriefe zur Ermittlung des Absenders zu öffnen.

Rechts können wir noch die Siegelung nach Öffnung des Briefes durch die Retourbriefcommission sehen. In diesem Zusammenhang sei erwähnt, dass Retourmarken erst ab 1867 bekannt sind, was auch eine Eingrenzung des Datums im o. g. Sinne richtig erscheinen lässt.

Die doppelt vereidigten Augsburger Beamten notierten oben auf der Vorderseite "retour Binsack", womit der Absender gemeint war, dem man den Brief dann auslieferte.

Der Brief lief entweder in der Zeit des amerikanischen Bruderkrieges von 1861 - 1865, oder im Jahr 1866, wenn man dem US - New York - Stempel Glauben schenken mag, kurz vor dem deutschen Bruderkrieg.

Vlt. kann mir ein Spezialist helfen, ihn sicher zu datieren, was mich sehr freuen würde.

Liebe Grüsse von bayern klassisch
 
Magdeburger Am: 02.11.2015 16:36:36 Gelesen: 332741# 14 @  
@ bayern klassisch [#13]

Lieber Bayern Klassisch,

ein super Brief und eine Frage:
Waren die Ankunftstage der Schiffe geplante oder die echten Einlauftage?

Wie auch immer, ich habe mal den Stempel von Buffalo herausgezogen und versucht etwas mehr herauszubekommen.



Ob es nun tatsächlich 1864 ist, kann ich auch nicht sagen. Jendenfalls spricht m.E. dafür einiges. Eventuell reicht ein beliebiger 1864 Stempel mal aus, um dies genauer sagen zu können.

Mit freundlichem Sammlergruss

Ulf
 
bayern klassisch Am: 02.11.2015 16:44:17 Gelesen: 332737# 15 @  
@ Magdeburger [#14]

Lieber Ulf,

es waren eigentlich die tatsächlichen Ankunftstage - statistisch von Hubbard und Winter ausgearbeitet, wofür diesen Spitzenforschern allergrößter Dank gebührt.

Danke für deine Mühewaltung mit dem Buffalo - Stempel; 1864 ist schon naheliegend, aber ganz sicher bin ich mir halt nicht.

Liebe Grüsse von bayern klassisch
 
bayern klassisch Am: 13.11.2015 10:05:08 Gelesen: 332536# 16 @  
Liebe Freunde,

im Gegensatz zu einigen Postverwaltungen, bei denen Briefe häufig mit Gewichts - Notationen versehen wurden, bzw. zu Postverträgen, in denen die Notation des Gewichts der jeweiligen Briefe gar vorgeschrieben war, ließ Bayern sich hinsichtlich der Gewichtsnotationen der gewöhnlichen Inlandsbriefe nicht in den Verordnungen aus, es wurde also gar nicht erst thematisiert.

Die belegt auch die Praxis, kennen wir doch Hunderte von Briefen der 2., 3. 4. und noch höherer Gewichtsstufen, die samt und sonders ohne Gewichts - Notationen erhalten blieben.

Selbst bei Briefen mit Postsonderleistungen, als Chargé, Expreß, poste restante usw. sind Angaben über das jeweils ermittelte Gewicht nicht auf den Briefen zu finden - nur die Frankatur, wenn es eine gab, bzw. das angeschriebene Porto geben heute noch Aufschluss über die ermittelten Gewichtsstufen, mehr nicht.

Heute zeige ich 2 von etwa einer Handvoll innerbayerischen, gewöhnlichen Briefen, bei denen dies anders war.



Der 1. datiert vom 3.2.1855 und ist mit einer Nr. 2 Platte II b frankiert, der von Füssen aus nach Osterberg, Post Pleß gerichtet war. Der optisch große Brief war aber nur mit 3 Kr. frankiert, was dokumentiert, dass er in der 1. Gewichtsstufe gelegen haben muss und die ging bis 1 Loth inklusive, wobei das Loth damals bis 15.625g reichte.

Er wurde oben links mit " 9/10 l " = 9/10 Loth gewogen, lag also knapp darunter.



Der 2. Brief datiert vom 20.1.1864 und ging von Ludwigshafen am Rhein nach Speyer, wofür auch im 1. Gewicht als Sonderfranko innerhalb der Pfalz nur 3 Kr. zu frankieren waren.

Allerdings wurden in Bayern ab dem 1.4.1862 die Gewichte herauf gesetzt, so dass nun das immer inklusiv zu rechnende Loth 16,66g betrug. Hier vermerkte die Aufgabepost " 1 fach ", wobei es theoretisch auch 15 fache Gewichte bei der Briefpost geben konnte.

Im Inhalt wurden Einlagen erwähnt, so dass der Brief sicher mehr, als die 5g von heute gewogen hatte.

