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Thema: Tschechoslowakei unter polnischer Verwaltung
Das Thema hat 82 Beiträge:
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Detlev0405 Am: 03.07.2018 11:49:22 Gelesen: 32370# 1 @  
@ gabriele

Hallo Gabi,

heute der versprochene Beleg mit der Identitätskrise.



Ich bin ein Beleg mit einer absoluten Identitätskrise und Schuld daran sind die Menschen. Zu K.u.K. Zeiten wäre ich eine normale Reklamation per Post gewesen, gerichtet an die Kalkbrennerei in Studenec irgendwo in Schlesien an der polnisch – tschechischen Grenze. Wenn der Schreiber meines Kartenbriefes nicht so faul gewesen wäre, hätte er sich auf seine Socken gemacht und wäre selbst zum Bahnhof Oderberg gegangen. Denn dahin sollte die Reklamation von der Kalkbrennerei weitergeleitet werden. Gut Oderberg – Bahnhof war ein Ortsteil von Oderberg, aber ein Fahrrad hätte da auch weitergeholfen.

Dazu kommt noch, dass ich nicht mit einer normalen Briefmarke frankiert wurde, sondern mit einer Portomarke von Österreich, der Mi.Nr. 61. Dabei habe ich doch wie jeder Beleg Anrecht auf eine normale Briefmarke.

Gegrinst habe ich, als mein Besitzer sich im Internet wund suchte nach Studenec in Schlesien. Er fand zwar 13 Orte mit gleichem Namen – aber nicht mein Studenec. Offenbar gibt es den Ort nicht mehr – noch mehr Krise.

Gestern war ein Freund meines Besitzers hier und hat schallend gelacht. Er schlug die Einführung im Michel Katalog zur Tschechoslowakei auf und tippte auf die Bemerkungen zu den Vorläufern der tschechischen Briefmarken nach der Staatsgründung am 28.10.1918. Danach war meine Marke noch bis zum 28.02.1919 als normale Briefmarke frankaturgültig. Und er erklärte weiter, das ein solcher Bedarfsbeleg wie ich viel authentischer ist als ein Beleg mit den ersten Überdruckausgaben und wertvoller. Seit dem trage ich meine Nase wieder hoch oben.

Eines haben aber beide nicht klären können – die Bedeutung des diagonalen Franco Stempels.


LG
Detlev
 
gabriele Am: 03.07.2018 23:46:11 Gelesen: 32310# 2 @  
@ Detlev0405 [#1]

Hallo Detlev,

danke für deinen Beitrag. Da habe ich gleich nach Oderberg gesucht. Der Absendeort bohumin mesto [1] steht ja vor dem Datum. Warum schreibst du denn Kartenbrief, es ist doch eine Postkarte.

In meinem Michel-Österreichkatalog 2015 habe ich die Marke als Nr. 61, gültig bis 31.10.1920 als Portomarke vom Kaiserreich gefunden. Zum Franco-Stempel habe ich im Katalog nichts gefunden. Kann es sein, dass mit dem Franko-Stempel die Verwendung als Freimarke bescheinigt/bestätigt wurde?

Wobei ich nicht weiß, warum es überhaupt Portomarken gab? Mußten damit die Empfänger die Gebühr bezahlen?

Auf jeden Fall möchte ich mithelfen, dass dein Beleg richtig stolz auf sich wird. ;-)

Liebe Grüße, Gabi

[1] https://de.wikipedia.org/wiki/Bohum%C3%ADn
 
Detlev0405 Am: 04.07.2018 06:57:10 Gelesen: 32284# 3 @  
@ gabriele [#2]

Hallo Gabi,

gute Frage - warum komme ich auf einen Kartenbrief ? Ich konnte die drei Klebestellen nicht einordnen auf der Vorderseite und habe deshalb vermutet, das es sich um eine Art Antwortkarte handelt - im Verkehr zwischen zwei Firmen. Das ist aber nur eine Theorie aus dem Bauch geboren, ich bin kein Spezialist für solche Sachen.

Zum Franco Stempel habe ich mich auch etwas schlau gemacht - ich würde ihn als eine Art "Spielerei" der Zeit einordnen, es gab keinerlei Grund für diesen Aufdruck. Die Gültigkeit dieser Marke zur Zeit war ja amtlich gegeben.

Die Portomarke als solche hatte schon ihre Richtigkeit in der Region - es war ja K.u.K. Postgebiet. Ja verwendet wurde sie bei Strafporto, wenn der Absender z.B. den Brief unterfrankiert hatte und Nachgebühr erhoben werden musste. Damit wurde dann der Empfänger belastet. Hier wurde diese Portomarke als Ersatz für nicht vorhandene normale Briefmarken genutzt.