Es scheint also so zu sein, dass Postler diejenigen Briefe, die ganz knapp gerade noch so einfach waren, in seltenen Ausnahmefällen gewogen und das Wiegeergebnis auf den Brief oben links notiert hatten. Derlei Gewichtsangaben sind und waren m. E. extrem selten und nicht - wie etwa bei der Fahrpost - Vorschrift.

Liebe Grüsse von bayern klassisch
 
bayern klassisch Am: 14.11.2015 17:27:11 Gelesen: 332493# 17 @  
Liebe Freunde,

ich konnte in Sifi ein wunderschönes Stück ergattern, das in Deggendorf als frankiertes Avis von der dortigen Güterexpedition der königlich. privilegierten bayerischen Ostbahnen an Herrn Salegg nach Hengersdorf lief. Man schrieb den 16.2.1867 und die verwendete 9c als kleine Bogenecke auf einem Avis dürfte schon damals nicht alltäglich gewesen sein. Ob die Marke oben links noch vollrandig ist, dürfen die entscheiden, die keine Gleitsichtbrille benötigen.



Der Verschluss wurde mit einer Siegeloblate und einem Segmentstempel bewirkt. Doch was hatte man unserem Salegg denn schönes per Bahn geschickt?

1 Kiste Cigarren, 3 Rollen Brasil, 1 Kiste Conditorei, 1 Ballot Baumwollwaren und 1 Kiste Posamenten. Wer genau wissen will, welche Waren das dunnemals waren, darf gerne googlen - sie werden sich alle finden lassen.

Wohl bekomms und liebe Grüsse von bayern klassisch
 
bayern klassisch Am: 03.12.2015 13:08:46 Gelesen: 332356# 18 @  
Liebe Freunde,

Bayern hatte in der Postreform vom 1.7.1850 vergessen, Briefe mit anhängendem Muster portozumoderieren. Erst zum 1.7.1858 wurde wieder die Möglichkeit eingeräumt, dass Muster und Brief je 2 Loth als einfach zu taxieren waren, wenn der Brief selbst unter einem Loth wog und das Muster anhängig (nicht anhänglich) war.



Der Brief aus München vom 13.10.1858 nach Waldmünchen hatte ein Muster inliegend und fiel auch nach dem 1.7.1858 nicht unter die Portomoderation. Es ging um ein Muster aus "croisirtem Tuch", nach welchem der Empfänger 12 Stück in Arbeit zu nehmen hatte, gefolgt von 6 weiteren später.

Verwendung einer Nr. 4 II Platte 2 zum üblichen Zeitpunkt.

Liebe Grüsse von bayern klassisch
 
bayern klassisch Am: 23.12.2015 16:05:36 Gelesen: 332230# 19 @  
Liebe Freunde,

und wieder hat sich so ein langweiliger, innerbayerischer Dienstbrief bei mir eingeschlichen, den ich euch nicht vorenthalten möchte.



Geschrieben am 22.6.1812 in Burgbernheim (PE erst ab 1.5.1857) nach Ansbach. Die Aufgabe erfolgte in der für Burgbernheim zuständigen PE von Markt Bergel (auch Markt Bürgel bzw. Marktbürgel). Man achte dabei auf den Aufgabestempel: Mt: Bergel R. 3.

Da Feuser den Stempel erst 1813 nominiert, kann das Verwendungsdatum nun mind. 1/2 Jahr nach vorne verlegt werden. Er sieht mir aber nicht so aus, als wäre er im Juni 1812 noch taufrisch gewesen und für 1813 gibt Altmeister Winkler noch den Stempel: Marktbergel R. 3. an, der aber m. E. von 1808 stammen muss, weil in diesem Jahr die Post in Marktbergel eröffnet wurde (1.1.1808 noch unter Taxisregie).

Obwohl der Stempel bis 1830 im Einsatz gewesen sein soll, sind Abschläge Mangelware. Nach mangelwarer sind Recobriefe - hier einen mit eigenem, schwarzen Chargéstempel, der in Ansbach nochmals mit Chargé in rot nachgestempelt wurde, obwohl das nicht leicht zu verstehen ist (Transitstempel gab es in Bayern vor dem Jan. 1843 keine, jedenfalls nicht offiziell).

Briefe mit Chargé - Nachstempelung sind nicht häufig und dürfen immer gekauft werden.

Der Absender zahlte auch 6 Kr., wobei die Aufgabepost nicht vergaß, den Punkt so zu setzen, dass man die 6 nicht mit einer 9 verwechseln konnte - gut gemacht!

Liebe Grüsse von bayern klassisch
 

Das Thema hat 969 Beiträge:
Gehe zu Seite:  1   2 3 4 5 6 7 8 9 10 11 21 31 39 oder alle Beiträge zeigen
 
  Antworten    zurück Suche    Druckansicht  
 
Wir benutzen Cookies um die Nutzerfreundlichkeit der Webseite zu verbessen. Durch Deinen Besuch stimmst Du dem zu.