Es gibt aber noch ein Mysterium bei diesem Beleg. Wie Du selbst richtig schreibst, handelt es sich um die Stadt Bohumin, auf der Rückseite der Karte auch dementsprechend durch den Absender dokumentiert (unten links). Siehst Du Dir den Stempel richtig an, findest du oben Oderberg und unten Bogumin. Bogumin ist aber die polnische Bezeichnung des Ortes Oderberg - nach meiner Kenntnis war Oderberg aber nie polnisch, auch postseitig nicht.

Liebe Grüße
Detlev
 
gabriele Am: 04.07.2018 18:17:25 Gelesen: 32238# 4 @  
@ Detlev0405 [#3]

Bogumin ist aber die polnische Bezeichnung des Ortes Oderberg - nach meiner Kenntnis war Oderberg aber nie polnisch, auch postseitig nicht.

Hallo Detlev,

puuuhh, jetzt müssen wir in mir ungewohnte Geschichtsteile und -Gebiete abtauchen. Oderberg liegt in Schlesien im Olsagebiet [1]. Schau dir mal die zweite, grünblaue Karte im Link an. Daraus entnehme ich, dass das Olsagebiet zwischen dem 5. November 1918 und 28. Juli 1920 zu Polen gehört hat.

Ob ich das richtig interpretiere, weiß ich natürlich nicht. Dazu sollte/müßte sich ein Kenner der Geschichte von Schlesien äußern.

[1] https://de.wikipedia.org/wiki/Olsagebiet

LG, Gabi
 
Detlev0405 Am: 04.07.2018 19:16:41 Gelesen: 32222# 5 @  
@ gabriele [#4]

Hallo Gabi ,

dem kann ich folgen, den Konflikt im Olsagebiet kannte ich nicht. Also hatte der Stempel mit der polnischen Ortsbezeichnung seine Berechtigung.

LG Detlev
 
gabriele Am: 05.07.2018 16:43:14 Gelesen: 32169# 6 @  
@ Detlev0405 [#1]

Hallo Detlev,

kann es sein, dass die Karte als Ortspostkarte lief, innerhalb Oderberg-Bahnhof? Die Anschrift, Textseite oben, nennt Bohumín nádraží [1] als Ortsangabe?

Wegen dem polnischen Stempel müßte die Portomarke eigentlich zu Polen gehören. In meinem Michelkatalog Ost-Europa 1999/2000, Seite 673, gibt es bei Polen ebenfalls Portomarken.



Da ich weder tschechisch noch polnisch spreche, muß ich mal fragen, wie Du auf Kalkbrennerei und Reklamation gekommen bist? Es geht doch scheinbar eher um Schüler/Studenten oder so?

Auf jeden Fall finde ich die "Identitätskrisenkarte" total interessant. Falls es dazu von Dir mal eine neue Beschreibung gibt, wäre es supergut, wenn Du die hier vorstellen würdest :-)

LG, Gabi

[1] https://czech-transport.com/index.php?id=33766
 
Detlev0405 Am: 05.07.2018 22:44:04 Gelesen: 32127# 7 @  
@ gabriele [#6]

Hallo Gabi ,

Kalkbrennerei ist die "vapenky" und die Reklamation kann ich aus dem rückseitigen Text entnehmen. Zwei Waggons Kalk waren wohl avisiert, die Leute zum entladen bereit gestellt und die Kosten werden nun moniert ( grobe Inhaltsangabe ) .

Die Karte war eigentlich gerichtet an die Kalkbrennerei Studennec und wenn Du auf die Rückseite schaust steht dort oben "zaslete na adresu" ( senden Sie an die Adresse ) und dann der Name , Händler am Bahnhof Bohumin . Insofern auch die Bemerkung der Karte - der Absender hätte das Problem auch per Fahrrad lösen können . Ich gehe aber davon aus, das die Karte erst nach Studenec ging und von da aus wieder retour nach Bohumin Bahnhof. Du hast bestimmt "studenske vapenky" in den Übersetzer eingegeben und kommst auf die Studenten. "Vapenka" ist die Kalkbrennerei und das "studenske" bezieht sich auf den Ort Studenec. Insofern wahrscheinlich vielleicht dein Irrweg mit den Studenten.

Die von Dir angeführten polnischen Marken sind zwar eine gute Spur, haben aber einen Nachteil. Die P 11 und 12 haben einen Überdruck zweizeilig "Pozta Polska" - damit ist der im Text beschriebene Aufdruck gemeint. Damit fällt das Krakau Provisorium aus meiner Sicht aus. Zu sehen unter [1].

Zumal hier die Portomarken auch als solche verwendet wurden.

Also motzt die Karte weiter rum und weigert sich einfach, sich neu zu beschreiben. Interessant ist die Frage, wie die "Besetzung" Oderbergs im Olsakonflikt einzuordnen ist. Denn interessanter Weise spielt sich ja alles in tschechischer Sprache ab. Erstaunlich ist ja auch, das auf polnischem Gebiet auch 1919 zweisprachige Stempel unüblich waren ( oder irre ich mich da).

LG Detlev

[1] https://www.philasearch.com/de/lot_archive/orderNo/9081-A38-18770?
 

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